Als er davon zu sprechen begann, wer dann alles in irgendeiner Weise mitmachen wird, Gabriel García Márquez, Jean-Luc Godard, Bryan Eno, Paul McCartney und viele Namen mehr in dieser Größenordnung, dann war es sozusagen ein Who is Who der internationalen Popkultur. Die siebzigminütige Pressekonferenz reicht offenkundig bei weitem nicht aus, um alle Kulturprojekte überhaupt vorzustellen, aber einige immerhin doch.
Also ich glaube, kaum noch erwähnt werden muss dieser Fußballglobus, genannt auch das "Generalsekretariat der Vorfreude", der gerade in Köln angekommen ist.
Harald Seemann wird am Kulturprogramm teilnehmen. Er plant also bei der Ausstellung "Rundlederwelten", wie es heißen wird, "die Hochzeit von Muskeln und Geist". Das Ziel ist doch schon ein bisschen anspruchsvoller, ein ästhetischer und analytischer Diskurs zur Alltagskultur des Fußballs, und dabei soll dann alles, vom Tachismus über Fluxus bis zum Hyperrealismus, mit ins Boot geholt werden.
Die Berlinale schreibt weltweit einen Kurzfilmwettbewerb aus. Es soll 500 Einsendungen geben, die zwischen 30 Sekunden und fünf Minuten lang sind, und davon werden dann 15 bis 20 ausgesucht, und die werden dann zu einem großen Weltfußballalltagskulturfilm zusammengeschnitten, der auch auf der Berlinale 2006 laufen soll. Außerdem sollen einige Weltregisseure einen Fußballkompilationsfilm drehen.
Vielleicht im Kontext von "Kultur heute" ist das Projekt der Universität Tübingen. Die will nämlich 2006 ein Weltliteraturkongress veranstalten und plant dazu, Trainingseinheiten auf mehreren Kontinenten vorab durchzuführen. Wie man hört, sollen bereits Imre Kertész, Herta Müller und Tankred Dorst und zugesagt haben.
Schäfer-Notzke: "Weltsprache Fußball", ist eine geplante Fotoschau der Goethe-Institute überschrieben. Was hat denn die Institutsleiterin Jutta Limbach da heute vorgestellt?
Orzessek: Auf keinen Fall darf unerwähnt bleiben, dass Jutta Limbach dem Fußball heute Morgen ein Prädikat zugesprochen hat, was ihm meines Wissens noch niemals zugebilligt wurde. Sie nannte also den Fußball tatsächlich ein anthropologisches Prinzip, und wenn es sich so verhält, dann kann sich das Goethe-Institut natürlich nicht davon ausschließen, mitzumachen. Es wird zusammen mit der hinlänglich berühmten Fotoagentur Magnum eine Fotoausstellung machen und in fünffacher Auswertung – ich glaube es geht jeweils um 50 Bilder – durch die Welt, ich vermute, das heißt durch die Goethe-Institute schicken, und dort werden unter anderem Klassiker von Robert Capa, Andre Cartier-Bresson gezeigt. Davon waren übrigens schon heute in der Hauptstadtrepräsentanz der Deutschen Telekom schon einige Bilder zu sehen.
Schäfer-Notzke: Andre Heller steht ja für eine Eventkultur ein wenig zwischen Kunst und Kitsch angesiedelt. Er hat den Zirkus Roncalli mit erfunden. Inwieweit entspricht denn dieses Bild von Kultur dem Kulturprogramm, das wir 2006 erwarten können?
Orzessek: Zunächst einmal muss man eine Lanze für Andre Heller brechen. Er wird von Franz Beckenbauer angehimmelt, als würde Leonardo Da Vinci wieder unter uns weilen, und ganz ähnlich verfährt Otto Schily mit Andre Heller. Er ist zunächst einmal ein Verbindungspunkt, der sich dann in die Kultur ausstrecken kann, man muss natürlich immer dazu sagen, hauptsächlich in die populäre Kultur.
Wenn Andre Heller zum Beispiel die, wie ich finde, glänzende Idee hat, Jean-Luc Godard ein wichtiges WM-Spiel filmen zu lassen und parallel zu der Übertragung, die dann die öffentlich rechtlichen Sender haben werden, auf Arte zeigen wird, ein Kooperationspartner des Kulturprogramms, dann wird das sicherlich ein Ereignis sein, über das Filmwissenschaftler noch lange reden werden. Wenn nämlich dieser künstlerische Blick auf den Fußball parallel zu dem kommerziellen, gewohnten, konventionellen zu erblicken sein wird.
Also ich würde Andre Heller gewissermaßen als einen Mittler und Mediator auffassen, der zwischen der vielleicht doch im engeren Sinne kulturfreien Fußballszene und der Kunstszene, die sich mit Fußball beschäftigt, sehr gut vermitteln könnte. Warten wir es ab.