Jugendprobleme erscheinen im Theater oftmals als Pubertätsprobleme. Aufbegehrend gegen vorgefundene und vorgefertigte einengende Regeln suchen die Jugendlichen nach ihrem Platz in der Gesellschaft, sie kämpfen um Selbstbestätigung, Individualität und Identität und probieren (auch sexuelle) Beziehungen zu anderen Menschen aus.
Frank Wedekinds "Frühlings Erwachen", 1890 geschrieben und 1906 uraufgeführt, ist in aktualisierter Fassung zu diesem Thema noch immer ein viel gespielter Klassiker. Doch wie dort richteten Anfang des vergangenen Jahrhunderts Jugendliche, die mit sich und der Gesellschaft nicht klar kamen, ihre Gewalt der Verzweiflung eher gegen sich selbst. Die Zahl der Schülerselbstmorde war enorm. In unserer Zeit explodiert jugendliche Hilflosigkeit oft, indem Gewalt gegen andere angewandt wird - am spektakulärsten in Amokläufen, mit deren Erklärung sich die Gesellschaft so schwer tut wie das Theater mit deren Thematisierung. Meist entstehen Theaterstücke zum Thema als Dramatisierungen von Romanen wie Thomas Alexander Schmidts Stück "Level 13", das als Weimarer Produktion im Jahre 2004 in Erfurt zur Uraufführung kam und ein Computerspiel zum Sinn- und Vorbild für das jugendliche Handeln nahm.
Thomas Freyers "Amoklauf, mein Kinderspiel", im Mai 2006 in Weimar uraufgeführt, erzählte ohne Romanvorlage von in klaustrophobischer Welt lebenden Kindern, die mit ihren unfähigen Eltern abrechneten. "Der Tag X - Die Zeit läuft", der dritte Versuch eines Theaters, sich dem Phänomen jugendlicher Amokläufe zu stellen, entstand wiederum nach einem Roman. Ron Koertge hat ihn noch vor den Ereignissen am Erfurter Gutenberg-Gymnasium geschrieben, wohl als Reaktion auf die blutigen Ereignisse an der amerikanischen Hochschule von Colombine. Die Bühnenfassung des Theaters derJungen Welt Leipzig beschneidet den aus Statements, Selbstauskünften, Fragen und Erklärungen zusammengesetzten Text, der weniger Handlung als Sammlung von jugendlichen Gedanken- und Gefühlen ist, um seine Rassen- und Ausländerproblematik. In Leipzig konzentriert man sich ganz auf die pubertären Beziehungsprobleme der Jugendlichen.
Leider sind die Jugendlichen des Stücks reine Klischeefiguren: Da gibt es den dicklichen, wenig schlauen Underdog, der gehänselt und drangsaliert wird und es gibt den spießigen Jungen, der für sich und seine Freundin das gemeinsame Familienleben völlig vorgeplant hat. Gegen eine ausgebuffte Schönheit mit viel sexueller Erfahrung steht das verklemmte, ungeschickte Mädchen, und ein von seinem Stiefvater bedrängtes Mädchen wird von einer Klassenkameradin mit lesbischer Innigkeit begehrt. Gezeigt werden Prügelknaben und nur scheinbar coole Typen, Verklemmte und Gehemmte, Unterdrückte und Unterdrücker, Sehnsüchte und Ängste, ein vorhersehbares und vorgestanztes Figurenpanorama, das von einer alle nervenden Umweltaktivistin und von einem Jungen komplettiert wird, der aus der Menge hervorragen möchte, aber in schulischen Schwierigkeiten steckt. Ganz unspektakulär wird nun erzählt, wie die alltäglichen Misserfolge und Demütigungen seines Ego in diesem unter Erfolgsdruck stehenden Boyd eine Wut anwachsen lassen, der ihn zur Anfertigung einer Liste führt - einer Liste, auf der alle stehen, denen er es heimzahlen will, weshalb er, hier geht es wieder um Amerika, ein wahres Waffenarsenal aufhäuft, während er die Liste bis zur zehnten Nummer, dem Tag X, ausfüllt.
