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Rundfunk-Spots
Wahlwerbung von den Rändern

Nachdem ARD, ZDF und Deutschlandradio die Ausstrahlung eines Wahlwerbespots der NPD zunächst abgelehnt hatten, reichte die NPD eine leicht veränderte Version ein. Das Bundesverfassungsgericht hat den Rundfunk Berlin-Brandenburg zu einer Ausstrahlung der Fernsehversion verpflichtet. Es ist nicht die erste Diskussion um eine Ausstrahlung solcher Wahlwerbespots.

Von Michael Borgers | 29.04.2019
Franz Schönhuber, 1989 bei einer Wahlveranstaltung der Republikaner
Franz Schönhuber, zunächst als Journalist Karriere gemacht, später für verschiedene rechtsextreme Parteien wie Die Republikaner, DVU und NPD politisch aktiv (Imago / Teutopress)
Die Christliche Bayerische Volkspartei (CBV) war nie sonderlich erfolgreich bei Wahlen und existiert längst nicht mehr. Doch gut zweieinhalb TV-Minuten halten die Erinnerung an die Partei wach. In einem Werbespot zur Bundestagswahl 1987 ist Ludwig Volkholz zu sehen. Der CBV-Gründer sitzt vor einem grünen Kachelofen und liest stoisch von einem Papier ab: Man wolle "keine Minarette und fremde Volkstumsprobleme in unserer Heimat" und verhindern, "dass allmählich eine Ausländermehrheit alle Rechte mit den Grünen zusammen übernehmen". Volkholz' Vortrag mündet in der Forderung, dass das englische "Negergebrülle" in Rundfunk und Fernsehen aufhört; eine Aussage, die ihm damals eine Parodie in Rudi Carrells "Tagesshow" und bis heute einen Wikipedia-Eintrag beschert.
In den späten 1980er-Jahren ist die CBV nicht die einzige Partei, die auf einen Wahlkampf gegen Einwanderung setzt. Die Republikaner präsentierten zur Wahl des Berliner Abgeordnetenhauses 1989 einen Spot, in dem die Titelmelodie des Westerns "Spiel mir das Lied vom Tod" Bilder von Ausländern untermalt. In einer anderen Wahlwerbung im selben Jahr, diesmal zur Europawahl, erklärt der damalige Parteichef, der ehemalige Journalist Franz Schönhuber, warum die Republikaner die Europäische Gemeinschaft kritisierten. Die EG zementiere die deutsche Teilung, fand Schönhuber – wenige Wochen vor der Wiedervereinigung.
Zudem sei seine Partei "gegen eine multinationale Gesellschaft in Deutschland". Man wolle "raus aus dem Schatten einer unseligen Vergangenheit, die den Weg in eine positive Zukunft versperrt", nimmt Schönhuber die "Vogelschiss"-Aussage von AfD-Chef Alexander Gauland vorweg und betont: "Wir wollen nicht, dass unsere Geschichte auf zwölf unselige Jahre verkürzt wird."
Fragwürdiges von den Rändern
Fragwürdige Werbebotschaften kommen aber nicht nur von rechts. So stellte die linksradikale Marxistisch Leninistische Partei Deutschlands, kurz MLPD, anlässlich der Europawahl 1989 einen Zusammenhang zwischen Rechtsradikalen und Wirtschaft her: "Mit faschistischer Hetze vertreten diese Parteien aggressiv den Großmachtkurs der Monopole", heißt es im Text aus dem Off, während im Bild die Logos von Unternehmen wie Siemens, Volkswagen oder Dr. Oetker zu sehen sind.
Die Extreme berühren sich – jedenfalls bei diesen Plakaten zur Bundestagswahl 2013. In guter Nachbarschaft sind AfD, Die Republikaner, Die Linke und die MLPD zu finden.
Die Extreme berühren sich – jedenfalls bei diesen Plakaten zur Bundestagswahl 2013. In guter Nachbarschaft sind AfD, Die Republikaner, Die Linke und die MLPD zu finden. (dpa / picture alliance / Wolfgang Kumm)
Gemeinsam ist all diesen TV-Spots: Sie wurden zwar kritisiert, durften aber in den Programmen der öffentlich-rechtlichen Sender laufen. Versuche der Sender, das zu verhindern, wurden stets von der Politik zurückgewiesen. Der öffentlich-rechtliche und private Rundfunk ist im Rahmen der politischen Meinungsbildung zur Ausstrahlung von Wahlwerbung verpflichtet. Die Sender müssen den Parteien eine "angemessene Sendezeit" einräumen, heißt es beispielsweise im ZDF-Staatsvertrag. Wahlwerbesendungen müssen zudem ausdrücklich als solche gekennzeichnet werden. Dass Beiträge tatsächlich verboten wurde, kam in der bundesdeutschen Geschichte nur sehr selten vor.
Aber nur wenige Verbote
Als verfassungsfeindlich stufte das Bundesverfassungsgericht erstmalig 1978 Aussagen in Spots von drei kommunistischen Parteien ein. 1984 entschieden die Richter in Karlsruhe gegen eine Wahlwerbung der Deutschen Zentrumspartei, die sich gegen das geltende Abtreibungsrecht richtete. 2005 führten ARD und ZDF gegen einen Spot der Anarchistischen Pogo-Partei Deutschlands Jugendschutzaspekte an und konnten sich am Ende vor Gericht durchsetzen.
Im aktuellen Fall ist die NPD vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert. Das ZDF hatte argumentiert, der Wahlspot zur Europawahl erfülle den Straftatbestand der Volksverhetzung; auch das Deutschlandradio und die ARD wollen die Beiträge nicht senden. Eine Verfassungsbeschwerde der NPD gegen diese Entscheidungen lehnten die Richter am Bundesverfassungsgericht ab.
Aktualisierung 22.05.2019:
Die NPD reichte daraufhin einen leicht veränderten Werbespot ein. Deutschlandradio hat auch die Ausstrahlung dieses Spots abgelehnt, da dieser zwar gegenüber der Ursprungsfassung leicht verändert wurde, aber nach unserer Ansicht noch immer einen evidenten und nicht leicht wiegenden Verstoß gegen Normen des Strafrechts darstellte. Nach wie vor wird die Bevölkerungsgruppe der Migranten pauschal mit schwerer Kriminalität in Verbindung gebracht, was zu ihrer Ausgrenzung führt und sie verächtlich macht.
Am 15.05.2019 hat das Bundesverfassungsgericht (Az. 1 BvQ 43/19) im Eilverfahren den Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) verpflichtet, die wortgleiche Fernsehversion des NPD-Spots auszustrahlen. Das Verfassungsgericht konnte einen evidenten Verstoß gegen Strafgesetze nicht mit hinreichender Gewissheit feststellen. Aufgrund des identischen Wortlauts muss diese Bewertung auch für die Hörfunkvariante des Spots als verbindlich angesehen werden. Deutschlandradio akzeptiert diese höchstrichterliche Entscheidung.
ARD, ZDF und Deutschlandradio hatten die Ausstrahlung von Wahlwerbespots der NPD abgelehnt. Eine juristische Prüfung hat ergeben, dass der Inhalt des Spots unserer Ansicht nach offenkundig und schwerwiegend gegen die allgemeinen Gesetze verstößt.