Karin Fischer: Ein skrupelloser, ehemaliger Nazi-Kollaborateur, ein Unterwelt-Boss, eine brisante Mappe mit Beweisen, eine Schießerei am frühen Morgen: Veit Heinichens Proteo Laurenti-Krimis spielen vor der osteuropäisch angehauchten Kulisse einer Stadt, die es in sich hat – Triest – und sind Bestseller. Mit Henry Hübchen als Kommissar Laurenti kennt sie auch das deutsche Fernsehpublikum. Nun ist der Autor selbst Protagonist eines bizarren Kriminalfalles geworden, seit über einem Jahr ist er Opfer einer Rufmordkampagne. Ein Unbekannter schreibt regelmäßig Verleumdungsbriefe an öffentliche Institutionen, Zeitungen, Vereine, sogar an Freunde von Heinichen, und alles, was die Staatsanwaltschaft bisher herausgefunden hat, ist, dass die Vorwürfe selber – unter anderem die Unterstellung pädophiler Neigungen – völlig aus der Luft gegriffen sind. Vom Täter selbst fehlt jede Spur. Den betroffenen Autor Veit Heinichen habe ich vor der Sendung gefragt, warum er jetzt mit seinem Fall an die Öffentlichkeit gegangen ist.
Veit Heinichen: Nach 14 Monaten Ermittlungen, die leider erfolglos blieben – denn der Verfasser dieser Briefe geht sehr methodisch, akribisch und genau vor –, war es an der Zeit, bevor diese Sache auf anderem Wege hochging und sozusagen zum Stadtgespräch wurde, die Regie zu ändern. Denn wir konnten lange durchhalten, vor allem bin ich leise geblieben, damit die Ermittlungen nicht gestört werden, doch jetzt war es fast ein Wettlauf mit der Zeit, denn vor zehn Tagen hat er nochmals eine Unmenge weiterer Briefe rausgelassen. Und nach der Publikation in der hiesigen Tageszeitung haben sich gestern Morgen allein drei Personen gemeldet und ich denke, es werden noch mehrere sein, die diese Briefe erhalten haben und sich auch bei der Staatsanwaltschaft oder im Polizeipräsidium mit diesen Briefen melden werden.
Die Tatsache, dass jetzt in einer sehr koordinierten Aktion in enger Absprache zwischen Polizeipräsident, dem Chefredakteur der Tageszeitung "Il Piccolo" und mir diese Sache erscheinen konnte und auch jetzt täglichen einen Nachklapp hat, wird zu einer Reaktionsänderung führen. Wir werden sehen, ob er dann aufhört oder ob er anders reagiert und vielleicht auch endlich einen Fehler macht, denn Sie müssen sich vorstellen: Er hat bisher weder Fingerabdrücke noch DNA-Spuren hinterlassen, er hat sich einmal bis unter mein Haus vorbewegt, das heißt, das war dann die erste und allerdings einzige mir bekannte physische Annäherung. Es wird einem schon deutlich anders wenn so etwas passiert.
Fischer: Wie fühlt sich denn das an für einen Krimiautor, wenn er in einen solchen, offenbar ja komplett falschen Film gerät?
Heinichen: Anfangs nimmt man diese Sache gar nicht ernst, man lacht sogar über manche Formulierungen, die er verwendet hat. Allerdings: Da ich sehr gute Kontakte zu den Sicherheitsbehörden habe, habe ich natürlich auch um Rat gefragt und habe mich dann sofort an die Staatsanwaltschaft gewandt, denn dieser Mann bedient das niedrigste Argument, das es überhaupt gibt und wogegen immer natürlich sehr viele Leute wehrlos dastehen. Das heißt, wenn er gesagt hätte, Heinichen hat 50 Leute umgebracht oder 100 Millionen unterschlagen oder sowas, dann wäre mir das ziemlich egal gewesen.
