Das Sozialamt von Woerden, einer mittelgrossen Stadt in der Nähe von Utrecht. Mitarbeiterin Irma Ponzen präsentiert eines der neuen Sprechzimmer: Sie sind alle mit zwei Alarmknöpfen ausgerüstet und einem außergewöhnlich breiten Tisch. Auch die Lampe darüber hängt extra tief. Das soll die Sachbearbeiter vor wütenden Kunden schützen: Die können nun nicht mehr so einfach über den Tisch auf die andere Seite springen. Auch haben die Angestellten die Möglichkeit, sich in Notfällen hinter einer Tür in Sicherheit zu bringen, die sie abschließen können.
Auf diese Weise fühlen wir uns wieder sicher, sagt Irma - und das sei auch nötig. Denn viele Sozialhilfeempfänger belassen es nicht bei Drohungen: Erst neulich habe ein Mann mit Möbeln um sich geworfen und wollte alles kurz und klein schlagen. In der Gemeinde Zeist gab es sogar Verletzte: Ein aufgebrachter Sozialhilfempfänger zog ein Messer und fing an, auf die Angestellten einzustechen.
"Wenn die Leute Geld wollen, wollen sie es sofort. Wenn wir ihnen dann aber sagen, dass sie weniger oder gar nichts mehr bekommen, brennt bei manchen eine Sicherung durch. Die denken, der Kunde ist König, die nehmen sich alles heraus."
Irmas Chef Frank Pleket, der Leiter des Woerdener Sozialamtes, führt das Problem auf mehrere Faktoren zurück:
"Geld vom Staat wie in den soften 90er Jahren. Andererseits ist die Bereitschaft, das zu akzeptieren, gesunken - die Bürger sind mündiger geworden. Hinzu kommt, dass die Hemmschwelle, Gewalt anzuwenden, ebenfalls gesunken ist - unsere Gesellschaft ist viel aggressiver geworden." "
Darunter leiden nicht nur die Mitarbeiter der Sozialämter: Stewardessen haben Mühe, rüpelhafte Passagiere in Zaum zu halten, Fussball-Schiedsrichter werden von aggressiven Fans angegriffen, und im Autoverkehr wird beim geringsten Anlass der Mittelfinger gezeigt. In Amsterdam wurden vor kurzem selbst Sanitäter zusammengeschlagen: Aufgebrachte Angehörige von Opfern fanden, dass sie nicht schnell genug am Unfallort erschienen waren.
Der Ruf nach Anstand und Moral, Normen und Werten wird deshalb in den Niederlanden immer lauter. Zunächst hatte nur der christdemokratische Premierminister Balkenende diese Worte in den Mund genommen. Er musste sich anfangs noch als spießbürgerlicher Moralapostel verspotten lassen.
Doch inzwischen erscheinen in Zeitungen Sonderbeilagen zum nationalen Stand der Moral. Schulen haben das Fach Anstand und Manieren eingeführt. Es gibt sogar Rundfunkspots. Darin rufen prominente Niederländer ihre Landsleute auf, sich zusammenzureißen und nicht wie Flegel zu benehmen. Motto: "Manche Mitbürger haben eine viel zu kurze Lunte."
Immer mehr Bürger erkennen, dass die Niederlande in den wilden 60er Jahren nach der Befreiung vom Korsett der prüden Nachkriegszeit von einem Extrem ins andere gefallen sind. Obrigkeitsdenken und Respekt vor Autoritäten verschwanden völlig. Die Niederlande wurden zum Land der unbegrenzten Möglichkeiten, wo jeder jeden duzen kann. Jetzt ist eine Gegenbewegung in Gang gekommen: "Moralisieren ist wieder in", konstatiert der Amsterdamer Sozial- und Kulturphilosoph Ad Verbrugge.
"Zwar findet das jeder schrecklich altmodisch. Moral und Anstand sind einfach nicht sexy und scheinen nicht zu einer modernen Nation zu passen. Aber alle sind sich einig, dass es sein muss - weil es so nicht weitergehen kann."
