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Russland
Aggressives Verbot schwuler und lesbischer Liebe

In wenigen Wochen werden in Sotschi die Olympischen Winterspiele eröffnet. Noch nie gab es im Vorfeld eine derartige Diskussion über die Rechte von Homosexuellen im austragenden Land. Sie werden in Russland beschimpft und diskriminiert.

Von Thomas Franke | 03.01.2014
    "Wenn so etwas passiert, da gibt es heute die Möglichkeit, sich an Spezialisten zu wenden. Zunächst an einen Psychologen."
    Pavel Astachow, Kinderschutzbeauftragter des Präsidenten.
    - "Sie beschimpfen mich, nennen mich einen Päderasten. "
    - "Tod den Päderasten."
    Ein Kiss-In vor dem Parlament in Moskau aus Protest gegen die neuen Gesetze. Radikale Orthodoxe werfen faule Eier auf die Homosexuellen und ihre Sympathisanten. Jemand drischt mit einem Stativ auf eine junge Lesbe ein.
    "Wenn ich auf die Straße gehe mit einem Knüppel und anfange, Leute zu jagen, ist das ein Verbrechen. Es ist aber auch eine Antwort auf das Verhalten der Minderheit, die beginnt, ihre Auffassungen zu diktieren."
    Die Polizei verhaftet Schwule und Lesben, sie hätten ja nicht provozieren müssen, so die fast einhellige Auffassung in Politik und Medien.
    "Ihr werdet in der Hölle in eurer eigenen Scheiße schmoren."
    Dann beten sie den Ostergruß: Christus ist erstanden, er ist wahrhaftig auferstanden.
    "Das ist unglaublich. Das ist ein Faschismus. Tendenz gibt es gerade zum Faschismus."
    Wer in Russland öffentlich aus der Reihe tanzt, braucht Mut. Eine LGBT-Basketballmannschaft beim Training. Organisiert vom LGBT-Sportverband. LGBT steht für lesbisch, schwul, bisexuell, transgender.
    "Eine Sportlerin hat ein Video aufgenommen mit Worten der Unterstützung für unsere Sportler. Aber nach einem Interview haben sie ihr leider verboten, irgendetwas zu sagen zu diesem Thema. Selbst anonym."
    Sie trainieren für die Open Games, ein LGBT-freundliches Turnier. Es soll aller Voraussicht nach in Moskau stattfinden, zwischen den Olympischen Spielen und den Paralympics.
    "Wenn die ganze Aufregung um Sotschi vorbei ist, werden sie hart gegen uns vorgehen. Homosexualität ist durch die Medien verbunden mit dem Westen. Und alles im Westen ist für die Leute schlecht. Homosexualität muss dementsprechend auch schlecht sein. Und man kann ruhig dagegen vorgehen."
    "Man verweigert uns Sportstätten. Unsere halb-geouteten LGBT-Olympia-Sportler werden erpresst. Ihnen wird gesagt, wenn ihr offen in der Presse darüber sprecht, hören wir auf, euch zu sponsern."
    Konstantin trainiert Paarlauf. Er ist Vorsitzender des Sportverbands.
    "Ich engagiere mich, um Vorurteile zu zerstören, die von unserem Staat verbreitet werden. Vorurteile in der Art, wie, die LGBT seien eine völlig marginale Gruppe irgendwelcher Sodomisten. Irgendwelche abartige Leute. Nein. Wir sind genau solche Menschen, wie alle."
    Gern möchte er mit einem Mann eislaufen, statt mit einer Frau. Konstantin weiß, seit er 15 ist, dass er schwul ist. Mit 27 war er soweit, dazu zu stehen. Das ist zwei Jahre her.
    - "Kinder 404."
    "LGBT-Jugendliche."
    - "Es gibt uns."
    Zumindest in Internetnetzwerken. Fotos poppen auf, drei Jugendliche blicken ernst in die Kamera. In der Hand selbst gemalte Schilder: "Es gibt uns".
    Der Name spielt mit der Bezeichnung "Fehler 404", die auf dem Bildschirm erscheint, wenn eine Internetseite nicht mehr existiert.
    Ein Mädchen mit Hornbrille im Wohnzimmer ihrer Eltern.
    - "Wir entscheiden selbst, wer wir sein wollen. Freiheit. Es gibt uns."
    - "Wir lieben. Wir sind kein Fehler. Wir sind kein Systemabsturz."
    - Und immer wieder: "Es gibt uns".
    Mehr als 2000 junge homo-, bi- und transsexuelle Jugendliche sind auf "Deti 404" registriert, zeigen Gesicht, beweisen Mut. Verbreitung von homosexueller Propaganda im Internet ist strafbar. Jeder, der aus der Reihe tanzt, könnte andere ermutigen, auch anders zu sein. Davor haben in Russland viele Angst. Offensichtlich auch der Kinderschutzbeauftragte des Präsidenten.
    "In Fragen, wie die Welt funktioniert, müssen sich Minderheiten der Mehrheit unterordnen. Das ist Demokratie."