Das Theater der Jungen Welt Leipzig ist wie viele der deutschen Kinder- und Jugendtheater sehr nah am Lebensnerv seiner Zuschauer: kein Märchentheater mehr, sondern ein Lebenstheater, bei dem eine umjubelte Wilhelm-Busch-Adaption zwei Jugendliche zeigt, die ihre Hemmschwellen überschreiten und Lust an der Gewalt bis hin zu einem Schulmassaker finden.
Nun wird "Der Tag X" nicht von Schauspielprofis, sondern vom Theaterjugendclub des Hauses gespielt. An nahezu allen deutschen Theatern bestehen Theaterjugendclubs, die schon längst die Entwicklung ihrer Bühnen und ihres Publikums auf neue Weise mitbestimmen. Regisseurin Bettina Frank stellt beim "Tag X" die Darsteller, die im gleichen Alter wie ihre Rollenfiguren sind, an die Rampe zu Fragen oder Erklärungen, und sie arrangiert Gruppenbilder der Annäherung und Vereinzelung, der gegenseitigen Überwachung und individuellen Hilflosigkeit. Dabei vermögen die jungen Darsteller emotionale und sexuelle Annäherungsversuche ganz leicht und locker, ja fast mit etwas reflektierender Selbstironie zu spielen. Und die sie keine Erwachsenen zu mimen haben (zwei leicht ignorante Lehrer sind nur als sprechende Videomünder zu sehen), gibt es nur wenige Szenen mit erklärender tieferer Bedeutung, die reines Laienspiel bleiben.
Die Inszenierung vermag die Klischees des Stückes gelegentlich vergessen machen. Die bietet zu Recht keine fertigen Erklärungen oder spektakulären Begründungen für die Ursachen von Amokläufen, sondern Beobachtungen eines von Misserfolgen und Demütigungen bestimmten jugendlichen Alltags. Immerhin: Nach der Aufführung stand das Publikum noch länger in Diskussionsgruppen im und vor dem Theater. Das nennt man wohl Nachhaltigkeit.
Frank Wedekinds "Frühlings Erwachen", 1890 geschrieben und 1906 uraufgeführt, ist in aktualisierter Fassung zu diesem Thema noch immer ein viel gespielter Klassiker. Doch wie dort richteten Anfang des vergangenen Jahrhunderts Jugendliche, die mit sich und der Gesellschaft nicht klar kamen, ihre Gewalt der Verzweiflung eher gegen sich selbst. Die Zahl der Schülerselbstmorde war enorm. In unserer Zeit explodiert jugendliche Hilflosigkeit oft, indem Gewalt gegen andere angewandt wird - am spektakulärsten in Amokläufen, mit deren Erklärung sich die Gesellschaft so schwer tut wie das Theater mit deren Thematisierung. Meist entstehen Theaterstücke zum Thema als Dramatisierungen von Romanen wie Thomas Alexander Schmidts Stück "Level 13", das als Weimarer Produktion im Jahre 2004 in Erfurt zur Uraufführung kam und ein Computerspiel zum Sinn- und Vorbild für das jugendliche Handeln nahm.
Thomas Freyers "Amoklauf, mein Kinderspiel", im Mai 2006 in Weimar uraufgeführt, erzählte ohne Romanvorlage von in klaustrophobischer Welt lebenden Kindern, die mit ihren unfähigen Eltern abrechneten. "Der Tag X - Die Zeit läuft", der dritte Versuch eines Theaters, sich dem Phänomen jugendlicher Amokläufe zu stellen, entstand wiederum nach einem Roman. Ron Koertge hat ihn noch vor den Ereignissen am Erfurter Gutenberg-Gymnasium geschrieben, wohl als Reaktion auf die blutigen Ereignisse an der amerikanischen Hochschule von Colombine. Die Bühnenfassung des Theaters derJungen Welt Leipzig beschneidet den aus Statements, Selbstauskünften, Fragen und Erklärungen zusammengesetzten Text, der weniger Handlung als Sammlung von jugendlichen Gedanken- und Gefühlen ist, um seine Rassen- und Ausländerproblematik. In Leipzig konzentriert man sich ganz auf die pubertären Beziehungsprobleme der Jugendlichen.
