In der Aufnahme, die ich Ihnen in unserer Sendung "Die neue Platte" vorstellen möchte, ist das meiner Ansicht nach zweifelsfrei gelungen.
Es keine taufrische Tages-Aufnahme, aber die Interpretationen dieser Auswahl russischer Klaviermusik des ausgehenden 19. und aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, kommt so ausgeglichen und mit einer fast abgeklärten Gelassenheit daher, dass es eine Freude ist, dem Spiel des jungen Pianisten Benjamin Moser zuzuhören.
Es ist Mosers "Debüt-CD", also die erste Vorstellung seines Könnens, die ihn gleichsam über den kommerziellen Weg der Musikindustrie einem weiteren Publikum bekannt machen soll.
Die Plattenfirma, die bayerische OehmsClassics Musikproduktion, hat gut daran getan, Moser diese Chance zu geben. Die Einspielung macht deutlich, dass Kassandra-Rufe über mangelnden pianistischen Nachwuchs mit Spitzenleistungen im deutschen Sprachraum nicht unbedingt berechtigt sind.
Benjamin Mosers interpretatorische Stärke wird für mich am markantesten in den, sagen wir "ruhigen" Kompositionen seiner Auswahlstücke. Ein Rachmaninow, der - mit Blick auf die zur Verfügung stehende Einspielungen - gerade von Pianisten der osteuropäischen, vornehmlich russischen Schule gerne als Ikone der musikalischen sogenannten Spätromantik herausgestellt wird, wandelt sich in der Interpretation des jungen Moser zu einem Komponisten, der sich offenbar auch von den "Impressionisten" der Musikszene Westeuropas in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg hat inspirieren lassen. Der neue Stil lag ja damals in der Luft.
Dass Moser den Entstehungszeiten der eingespielten Beispiele Rechnung trägt, ist durchaus folgerichtig. Denn die Préludes der Werkreihe Nummer 23 von Sergej Rachmaninow beispielsweise entstanden in den Jahren um 1903, und die der Opus-Zahl 32 sind in den Jahren 1909/ 1910, zu Papier gebracht worden, und zwar von einem Komponisten, der damals nur unwesentlich älter war als der 100 Jahre später sich damit auseinandersetzende Jung-Pianist aus Bayern.
2. Musik: Track 008/ CD Alexander Skriabin, Nocturne für die linke Hand, op 9 N° 2 5' 33''
Es war keine Laune, die Skriabin zur Komposition zweier Klavierwerke, wie dieses Nocturne etwa, und das auf der CD mit eingespielte Prélude, ebenfalls aus opus 9, veranlasst haben. Nach dem eher durchschnittlich bewerteten Abschluss seines Studiums am Moskauer Konservatorium sah sich Skriabin, wie viele andere auch, in einen fast brutalen Wettbewerb mit anderen Pianisten und Komponisten geworfen. Um zu bestehen, verordnete er sich ein rigoroses Übungspensum, das ihn sehr schnell an die Grenzen der physischen wie psychischen Leistungsfähigkeit brachte. Die Folge war 1893 eine Sehnenscheidenentzündung in der rechten Hand. Die Ärzte prognostizierten einen nachhaltigen lebenslangen Schaden. Ein Urteil, das Skriabin aber nicht ohne Weiteres hinnehmen wollte. Und es waren gerade diese beiden Werke, die ihm, unter anderen, ein Jahrzehnt später in den USA die Konzertsäle und die öffentliche Anerkennung sichern sollten.
Seinen ersten Klavierunterricht bekam Benjamin Moser im Alter von sechs Jahren.
Noch während seiner Gymnasialzeit war er "Jungstudent" an der Hochschule für Musik in München. Es folgten nach dem Abitur Studien in Berlin an der Hochschule für Musik Hanns Eisler, sowie an der dortigen Universität der Künste. Zahlreiche nationale wie internationale Auszeichnungen begleiten bis heute seinen künstlerischen Weg.
Wer sich hörend in die vorliegende CD-Einspielung Mosers mit russischer Klaviermusik vertieft, wird dieses Lob verstehen. Der Junge hat was!
Der gebürtige Münchener Benjamin Moser, Jahrgang 1981, entstammt einer Musikerfamilie, deren Mitglieder nicht selten auch - rühmlich/ unrühmlich - in die Musikgeschichte eingegangen sind. Ur-Großvater etwa war der bekannte Violinist Andreas Moser, Professor an der königlichen Hochschule für Musik in Berlin.
Dieser war eng mit Johannes Brahms und seinem Vorzugsgeiger Joseph Joachim befreundet. Mit ihm hat er eine dreibändige Violinschule herausgegeben, die heute noch in einschlägigen Angeboten aufgelegt ist. Andreas Moser verfasste auch die erste, 1908 erschienene, zweibändige Biografie über Joseph Joachims.