Allerdings: Mit dem Vorwurf der Pädophilie, dieses sozusagen Modeargument, kann man natürlich jemanden komplett absägen. Wer die Zeitungen verfolgt, weiß, wie oft darüber gesprochen wird. Man muss mit diesen Dingen sofort herauskommen, das ist die goldene Regel, die es gibt. Allerdings kann man natürlich nicht wissen, wie es weitergeht, und dieser Täter hat den Plan von Anfang an akribisch durchgedacht. Das heißt, er hat mit zwei anonymen Telefonaten, eines in einer Bar und dem anderen in einem Restaurant, begonnen, die mir zur Kenntnis gebracht wurden und ich deswegen zufällig die Uhrzeit und das Datum aufgeschrieben habe, worüber wir feststellen konnten, dass beide Telefonate bereits aus einer öffentlichen Telefonzelle verübt wurden. Und das bedeutet: Er war weitsichtig, er geht strategisch vor.
Fischer: Wer könnte denn Interesse daran haben, Sie mürbe zu machen, zu verleumden oder gar aus ihrer Wahlheimat Triest zu vertreiben? Das ist ja immer im Kriminalfall dann die Frage nach dem Motiv.
Heinichen: Das Motiv bleibt offen. Wir können nichts ausschließen. Ich bin ein Autor, der in seinen Romanen sehr akribisch und sehr authentisch die Wirklichkeit, in der wir leben, beschreibt, oft nach sehr vielen Jahren Recherche. Und ich nehme Triest, die Stadt, in der die Fälle angesiedelt sind, als einen exemplarischen Ort in Europa und als eine Drehscheibe Europas, was aus ihrer geopolitischen Situation hervorgeht. Das heißt: Alle Fälle, die ich beschreibe, haben immer eine größere Dimension, sie sind auf keinen Fall von lokalem Interesse. Darin reicht es manchmal auch, Tabus überhaupt anzugreifen, zum Beispiel in meinem Buch "Die Toten vom Karst", wo ich über die Abrechnungen zum Ende des Zweiten Weltkrieges sprach und auch natürlich den Verwicklungen einiger Dinge, die bis in die Gegenwart reichen, alter und neuer Rassismus, alter und neuer Faschismus, oder auch in "Der Tod wirft lange Schatten", wo es um die Zeit der Nazi-Kollaboration und die Auswirkungen bis heute geht, wo ich von zwei ungeklärten Mordfällen der 70er Jahre ausgegangen bin. Aber auch das aktuelle Buch, das über die Neuordnung Europas, der Europäischen Union spricht, natürlich auch über die Finanzkrise und die Zusammenhänge zwischen organisiertem Verbrechen, Wirtschaft und Kriminalität – das kann schon jemanden stören.
Fischer: Das war der Schriftsteller Veit Heinichen über einen bizarren Krimi in eigener Sache. Sein jüngstes Buch ist bei Zsolnay erschienen, es heißt "Die Kraft des Stärkeren" und spielt, wie die vorigen auch, zum Teil in Triest, das als österreichischste Stadt Italiens gilt.
Veit Heinichen: Nach 14 Monaten Ermittlungen, die leider erfolglos blieben – denn der Verfasser dieser Briefe geht sehr methodisch, akribisch und genau vor –, war es an der Zeit, bevor diese Sache auf anderem Wege hochging und sozusagen zum Stadtgespräch wurde, die Regie zu ändern. Denn wir konnten lange durchhalten, vor allem bin ich leise geblieben, damit die Ermittlungen nicht gestört werden, doch jetzt war es fast ein Wettlauf mit der Zeit, denn vor zehn Tagen hat er nochmals eine Unmenge weiterer Briefe rausgelassen. Und nach der Publikation in der hiesigen Tageszeitung haben sich gestern Morgen allein drei Personen gemeldet und ich denke, es werden noch mehrere sein, die diese Briefe erhalten haben und sich auch bei der Staatsanwaltschaft oder im Polizeipräsidium mit diesen Briefen melden werden.
Die Tatsache, dass jetzt in einer sehr koordinierten Aktion in enger Absprache zwischen Polizeipräsident, dem Chefredakteur der Tageszeitung "Il Piccolo" und mir diese Sache erscheinen konnte und auch jetzt täglichen einen Nachklapp hat, wird zu einer Reaktionsänderung führen. Wir werden sehen, ob er dann aufhört oder ob er anders reagiert und vielleicht auch endlich einen Fehler macht, denn Sie müssen sich vorstellen: Er hat bisher weder Fingerabdrücke noch DNA-Spuren hinterlassen, er hat sich einmal bis unter mein Haus vorbewegt, das heißt, das war dann die erste und allerdings einzige mir bekannte physische Annäherung. Es wird einem schon deutlich anders wenn so etwas passiert.
