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Rumänien und die Korruption

Die rumänische Regierung muss heute eine Bewährungsprobe bestehen. Denn am Mittag präsentiert die EU-Kommission ihren Fortschrittsbericht. Regelmäßig wird überprüft, ob die europäischen Standards in der Innen- und Justizpolitik erfüllt werden. Warum in Rumänien die Reformen nicht greifen, erzählt der ambitionierte Richter Christi Danileţ vom Klausenburger Kreisgericht.

Von Andrea Mühlberger | 22.07.2009
    "In meinem Blog kritisiere ich unsere politische Klasse, die versucht, die Justiz zu kontrollieren. Das Justizministerium, das unfähig ist, unsere Fonds zu verwalten. Und natürlich geht es auch um das Phänomen der Korruption in der Justiz ... ."
    Cristi Danileţ war Rumäniens erster bloggender Richter. Inzwischen nutzen auch Kollegen diese Form der freien Meinungsäußerung. Aus dem Blog hat sich ein kritisches Diskussionsforum entwickelt. Bis vor kurzem war es undenkbar, dass ein rumänischer Richter öffentlich seine Ansichten kundtut. Doch Cristi Danileţ versteht sich als Kämpfer für Demokratie und Gerechtigkeit. Eine Mischung aus Naivität und Idealismus habe ihn ins Richteramt getrieben, seufzt der 33-Jährige, den seine Kinder häufiger in Fernsehdiskussionen sehen als zu Hause:

    "Wenn du die Hochschule beendest, glaubst du, du kannst die Welt verändern!"

    - und im Karpatenland eines Tages Recht sprechen nach europäischen Standards. Kurz vor dem EU-Beitritt Rumäniens sah es dafür gar nicht so schlecht aus: Die damalige Justizministerin Monica Macovei hatte das korrupte System mit seinen Apparatschiks im Sinne der Europäischen Union reformiert. Politisch unabhängige Richter und Staatsanwälte wie Cristi Danileţ wurden berufen, um die Unabhängigkeit der Justiz zu garantieren und die wild wuchernde Bestechlichkeit zu bekämpfen. Doch kaum hatte Rumänien beide Beine in der EU, wurde die in Brüssel hoch angesehene Ministerin entlassen. Vorbei war es mit dem Reformeifer, schimpft Cristi Danileţ:
    "Seit 2007 werden alle Reformen in der Justiz blockiert. Es kommt sogar zu Rückschritten. Die politische Klasse hat es mit der Angst zu tun bekommen, weil Richter und Staatsanwälte jetzt unabhängig agieren. Erstmals kommen in Rumänien Fälle vor Gericht, bei denen korrupte Abgeordnete, Minister und andere Würdenträger im Mittelpunkt stehen. Und deshalb versuchen sie jetzt, die Justiz auf verschiedene Weise wieder unter ihre Kontrolle zu bringen."

    Der hagere Richter mit schmalem Kinnbärtchen spricht leidenschaftlich und sieht trotzdem müde aus. Sein Kampf für Recht und Gerechtigkeit kostet Kraft. Mit gleich gesinnten Richtern und Staatsanwälten will er verhindern, dass Regierung und Parlament die Reformuhr in Rumänien wieder zurückdrehen, dass sie die Arbeit unabhängiger Justizbeamter behindern. Beispiele dafür gibt es genug:
    "Bei vielen Politikerfällen vor dem Obersten Gerichtshof wird plötzlich die Verhandlung ausgesetzt - unter Vorwänden wie Formfehler oder durch andere juristische Tricks. Obwohl die Staatsanwälte unserer Nationalen Antikorruptionsbehörde viele wichtige Anklageschriften erarbeitet haben, gibt es kaum Urteile. Das Verfassungsgericht wird eingeschaltet, die Dauer der Verhandlung zieht sich - endlos."
    Der engagierte Richter spricht von einem offenen Konflikt zwischen Justiz und Parlament. Die Blockade der von Brüssel angemahnten Reformen verschärft sich noch durch akuten Personalmangel. Viele Justizbeamte gehen frühzeitig in Pension, seit das Parlament die Kürzung ihrer Gehälter vorantreibt. Für Cristi Danileţ bedeutet der Personalmangel vor allem Mehrarbeit. Der Richter erlebt dabei kafkaeske Situationen:

    "Ich selber musste mal an einem Tag 108 Urteile fällen. Es ist naiv zu glauben, dass man eine solche Menge gewissenhaft und professionell bearbeiten kann."

    Manchmal gelingt es der Justiz, sich trotz der Blockadepolitik durchzusetzen. Kurz vor dem neuen Fortschrittsbericht aus Brüssel musste Rumäniens Jugend- und Sportministerin Monica Iacob-Ridzi zurücktreten. Sie soll eine halbe Million Euro aus der Staatskasse veruntreut haben. Ohne Druck der EU würde allerdings wenig passieren, ist Cristi Danileţ überzeugt:

    "In Rumänien kann nur eine externe Autorität wie die EU-Kommission den nötigen Respekt einflößen ..."

    Wie andere unabhängige Richter und Staatsanwälte fordert Cristi Danileţ, dass Brüssel sein Kontroll- und Monitoringsystem in Rumänien möglichst lange aufrechterhält. Finanzielle Sanktionen lehnt er aber ab. Rumänien brauche dringend Geld, um den Justizapparat zu stabilisieren. Nur wenn das System funktioniere, können Fälle von Korruption und veruntreuten EU-Geldern auch verfolgt und bestraft werden.