Mosers Großvater ist der Musikwissenschaftler Hans-Joachim Moser, der langjährige Direktor des Städtischen Konservatoriums in West-Berlin, dem vormaligen Stern'schen Konservatorium.
Seine Mutter ist die kanadische Sängerin Edith Wiens. Sein Bruder der Cellist und Tschaikowsky-Preisträger von 2007: Johannes Moser.
So erstaunt es nicht, dass in diesem reichhaltigen künstlerischen Kontext die musikalischen Gene offenbar ihren Weg gefunden haben, wobei diese aber nur Wurzeln schlagen, wenn sich zur Begabung auch immer noch kräfte- und nervenzehrende Fleißarbeit und Zielstrebigkeit gesellt.
Dies kommt auch zum Tragen in unserem letzten Musikbeispiel: dem Finalsatz aus der Sonate N° 7 in B-Dur von Sergei Prokofieff, einem Werk, in dem es um eine "musikalische Auseinandersetzung" mit den Gräueln des Kriegs, hier des Zweiten Weltkriegs gehen soll.
Der Pianist Swjatoslaw Richter, der die Sonate 1943 in Moskau aus der Taufe hob, charakterisierte das Werk damals so:
"Die Sonate versetzt den Hörer unmittelbar in die angstvolle Situation einer Welt, die aus dem Gleichgewicht geraten ist. Angst und Ungewissheit herrschen. Todbringende Gewalten wüten vor den Augen der Menschen, für die dennoch das, was ihr Leben ausmacht, weiter besteht."
In seiner Interpretation des Schlusssatzes - "Precipitato/Überstürzt" - , kommt Benjamin Moser ohne den Verweis auf Angst und Untergang aus: die Fingerfertigkeit dominiert.
5. Musik; Track 015/ CD Sergei Prokofieff, Sonata N° 7, B-Dur, op 83 (3. Satz) 3´33´´
In unserer Reihe "Die neue Platte" stellten wir Ihnen heute die Debüt-CD
des jungen Pianisten Benjamin Moser vor.
Der gebürtige Münchener hat bei der OehmsClassics Musikproduktion eine Auswahl russischer Klaviermusik eingespielt: Werke von Rachmaninow, Skriabin, Medtner, Tschaikowsky und Prokofieff.
Es keine taufrische Tages-Aufnahme, aber die Interpretationen dieser Auswahl russischer Klaviermusik des ausgehenden 19. und aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, kommt so ausgeglichen und mit einer fast abgeklärten Gelassenheit daher, dass es eine Freude ist, dem Spiel des jungen Pianisten Benjamin Moser zuzuhören.
Es ist Mosers "Debüt-CD", also die erste Vorstellung seines Könnens, die ihn gleichsam über den kommerziellen Weg der Musikindustrie einem weiteren Publikum bekannt machen soll.
Die Plattenfirma, die bayerische OehmsClassics Musikproduktion, hat gut daran getan, Moser diese Chance zu geben. Die Einspielung macht deutlich, dass Kassandra-Rufe über mangelnden pianistischen Nachwuchs mit Spitzenleistungen im deutschen Sprachraum nicht unbedingt berechtigt sind.
Benjamin Mosers interpretatorische Stärke wird für mich am markantesten in den, sagen wir "ruhigen" Kompositionen seiner Auswahlstücke. Ein Rachmaninow, der - mit Blick auf die zur Verfügung stehende Einspielungen - gerade von Pianisten der osteuropäischen, vornehmlich russischen Schule gerne als Ikone der musikalischen sogenannten Spätromantik herausgestellt wird, wandelt sich in der Interpretation des jungen Moser zu einem Komponisten, der sich offenbar auch von den "Impressionisten" der Musikszene Westeuropas in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg hat inspirieren lassen. Der neue Stil lag ja damals in der Luft.
Dass Moser den Entstehungszeiten der eingespielten Beispiele Rechnung trägt, ist durchaus folgerichtig. Denn die Préludes der Werkreihe Nummer 23 von Sergej Rachmaninow beispielsweise entstanden in den Jahren um 1903, und die der Opus-Zahl 32 sind in den Jahren 1909/ 1910, zu Papier gebracht worden, und zwar von einem Komponisten, der damals nur unwesentlich älter war als der 100 Jahre später sich damit auseinandersetzende Jung-Pianist aus Bayern.