Fischer: Wie fühlt sich denn das an für einen Krimiautor, wenn er in einen solchen, offenbar ja komplett falschen Film gerät?
Heinichen: Anfangs nimmt man diese Sache gar nicht ernst, man lacht sogar über manche Formulierungen, die er verwendet hat. Allerdings: Da ich sehr gute Kontakte zu den Sicherheitsbehörden habe, habe ich natürlich auch um Rat gefragt und habe mich dann sofort an die Staatsanwaltschaft gewandt, denn dieser Mann bedient das niedrigste Argument, das es überhaupt gibt und wogegen immer natürlich sehr viele Leute wehrlos dastehen. Das heißt, wenn er gesagt hätte, Heinichen hat 50 Leute umgebracht oder 100 Millionen unterschlagen oder sowas, dann wäre mir das ziemlich egal gewesen.
Allerdings: Mit dem Vorwurf der Pädophilie, dieses sozusagen Modeargument, kann man natürlich jemanden komplett absägen. Wer die Zeitungen verfolgt, weiß, wie oft darüber gesprochen wird. Man muss mit diesen Dingen sofort herauskommen, das ist die goldene Regel, die es gibt. Allerdings kann man natürlich nicht wissen, wie es weitergeht, und dieser Täter hat den Plan von Anfang an akribisch durchgedacht. Das heißt, er hat mit zwei anonymen Telefonaten, eines in einer Bar und dem anderen in einem Restaurant, begonnen, die mir zur Kenntnis gebracht wurden und ich deswegen zufällig die Uhrzeit und das Datum aufgeschrieben habe, worüber wir feststellen konnten, dass beide Telefonate bereits aus einer öffentlichen Telefonzelle verübt wurden. Und das bedeutet: Er war weitsichtig, er geht strategisch vor.
Fischer: Wer könnte denn Interesse daran haben, Sie mürbe zu machen, zu verleumden oder gar aus ihrer Wahlheimat Triest zu vertreiben? Das ist ja immer im Kriminalfall dann die Frage nach dem Motiv.
Heinichen: Das Motiv bleibt offen. Wir können nichts ausschließen. Ich bin ein Autor, der in seinen Romanen sehr akribisch und sehr authentisch die Wirklichkeit, in der wir leben, beschreibt, oft nach sehr vielen Jahren Recherche. Und ich nehme Triest, die Stadt, in der die Fälle angesiedelt sind, als einen exemplarischen Ort in Europa und als eine Drehscheibe Europas, was aus ihrer geopolitischen Situation hervorgeht. Das heißt: Alle Fälle, die ich beschreibe, haben immer eine größere Dimension, sie sind auf keinen Fall von lokalem Interesse. Darin reicht es manchmal auch, Tabus überhaupt anzugreifen, zum Beispiel in meinem Buch "Die Toten vom Karst", wo ich über die Abrechnungen zum Ende des Zweiten Weltkrieges sprach und auch natürlich den Verwicklungen einiger Dinge, die bis in die Gegenwart reichen, alter und neuer Rassismus, alter und neuer Faschismus, oder auch in "Der Tod wirft lange Schatten", wo es um die Zeit der Nazi-Kollaboration und die Auswirkungen bis heute geht, wo ich von zwei ungeklärten Mordfällen der 70er Jahre ausgegangen bin. Aber auch das aktuelle Buch, das über die Neuordnung Europas, der Europäischen Union spricht, natürlich auch über die Finanzkrise und die Zusammenhänge zwischen organisiertem Verbrechen, Wirtschaft und Kriminalität – das kann schon jemanden stören.
Fischer: Das war der Schriftsteller Veit Heinichen über einen bizarren Krimi in eigener Sache. Sein jüngstes Buch ist bei Zsolnay erschienen, es heißt "Die Kraft des Stärkeren" und spielt, wie die vorigen auch, zum Teil in Triest, das als österreichischste Stadt Italiens gilt.