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Russischer Doping-Skandal
Sportminister Mutko - ein Portrait

Die Frage, ob russische Sportler bei den Olympischen Spielen starten dürfen, hängt auch davon ab, wie die WADA die Rolle des russischen Staates im Doping – und damit auch des russischen Sportministers persönlich bewertet. Hat Vitalij Mutko Doping nicht nur toleriert, sondern sogar vertuscht? Wer ist dieser Mann, der den Doping-Skandal seit Monaten im Amt übersteht?

Von Gesine Dornblüth | 09.07.2016
    Russlands Sport-Minister Vitaly Mutko am 25.12.2015 bei seiner Pressekonferenz zum Ende des Jahres in Moskau.
    Russlands Sportminister Vitalij Mutko (picture alliance / dpa / EPA/YURI KOCHETKOV)
    Im Internet ist Vitalij Mutko ein Star. Sein Auftritt 2010 bei der FIFA in Zürich hat Kultstatus. In holprigem Englisch warb der Minister für die Vergabe der Fußball-WM 2018 nach Russland. Russland erhielt den Zuschlag. Und auch wenn Mutkos Rede dafür wohl nicht den Ausschlag gab, brachte sie ihm doch Sympathie ein. Der populäre russische Videoblogger Enjoykin widmete dem Minister später sogar einen Song.
    Eloquent, umgänglich, ruhig – Mutko ist ideal, um der Weltöffentlichkeit ein neues, offenes Russland zu präsentieren. Denn das bezweckt die russische Führung mit sportlichen Großereignissen. In Russland selbst ist Mutko eher ein unauffälliger Minister. Bei Rankings der einflussreichsten Politiker und Personen des öffentlichen Lebens landet der 57-Jährige regelmäßig zwischen Rang 70 und 80.
    Vom Schiffsingenieur zum Sportminister
    Mutko, von Haus aus Schiffsingenieur und Ökonom, hat sich hochgearbeitet. Seine politische Karriere ist mit Russlands Staatspräsident Vladimir Putin verbunden. Er gehört aber nicht zu dessen engstem Kreis von Vertrauten. Mutko und Putin waren in den 1990er Jahren in der Sankt Petersburger Stadtverwaltung tätig. Dort stellten sie 1994 eines der ersten großen internationalen Sportereignisse im unabhängigen Russland auf die Beine, die Goodwill Games. Medienberichten zufolge verschwanden damals öffentliche Gelder. Die Schuldigen wurden nicht gefunden.
    Danach wurde Mutko Präsident des Petersburger Fußballklubs Zenit und warb den staatlich kontrollierten Konzern Gazprom als Sponsor. Der Verein schaffte daraufhin einen Sprung an die Spitze der russischen Liga: Das soll allerdings eher dem Trainer als dem Vereinspräsidenten zu verdanken gewesen sein.
    Es folgten fünf Jahre als Senator im Föderationsrat, dem russischen Oberhaus. Schon dort kümmerte sich Mutko um Jugend und Sport. 2008 wurde er dann Minister. In der Sportwelt gilt Mutko als jemand, der sich bestens auskennt und gut mit Sportlern, Trainern, Fans und Journalisten kann. 2009 bei einem ersten großen Fernsehinterview als Minister: "Vitalij Leontewitsch, wann gewinnen wir endlich im Fußball? Wir fiebern vor dem Fernseher mit, aber immer verlieren wir." Er antwortete: "Wir haben in den letzten zweieinhalb Jahren viel gewonnen. Aber zum Sport gehören nun mal auch Niederlagen."
    Vancouver flop, Sotschi top
    Und was für welche. 2010, Mutko war gerade zwei Jahre im Amt, fuhr Russland bei Olympia in Vancouver das schlechteste Ergebnis aller Zeiten ein: Nur drei Goldmedaillen, und das, obwohl extrem viel Geld in die Vorbereitung der Olympiamannschaft gesteckt worden war. Es gab Rücktrittsforderungen. Mutko saß sie aus und lieferte. Schon in London 2012 schnitt Russland besser ab. 2014 in Sotschi führten die russischen Athleten dann den Medaillenspiegel an, fraglich ist nur, mit welchen Mitteln.
    Team Russland mit dem Flaggenträger Alexander Subkow bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele von Sotschi 2014.
    Olympische Spiele in Sotschi 2014 - Eröffnungsfeier mit der russischen Mannschaft und ihrem Flaggenträger Alexander Subkow. (picture alliance/dpa - Barbara Walton)
    Vitalij Mutko hat neben seinen politischen Ämtern diverse einflussreiche nationale und internationale Funktionärsposten inne: Er ist Präsident des Russischen Fußballverbandes, er hat einen Posten in der UEFA, sitzt im Exekutivkomitee der FIFA. Interessenskonflikte scheint er nicht zu kennen. Zu dem umstrittenen ehemaligen Dauer-FIFA-Präsidenten Sepp Blatter hielt er sogar noch, als die Ethikkommission diesen schon wegen Korruption gesperrt hatte. Er sähe keinen Grund für so eine harte Strafe, so der Russe.
    Mutko räumt Fehler ein
    Mittlerweile muss sich Mutko selbst unbequeme Fragen gefallen lassen. In den letzten Monaten jagte eine Hiobsbotschaft die andere: Die Sperre für die russischen Leichtathleten, der Meldonium-Skandal, die Schlägereien russischer Hooligans bei der EM in Frankreich, dazu immer mehr Hinweise auf systematisches Doping auch in anderen russischen Sportarten, unter Beteiligung des Sportministeriums, möglicherweise sogar des Ministers persönlich. Mutko reagierte darauf mit einer Salamitaktik. Zunächst wies er Vorwürfe als "absurd" oder "politisch motiviert" zurück; dann räumte er Fehler ein, ja, es gäbe ein Dopingproblem in Russland, es handele sich aber um Missetaten Einzelner. Aufarbeitung ist seine Sache nicht. Im Gespräch mit der ARD sagte er vor wenigen Wochen: "Ich finde, dass man sich auf die Zukunft konzentrieren sollte, anstatt sich ständig an der Vergangenheit zu orientieren. Dieses ständige 'wer was wo vertuscht hat', das interessiert mich absolut nicht."
    Im Juni forderte ein russischer Parlamentsabgeordneter Mutkos Rücktritt – allerdings nicht wegen des Dopingskandals, sondern wegen des schlechten Abschneidens der russischen Fußballer bei der Europameisterschaft. Ein Moderator des russischen Sport-Senders "Match-TV" fragte Mutko daraufhin, unter welchen Bedingungen er abtreten würde. Darauf der Minister: "Es wäre eine große Niederlage für mich, wenn die ganze Olympia-Mannschaft disqualifiziert würde. In dem Fall wäre ich bereit, die Verantwortung zu übernehmen und zurückzutreten."