Früher Abend in der orthodoxen Kathedrale von Temeswar: "Ich bin fast täglich hier, früh morgens und am Abend", sagt Vasile Nicoso, ein Kirchenbesucher. Und auch Rodica Barbat erzählt, wie wichtig ihr der regelmäßige Kirchgang ist: "Ein Gebet, das ich nicht in der Kirche sprechen kann, wird oben nicht erhört."
So wie die beiden Kirchenbesucher denken viele in Rumänien. Rund 90 Prozent der Menschen in dem südosteuropäischen Land gehören der rumänisch-orthodoxen Kirche an.
Eine Revolution, die nicht allen gefällt
Diese hat im Juni zusammen mit neun weiteren orthodoxen Kirchen richtungweisende Beschlüsse getroffen: Es ging dabei um die Ökumene, also um eine Annäherung an nicht-orthodoxe Kirchen wie die katholische und die evangelische Kirche. Ein revolutionärer Schritt, ist es doch in konservativen orthodoxen Kreisen immer noch umstritten, ob diese überhaupt als Kirchen bezeichnet werden dürfen.
Vasile Nicoso und Rodica Barbat, die beiden Kirchgänger aus Temeswar, halten den Schritt hin zur Ökumene allerdings für richtig: "Das ist eine gute Sache", sagt Nicoso, "jeder hat zwar seinen eigenen Glauben. Aber es gibt nur einen einzigen Gott." Und Rodica Barbat sagt: "Das wäre eine gute Sache: Hier bei uns haben wir derzeit eine Umbruchphase, nicht nur bei den Religionen, sondern auch wirtschaftlich und politisch. In diese Zeit würde eine solche Annäherung gut hineinpassen."
Misstrauen und Wut
Doch so sehen es nicht alle. Petru Berbentia, Pfarrer in der orthodoxen Peter-und-Paul-Gemeinde im westrumänischen Resita, kennt die Einwände, die immer wieder vorgebracht werden:
"Ja, es gibt hier in Rumänien Orthodoxe, die protestieren heftig gegen diese Annäherung an die Ökumene. Diese Leute vermuten, dass damit ein Zugeständnis verbunden ist, das bisher noch nicht offen ausgesprochen worden ist. Sie sind daher sehr misstrauisch."
Misstrauisch und manchmal auch äußerst wütend: Proteste gegen die beschlossene Annäherung kommen vor allem aus den traditionell konservativ eingestellten orthodoxen Metropolien Moldau und Bukowina im Osten Rumäniens. Dort startete ein Mönch eine Aufsehen erregende Petition: Mehr als 4000 Unterzeichner sollen es sein, die darin eine Rücknahme der Beschlüsse von Kreta fordern - ja mehr noch: Die Orthodoxe Kirche Rumäniens soll, so steht es in dem Papier, ihre Zustimmung zum Gedanken der Ökumene zurücknehmen.
Droht die Kirchenspaltung?
Einige Priester drohen sogar mit einem Verzicht der im orthodoxen Kirchenrecht vorgeschriebenen Gottesdienst-Fürbitte für den jeweiligen Bischof, sollte der Kurs hin zur Ökumene beibehalten werden. In der rumänischen Tageszeitung "Adevarul" war bereits von einer drohenden Kirchenspaltung die Rede. Das hält der Resitaer Pfarrer Petre Berbentia aber für überzogen:
"Nein, ich glaube nicht, dass in der orthodoxen Kirche Rumäniens überhaupt nur die Möglichkeit einer Spaltung besteht. Es geht ganz einfach nur um ein besseres Verständnis füreinander zwischen den verschiedenen christlichen Konfessionen."
Und daran könne nichts falsch sein. Er selbst praktiziere in seiner eigenen Gemeinde bereits seit Jahr und Tag ein gutes Miteinander mit den anderen Kirchen: Jeweils im Januar, bei den ökumenischen Gebetswochen in Resita, dürfe der katholische Kollege in seiner Kirche predigen und umgekehrt. Und genau so etwas wolle die Synode von Kreta auf ein breiteres Fundament stellen.
Anti-ökumenische Proteste
"Darüber haben sie auf der Synode von Kreta gesprochen: dass nämlich auf lokaler und regionaler Ebene die Episkopate das Recht haben, zum Beispiel Mischehen zuzulassen, ebenso gemeinsame Gebete zwischen Orthodoxen und Katholischen."
Die positive Grundhaltung des Resitaer Pfarrers Petru Berbentia zur Ökumene dürfte unter den orthodoxen Würdenträgern Rumäniens zwar mehrheitsfähig sein. Doch da sind eben auch die Proteste der Gegner, die nicht so recht verstummen mögen. Und schließlich zeigt sich auch immer wieder, wo die Ökumene in Rumänien an ihre Grenzen stößt. Der rumäniendeutsche Journalist Werner Kremm erinnert an einen Vorfall vor wenigen Jahren:
"Der Metropolit des Banats und Erzbischof von Temeswar, Doktor Nicolae Corneanu, war in einer nicht-orthodoxen Kirche und hat dort die heiligen Sakramente empfangen, was ihm eine harte Rüge seitens der Synode der orthodoxen Kirche eingetragen hat. Und er musste Abbitte tun, musste eigentlich richtig zu Kreuz kriechen vor der Synode und um Verzeihung bitten für seinen Fehltritt, dass er bei einer anderen Religion an deren religiösen Handlungen teilgenommen hat."