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Runderneuerte Pumpe

Medizin. - Versagt ein Herz etwa durch Insuffizienz seinen Dienst, hilft nur ein Ersatzorgan - doch daran herrscht weltweit Mangel. Mit einem neuen Verfahren glauben US-Mediziner, Ersatzorgane nahezu beliebig fertigen zu können. Doch bei genauerem Studium der Arbeit stellen sich neue Fragen.

Uli Blumenthal im Gespräch mit Kristin Raabe |
    Uli Blumenthal: Über 3000 Patienten in den USA warten derzeit auf ein Spenderherz, 22 Millionen Menschen weltweit leiden unter Herzinsuffizienz - mit diesen Zahlen beginnt heute ein Artikel in der Fachzeitschrift Nature Medicine. Angesichts des anhaltenden Mangels an Spenderorganen suchen Wissenschaftler weltweit nach Möglichkeiten, kranke Organe durch mechanische Nachbildungen zu ersetzen - bislang allerdings ohne durchschlagenden Erfolg. Wissenschaftler der Universität von Minnesota haben jetzt ein biokünstliches Herz geschaffen, das auf einem natürlichen Gerüst basiert. Mit ihrem Verfahren, so schreiben die Wissenschaftler, könne in Zukunft der Mangel an Spenderorganen aufgehoben werden. Was haben die amerikanischen Forscher im Detail gemacht?

    Kristin Raabe: Sie haben das Herz einer erwachsenen Ratte genommen und ist auf chemischem Weg von allen Zellen befreit. Was dann übrig bleibt, ist ein Kollagengerüst, das quasi noch die Form des Herzens darstellt. Dieses Gerüst ist dann so eine Art Bauplan für Herzvorläuferzellen. Das sind Zellen, die von neugeborenen Ratten stammen. Diese Zellen haben dann das Kollagengerüst besiedelt und ein neues Herz auf der Grundlage des Gerüstes gebildet. Man konnte dann auch nach einigen Tagen schon bei diesen Zeilen eine gewisse Herzmuskelaktivität nachweisen.

    Blumenthal: Ein Rattenherz ist ja relativ klein. Wäre das auch bei einem menschlichen Herzen denkbar?

    Raabe: Um das zu testen, haben die Forscher von der Universität Minnesota dann ein Schweineherz genommen und versucht, dieses Organ, was von Größe und Aufbau her schon eher dem des Menschen entspricht, auch zu besiedeln. Sie glauben, dass das auch geklappt hat, und meinen, man könnte ein ähnliches Verfahren auch bei anderen Organen anwenden, etwa bei Nieren, Leber und anderen Organen, wo Mangel an Spendern herrscht.

    Blumenthal: Ist es nun ein Erfolg versprechendes Verfahren, um den Mangel an Spenderorganen hier speziell beim Herzen zu beheben?

    Raabe: Also so, wie dieses Experiment gelaufen ist, muss man ganz klar sagen, dass es sich nicht eins zu eins auf den Menschen übertragen lässt. Denn das fängt schon damit an, dass die Zellen, die verwendet wurden und aus neugeborenen Ratten stammten, ja nicht aus menschlichen Neugeborenen gewonnen werden können. Und dann ist auch nicht ganz klar eindeutig, ob dieses Herz auch tatsächlich funktioniert. Das bezweifeln Experten, die auch auf diesem Gebiet forschen. Heike Mertsching vom Fraunhofer-Institut in Stuttgart, die mit ganz ähnlichen Zellen arbeitet, hat sich die Studie angesehen und sie glaubt, dass es nicht eindeutig bewiesen ist, dass tatsächlich dieses Herz auch wirklich Blut pumpen kann. Und im Tierexperiment ist das Herz ja auch nicht transplantiert worden, sondern es wurde in so einer Art Bioreaktor gehalten. Das wäre natürlich ein Experiment, was man erst einmal machen müsste - man müsste ein Herz für die Rate dann tatsächlich im Labor herstellen und dann einer Rate transplantieren und schauen, ob es dann im Körper auch arbeitet. Das fehlt also ganz eindeutig.

    Blumenthal: Diese jetzt euphorisch klingenden Ergebnisse sind in einem sehr renommierten Fachblatt erschienen. Was ist denn nun auf rein wissenschaftlicher Ebene die wichtigste Errungenschaft?

    Raabe: Man muss ganz ehrlich sagen, das scheint eine wirkliche Luftnummer zu sein, denn tatsächlich ist keine Methode, die dort angewandt worden ist, wirklich neu. Es gibt schon sehr lange das Verfahren, dass man bestimmte Organe und Gefäßsysteme von Zellen reinigt. Das haben deutsche Forscher auch schon gemacht vom Fraunhofer-Institut in Stuttgart, die Arbeitsgruppe von Heike Mertsching beispielsweise hat ein System entwickelt, wo sich Flicken für Luftröhren herstellen lassen mit einem ähnlichen Verfahren. Da werden also auch erst einmal die Zellen entfernt und neu besiedelt. Die Luftröhre ist ein von feinen Adern durchwobenes Gewebe, was also auch nicht so einfach ist. Und diese Methode wird tatsächlich schon beim Menschen angewandt, es gibt Menschen mit einer verletzten Luftröhre, die so einen Flicken auf ihrer Luftröhre tragen. Es ist also wirklich nichts Neues, viele Experimente sind woanders auch schon gemacht worden, die hier beschrieben worden sind. Es ist ganz ehrlich gesagt eine Luftnummer, wissenschaftlich gesehen, die es in eine renommierte Zeitschrift geschafft hat, wie auch immer, auf welchem Wege, das wissen wir nicht. Und ganz sicher ist es nicht die Lösung für das Problem des Mangels an Spenderorganen. Man muss also sagen, da waren die Forscher ein bisschen verantwortungslos, solche Hoffnungen zu wecken durch Ihren Artikel.