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RuhrTriennale Teil II

Das Kulturfestival Ruhrtriennale unter Leitung des ehemaligen Chefs der Salzburger Festspiele und zukünftigen Intendanten der Pariser Oper, Gerard Mortier, geht 2003 in die erste Hauptrunde. Heute hat Mortier sein Programm 2003 in Bochum vorgestellt.

EinBeitrag von Karin Fischer |
    Gerard Mortier: Es war sehr schwierig, wochenlang, monatelang, Bilanzen zu lesen über etwas, das noch nicht angefangen hat.

    Damit waren die Probleme des letzten Jahres – zu wenig Zuschauer, ein Defizit von 700.000 Euro, leichte Verstimmungen mit dem Kulturministerium, schwere mit Hans Günther Heyme von den Ruhrfestspielen – dann auch ad acta gelegt. Gerard Mortier betrachtet die erste Ruhrtriennale als "Fingerübung", will für die kommende Ausgabe die Logistik verbessert haben, das pädagogische Angebot, auch mit Sponsoren sei man "auf gutem Weg". Wichtiger ist dem Kulturmanager die Ausstrahlung des Festivals in den "Kathedralen der Industriekultur", die Spannung zwischen Materie und Geistigkeit, die eine Leitlinie des diesjährigen Programms darstellt. Die zweite bezieht sich auf die deutsch-französischen Beziehungen: Der Montanvertrag zwischen Frankreich und Deutschland als Muster des "brüderlichen Europa" ist gedanklicher Hintergrund einer Reihe grenzüberschreitender Kooperationen von Patrice Cheraus "Phädra" bis zu einem musikalischen Projekt über Mozart. Alain Platel konzipiert "Wolf", den Bert Neumann von der Volkbühne in eine "hässliche Shopping-Mall" verfrachtet, und dessen Musik von Sylvain Cambreling fürs Klangforum Wien sehr modern "adaptier" wird, mehr als Struktur, denn als Melodie.

    Sylvain Cambreling: Man erkennt immer die Musiken, trotzdem glaube ich, wird es anders klingen. Es ist unkonventionell, es ist sehr respektiös... – was am Ende bleiben wird ist die permanente Melancholie von Mozart und dieses Lächeln, das sehr sehr wichtig ist.

    Eine Crossover-Produktion für die Ruhrtriennale liefert auch Stefan Bachmann, der Paul Claudels "Der seidene Schuh", ein ebenso barockes wie katholisches Epos über Gnade und Entsagung in einer Welt im Aufbruch als achtstündiges Theaterereignis inszeniert, für das in der Jahrhunderthalle Bochum eigens ein "gemeinschaftsstiftender Theaterraum" entworfen wurde. Ähnlich bei "St. Francois d’Asise" von Messiaen: für dieses Musiktheater entwirft Ilya Kabakov eine Art gekippter Domkuppel, in der das Außenlicht sich wie in der Rosette einer Kathedrale brechen und exzeptionelle Licht- und Farbspiele ermöglichen soll. Den Raum als konzeptionelles Element der Aufführung zu etablieren ist eines der wichtigsten Ziele Mortiers – und das, was seine Ruhrtriennale von anderen Festivals wie Bayreuth oder Salzburg unterscheidet. Eine Uraufführung nach Gustave Flauberts "Temptation of St. Anthony" durch Robert Wilson; das Projekt "Sentimenten", das mit Musik von Verdi nach dem Text "Milch und Kohle" von Ralf Rothmann als eine Hommage ans Ruhrgebiet gedacht ist, oder "Heliogabal", für dessen Verwandlung vom tänzerisch begabten römischen Kaiser zum heutigen Superstar Thomas Jonigk als Librettist verantwortlich zeichnet – immer geht es um Kunst jenseits des Hochkultur-Kanons und jenseits populistischer Pfade. Weshalb Mortier für die neuen Projekte auch ein neues Wort erfunden hat, "Creationen":

    Gerard Mortier: Creationen nennen wir, wo wir mit existierendem Material für die heutige Zeit Projekte schaffen wollen, die die Tradition so vorstellen, dass ein heutiges Publikum versteht, dass diese so genannte Tradition nicht etwas von gestern ist oder für eine bestimmte Schicht von Menschen, sondern eigentlich für alle.

    Die schwierigste Aufgabe, die deshalb auch gleich zur dritten Leitlinie erhoben wurde, ist und bleibt nämlich: die Menschen im Ruhrgebiet, die mehrheitlich ohne klassische "Vor-Bilder" aufgewachsen sind, für das Festival zu begeistern. Dreimal öfter spielen als angeboten kann man natürlich Pina Bausch, die mit zwei Projekten vertreten ist. Ein Akt der Superlative sind auch Bill Violas bislang größte Video-Installationen, 5 Bildwände von 18 auf 15 Meter Größe, im Gasometer Oberhausen, "Five Angels for the Millennium". Der Vorverkauf für alle Veranstaltungen beginnt am 1. März.

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