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Russischer Marsch gegen Ausländer

In Russland herrscht eine regelrechte Hysterie gegen Zugereiste. Den "Tag der Volkseinheit" am 4. November nutzen Nationalisten traditionell, um auf die Straße zu gehen. Sie erhielten viel Unterstützung aus der Bevölkerung.

Von Gesine Dornblüth | 04.11.2013
    "Wir sind Russen", "Russland - Nation - Ordnung", "Russland voran", "Ruhm für Russland". Mit solchen Parolen zogen heute rund 10.000 Rechtsextreme durch das Wohnviertel Ljublino in Moskaus Süden. Dazu gereckte Fäuste, Zarenfahnen, hin und wieder Sieg-Heil-Rufe. Unter den teils vermummten Demonstranten waren sehr viele Jugendliche und junge Männer. Die Immobilienmaklerin Natalja Iwanzowa war mit zwei kleinen Kindern gekommen.

    "Die Zugereisten müssen verstehen, dass sie wieder abreisen müssen. Alle mit südlicher Nationalität: Tadschiken, Usbeken, Armenier und so weiter."

    In Russland herrscht eine regelrechte Hysterie gegen Zugereiste. Sie richtet sich sowohl gegen Gastarbeiter aus dem Ausland, vor allem aus Zentralasien, als auch gegen russische Staatsbürger aus dem Nordkaukasus. Erst vor wenigen Wochen hatte ein fremdenfeindlicher Mob in der Hauptstadt Jagd auf Zugereiste gemacht, hatte in den Straßen randaliert, einen Gemüsegroßhandel gestürmt. In Ljublino wurde heute vorsorglich das Einkaufszentrum geschlossen. Viele Anwohner und Passanten in dem Plattenbezirk unterstützten den Nazi-Aufmarsch. Die Optikerin Ljudmila Schowner:

    "Vielleicht ist die Losung ‚Russland den Russen‘ nicht ganz richtig. Aber wer hier herkommt, muss uns und unsere Gesetze achten."

    Und Tatjana Malysch, eine pensionierte Englischlehrerin:

    "Wir Russen werden heute von unserem eigenen Staat unterdrückt."

    Fremdenfeindlichkeit und Rassismus ziehen sich quer durch sämtliche sozialen Schichten. Russlands Wirtschaft kommt ohne Gastarbeiter gar nicht aus. Trotzdem wettern fast alle politischen Gruppen gegen Zugereiste. Aleksej Nawalnyj, der Anführer der Protestbewegung der vergangenen zwei Jahre und Hoffnungsträger auch mancher Liberaler, hatte sogar zur Teilnahme am "Russischen Marsch" aufgerufen. Er ist selbst bereits mehrfach mitmarschiert, blieb heute allerdings zuhause. Gegner des Nazi-Aufmarsches waren schwer zu finden. Eine junge Mutter auf einem Spielplatz hinter einem Haus.

    "Ich habe Angst, heute auf die Straße zu gehen. Es gibt doch sowieso schon längst keine reinen Nationen mehr. So ein Marsch ist Unsinn."

    Die Polizei nahm in Ljublino rund dreißig Rechtsextreme fest. Sie hatten verbotene Symbole gezeigt oder verbotene Losungen gerufen. Ansonsten blieb es ruhig. Auch in zahlreichen weiteren Städten marschierten Nationalisten auf, darunter in St. Petersburg, Nischnij Nowgorod, Nowosibirsk. In Wolgograd kamen rund 70 Teilnehmer in Polizeigewahrsam. Sie hatten versucht, von der mit den Behörden abgestimmten Route abzuweichen und zum zentralen Markt vorzudringen. Dort arbeiten viele Zugereiste.