Leider sind die Jugendlichen des Stücks reine Klischeefiguren: Da gibt es den dicklichen, wenig schlauen Underdog, der gehänselt und drangsaliert wird und es gibt den spießigen Jungen, der für sich und seine Freundin das gemeinsame Familienleben völlig vorgeplant hat. Gegen eine ausgebuffte Schönheit mit viel sexueller Erfahrung steht das verklemmte, ungeschickte Mädchen, und ein von seinem Stiefvater bedrängtes Mädchen wird von einer Klassenkameradin mit lesbischer Innigkeit begehrt. Gezeigt werden Prügelknaben und nur scheinbar coole Typen, Verklemmte und Gehemmte, Unterdrückte und Unterdrücker, Sehnsüchte und Ängste, ein vorhersehbares und vorgestanztes Figurenpanorama, das von einer alle nervenden Umweltaktivistin und von einem Jungen komplettiert wird, der aus der Menge hervorragen möchte, aber in schulischen Schwierigkeiten steckt. Ganz unspektakulär wird nun erzählt, wie die alltäglichen Misserfolge und Demütigungen seines Ego in diesem unter Erfolgsdruck stehenden Boyd eine Wut anwachsen lassen, der ihn zur Anfertigung einer Liste führt - einer Liste, auf der alle stehen, denen er es heimzahlen will, weshalb er, hier geht es wieder um Amerika, ein wahres Waffenarsenal aufhäuft, während er die Liste bis zur zehnten Nummer, dem Tag X, ausfüllt.
Das Theater der Jungen Welt Leipzig ist wie viele der deutschen Kinder- und Jugendtheater sehr nah am Lebensnerv seiner Zuschauer: kein Märchentheater mehr, sondern ein Lebenstheater, bei dem eine umjubelte Wilhelm-Busch-Adaption zwei Jugendliche zeigt, die ihre Hemmschwellen überschreiten und Lust an der Gewalt bis hin zu einem Schulmassaker finden.
Nun wird "Der Tag X" nicht von Schauspielprofis, sondern vom Theaterjugendclub des Hauses gespielt. An nahezu allen deutschen Theatern bestehen Theaterjugendclubs, die schon längst die Entwicklung ihrer Bühnen und ihres Publikums auf neue Weise mitbestimmen. Regisseurin Bettina Frank stellt beim "Tag X" die Darsteller, die im gleichen Alter wie ihre Rollenfiguren sind, an die Rampe zu Fragen oder Erklärungen, und sie arrangiert Gruppenbilder der Annäherung und Vereinzelung, der gegenseitigen Überwachung und individuellen Hilflosigkeit. Dabei vermögen die jungen Darsteller emotionale und sexuelle Annäherungsversuche ganz leicht und locker, ja fast mit etwas reflektierender Selbstironie zu spielen. Und die sie keine Erwachsenen zu mimen haben (zwei leicht ignorante Lehrer sind nur als sprechende Videomünder zu sehen), gibt es nur wenige Szenen mit erklärender tieferer Bedeutung, die reines Laienspiel bleiben.
Die Inszenierung vermag die Klischees des Stückes gelegentlich vergessen machen. Die bietet zu Recht keine fertigen Erklärungen oder spektakulären Begründungen für die Ursachen von Amokläufen, sondern Beobachtungen eines von Misserfolgen und Demütigungen bestimmten jugendlichen Alltags. Immerhin: Nach der Aufführung stand das Publikum noch länger in Diskussionsgruppen im und vor dem Theater. Das nennt man wohl Nachhaltigkeit.