2. Musik: Track 008/ CD Alexander Skriabin, Nocturne für die linke Hand, op 9 N° 2 5' 33''
Es war keine Laune, die Skriabin zur Komposition zweier Klavierwerke, wie dieses Nocturne etwa, und das auf der CD mit eingespielte Prélude, ebenfalls aus opus 9, veranlasst haben. Nach dem eher durchschnittlich bewerteten Abschluss seines Studiums am Moskauer Konservatorium sah sich Skriabin, wie viele andere auch, in einen fast brutalen Wettbewerb mit anderen Pianisten und Komponisten geworfen. Um zu bestehen, verordnete er sich ein rigoroses Übungspensum, das ihn sehr schnell an die Grenzen der physischen wie psychischen Leistungsfähigkeit brachte. Die Folge war 1893 eine Sehnenscheidenentzündung in der rechten Hand. Die Ärzte prognostizierten einen nachhaltigen lebenslangen Schaden. Ein Urteil, das Skriabin aber nicht ohne Weiteres hinnehmen wollte. Und es waren gerade diese beiden Werke, die ihm, unter anderen, ein Jahrzehnt später in den USA die Konzertsäle und die öffentliche Anerkennung sichern sollten.
Seinen ersten Klavierunterricht bekam Benjamin Moser im Alter von sechs Jahren.
Noch während seiner Gymnasialzeit war er "Jungstudent" an der Hochschule für Musik in München. Es folgten nach dem Abitur Studien in Berlin an der Hochschule für Musik Hanns Eisler, sowie an der dortigen Universität der Künste. Zahlreiche nationale wie internationale Auszeichnungen begleiten bis heute seinen künstlerischen Weg.
Wer sich hörend in die vorliegende CD-Einspielung Mosers mit russischer Klaviermusik vertieft, wird dieses Lob verstehen. Der Junge hat was!
Der gebürtige Münchener Benjamin Moser, Jahrgang 1981, entstammt einer Musikerfamilie, deren Mitglieder nicht selten auch - rühmlich/ unrühmlich - in die Musikgeschichte eingegangen sind. Ur-Großvater etwa war der bekannte Violinist Andreas Moser, Professor an der königlichen Hochschule für Musik in Berlin.
Dieser war eng mit Johannes Brahms und seinem Vorzugsgeiger Joseph Joachim befreundet. Mit ihm hat er eine dreibändige Violinschule herausgegeben, die heute noch in einschlägigen Angeboten aufgelegt ist. Andreas Moser verfasste auch die erste, 1908 erschienene, zweibändige Biografie über Joseph Joachims.
Mosers Großvater ist der Musikwissenschaftler Hans-Joachim Moser, der langjährige Direktor des Städtischen Konservatoriums in West-Berlin, dem vormaligen Stern'schen Konservatorium.
Seine Mutter ist die kanadische Sängerin Edith Wiens. Sein Bruder der Cellist und Tschaikowsky-Preisträger von 2007: Johannes Moser.
So erstaunt es nicht, dass in diesem reichhaltigen künstlerischen Kontext die musikalischen Gene offenbar ihren Weg gefunden haben, wobei diese aber nur Wurzeln schlagen, wenn sich zur Begabung auch immer noch kräfte- und nervenzehrende Fleißarbeit und Zielstrebigkeit gesellt.
Dies kommt auch zum Tragen in unserem letzten Musikbeispiel: dem Finalsatz aus der Sonate N° 7 in B-Dur von Sergei Prokofieff, einem Werk, in dem es um eine "musikalische Auseinandersetzung" mit den Gräueln des Kriegs, hier des Zweiten Weltkriegs gehen soll.
Der Pianist Swjatoslaw Richter, der die Sonate 1943 in Moskau aus der Taufe hob, charakterisierte das Werk damals so:
"Die Sonate versetzt den Hörer unmittelbar in die angstvolle Situation einer Welt, die aus dem Gleichgewicht geraten ist. Angst und Ungewissheit herrschen. Todbringende Gewalten wüten vor den Augen der Menschen, für die dennoch das, was ihr Leben ausmacht, weiter besteht."
In seiner Interpretation des Schlusssatzes - "Precipitato/Überstürzt" - , kommt Benjamin Moser ohne den Verweis auf Angst und Untergang aus: die Fingerfertigkeit dominiert.
5. Musik; Track 015/ CD Sergei Prokofieff, Sonata N° 7, B-Dur, op 83 (3. Satz) 3´33´´
In unserer Reihe "Die neue Platte" stellten wir Ihnen heute die Debüt-CD
des jungen Pianisten Benjamin Moser vor.
Der gebürtige Münchener hat bei der OehmsClassics Musikproduktion eine Auswahl russischer Klaviermusik eingespielt: Werke von Rachmaninow, Skriabin, Medtner, Tschaikowsky und Prokofieff.