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Rundgang mit simuliertem Führhund
Hilfsmittel für Sehbehinderte auf der SightCity 2014

Technik. - In Deutschland leben etwa 500.000 sehbehinderte und rund 150.000 blinde Menschen. Ihr Alltag, ihre Kommunikation und ihre Arbeitsplätze erfordern vielfach besondere Hilfsmittel. Seit zwölf Jahren bietet eine Fachmesse in Frankfurt am Main Einblicke in diese Welt. Ihr Name: SightCity. In den vergangenen drei Tagen haben Aussteller ihre Entwicklungen auf der Fachmesse präsentiert.

Von Lennart Pyritz |
    Ein blinder Mann ertastet mit seinem Langstock den Weg.
    Es gibt auch modernere Hilfsmittel als den Taststock. (picture-alliance / dpa / Maurizio Gambarini)
    "Sie stellen sich jetzt so, dass der Führhund links von Ihnen ist. Und dann nehmen Sie mit der linken Hand den Führbügel auf, und ich gebe Ihnen in die linke Hand auch noch die Leine. Jetzt werde ich den Führhund so steuern, dass der seine Richtung ändert und das fühlen Sie am Führbügel. Und sie müssen sich immer so ausrichten, dass Sie mit dem Hund in die gleiche Richtung schauen."
    Der "Hund" ist ein kniehohes Metallgestänge auf vier Rädern mit Führbügel und Leine auf der Oberseite, dem "Rücken". Mit diesem Hunde-Simulator des Deutschen Blinden- und Sehbehinderten-Verbandes und einer Augenbinde können auch Menschen mit intaktem Sehvermögen die SightCity "blind" erkunden. An einer Stange am Hinterteil des Simulators schiebt Sabine Häcker – Führhund-Expertin beim DBSV.
    "Jetzt wenn wir ein bisschen Platz haben, können wir auch mal losgehen, vorsichtig."
    Pyritz: "Jetzt zieht er aber an!"
    Häcker: "Jetzt zieht er an, weil wir gehen jetzt. Dann gehen Sie mal mit, ist ja ein Führhund, kein Stehhund."
    Der Simulator soll Sehbehinderten die Bewegungsabläufe mit Hund nahebringen und so bei der Entscheidung für oder gegen einen tierischen Begleiter helfen. Der Blindenführhund sei das einzige medizinische Hilfsmittel mit Seele, sagt Häcker. Zum weiteren Angebot an den Messeständen zählen Langstöcke, Waagen mit Gewichtsansage und tastbare Gebäudepläne.
    "Wir haben um die 130 Aussteller dieses Jahr, aus USA, Asien, Europa."
    Ingrid Merkl, Leiterin des Organisationsteams der SightCity, für das sich einige der größten deutschen Hilfsmittel-Produzenten für Sehbehinderte zusammengeschlossen haben.
    "Wir haben dann natürlich die Hilfe der Blindenverbände in Anspruch genommen, weil die viel mehr Erfahrung haben und wir dann wussten, was wichtig ist für so eine Messe und was nicht."
    Merkl arbeitet für ein Unternehmen, das Braille- also Blindenschrift-Displays herstellt. Elektronik ist auf der Messe stark vertreten: Volldigitale Lesehilfen, die Romane oder Speisekarten scannen und vorlesen...
    "Platzieren Sie einfach Ihr Dokument und fangen Sie an mit Ihrer voreingestellten Vergrößerung..."
    Daneben Braille-Notizgeräte und Drucker, die digitale Dokumente auf Knopfdruck in das geprägte Punktmuster der Blindenschrift auf Papier übertragen. Eine schwedische Firma wirbt mit einem vereinfachten Verfahren.
    "Um einen Prägedrucker zu verwenden, braucht man bislang eine Braille-Übersetzungs-Software. Wir stellen hier ein System vor, mit dem man direkt eine pdf- oder Textdatei anklicken und ausdrucken kann, ohne zusätzliches Bearbeitungsprogramm."
    Nach einigen Minuten verlässt der rollende, von Sabine Häcker gesteuerte Blindenführhund die Messeräume und macht sich auf den Weg zum Vortragsraum, dem SightCity-Forum.
    Häcker: "Fühlen Sie, was der Hund macht?"
    Pyritz: "Vielleicht kratzt er sich."
    Häcker: "Gute Idee, aber ist es nicht ganz. Nee, der wackelt mit der Rute, das kann man auch simulieren mit dem Dog-Sim. Wenn die Führhunde stehen bleiben, möchten sie ihrem Halter in der Regel was zeigen."
    Pyritz: "Da kann man sich hinsetzen."
    Häcker: "Ist ein Stuhl, genau."
    Vor den Sitzreihen informieren Mediziner über altersbedingte Netzhaut-Degeneration, Grünen Star oder das Usher-Syndrom – eine erbliche Hörseh-Behinderung. Dazu gibt es Vorträge zur beruflichen Integration und Hilfsmitteln für den Alltag. Der selbst sehbehinderte Heinz Mehrlich vom DBSV hält einen Vortrag über die Möglichkeiten, die Smartphones und Tablet-PCs bieten:
    "Sie können sich navigieren lassen. Es sagt mir, wo bin ich jetzt, auf welcher Straße bin ich, wo kann ich hingehen. In Zukunft wird es auch noch so sein, dass wir Indoor-Navigation, wie das Neudeutsch heißt, haben werden. Das heißt, Sie können im Geschäft sich sagen lassen, wo jetzt die Klöße stehen oder sowas, ja."
    Nach gut zehn Minuten im Vortragsraum nimmt der simulierte Führhund wieder Kurs auf die Messe-Stände.
    Pyritz: "Jetzt sind wir auf jeden Fall wieder auf Teppich."
    Häcker: "Sehr gut, die taktilen Zeichen am Boden muss man gut nutzen können. Wir sind jetzt wieder in der Halle, wo wir uns getroffen hatten."
    Am Stand des Deutschen Blinden- und Sehbehinderten-Verbands stehen Nicole und Ingo Sagorsky. Er ist seit seinem 16. Lebensjahr blind. Sein Führhund, ein Labradorweibchen namens Kelli, beäugt den geparkten Artgenossen kritisch. Sagorsky ist von den Vorteilen seiner tierischen Begleitung überzeugt.
    "Der erste ist: Er gibt Dir Sicherheit. Der zweite ist: Das ist ein Freund. Mit wem soll ich denn dann kuscheln, wer klaut mir denn dann zu Hause den Platz auf der Couch. Obwohl billiger wär es schon, ich bräuchte nicht immer Fressen, Trinken, Leckerchen..."
    Nicole Sagorsky: "Kommt gar nicht in die Tüte."
    Ingo Sagorsky: "Hast Du das gehört, Dicke?"