Wie aber lässt sich das Ruder herumreißen? Eltern, so heisst es, müssten wieder lernen, "nein" zu ihren Kindern zu sagen. Eigenschaften wie Zivilcourage seien nötig. Und mehr soziale Kontrolle. "Außerdem brauchen wir die Mentalität eines Langstreckenläufers", sagt Sozialamtleiter Pleket:
"Das geht alles nicht von heute auf morgen. Aber Normen und Werte halten eine Gesellschaft zusammen, deshalb müssen wir uns dafür einsetzen - auch wenn es 20 Jahre dauert."
Auf diese Weise fühlen wir uns wieder sicher, sagt Irma - und das sei auch nötig. Denn viele Sozialhilfeempfänger belassen es nicht bei Drohungen: Erst neulich habe ein Mann mit Möbeln um sich geworfen und wollte alles kurz und klein schlagen. In der Gemeinde Zeist gab es sogar Verletzte: Ein aufgebrachter Sozialhilfempfänger zog ein Messer und fing an, auf die Angestellten einzustechen.
"Wenn die Leute Geld wollen, wollen sie es sofort. Wenn wir ihnen dann aber sagen, dass sie weniger oder gar nichts mehr bekommen, brennt bei manchen eine Sicherung durch. Die denken, der Kunde ist König, die nehmen sich alles heraus."
Irmas Chef Frank Pleket, der Leiter des Woerdener Sozialamtes, führt das Problem auf mehrere Faktoren zurück:
"Geld vom Staat wie in den soften 90er Jahren. Andererseits ist die Bereitschaft, das zu akzeptieren, gesunken - die Bürger sind mündiger geworden. Hinzu kommt, dass die Hemmschwelle, Gewalt anzuwenden, ebenfalls gesunken ist - unsere Gesellschaft ist viel aggressiver geworden." "
Darunter leiden nicht nur die Mitarbeiter der Sozialämter: Stewardessen haben Mühe, rüpelhafte Passagiere in Zaum zu halten, Fussball-Schiedsrichter werden von aggressiven Fans angegriffen, und im Autoverkehr wird beim geringsten Anlass der Mittelfinger gezeigt. In Amsterdam wurden vor kurzem selbst Sanitäter zusammengeschlagen: Aufgebrachte Angehörige von Opfern fanden, dass sie nicht schnell genug am Unfallort erschienen waren.
Der Ruf nach Anstand und Moral, Normen und Werten wird deshalb in den Niederlanden immer lauter. Zunächst hatte nur der christdemokratische Premierminister Balkenende diese Worte in den Mund genommen. Er musste sich anfangs noch als spießbürgerlicher Moralapostel verspotten lassen.
Doch inzwischen erscheinen in Zeitungen Sonderbeilagen zum nationalen Stand der Moral. Schulen haben das Fach Anstand und Manieren eingeführt. Es gibt sogar Rundfunkspots. Darin rufen prominente Niederländer ihre Landsleute auf, sich zusammenzureißen und nicht wie Flegel zu benehmen. Motto: "Manche Mitbürger haben eine viel zu kurze Lunte."
Immer mehr Bürger erkennen, dass die Niederlande in den wilden 60er Jahren nach der Befreiung vom Korsett der prüden Nachkriegszeit von einem Extrem ins andere gefallen sind. Obrigkeitsdenken und Respekt vor Autoritäten verschwanden völlig. Die Niederlande wurden zum Land der unbegrenzten Möglichkeiten, wo jeder jeden duzen kann. Jetzt ist eine Gegenbewegung in Gang gekommen: "Moralisieren ist wieder in", konstatiert der Amsterdamer Sozial- und Kulturphilosoph Ad Verbrugge.
"Zwar findet das jeder schrecklich altmodisch. Moral und Anstand sind einfach nicht sexy und scheinen nicht zu einer modernen Nation zu passen. Aber alle sind sich einig, dass es sein muss - weil es so nicht weitergehen kann."
Wie aber lässt sich das Ruder herumreißen? Eltern, so heisst es, müssten wieder lernen, "nein" zu ihren Kindern zu sagen. Eigenschaften wie Zivilcourage seien nötig. Und mehr soziale Kontrolle. "Außerdem brauchen wir die Mentalität eines Langstreckenläufers", sagt Sozialamtleiter Pleket:
"Das geht alles nicht von heute auf morgen. Aber Normen und Werte halten eine Gesellschaft zusammen, deshalb müssen wir uns dafür einsetzen - auch wenn es 20 Jahre dauert."