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Russland
Ecodefense in Schwierigkeiten

Die russische Justiz hat die Umweltorganisation Ecodefense zu Agenten des Auslands erklärt. Damit droht den Aktivisten eine schärfere Überwachung durch die Behörden und eine Behinderung ihrer Arbeit. Ecodefense kämpft vor allem gegen ein Atomkraftwerk bei Kaliningrad.

Gesine Dormblüth im Gespräch mit Jule Reimer | 18.06.2014
    Jule Reimer: Haben die Behörden erklärt, warum sie Ecodefense so einstufen?
    Gesine Dornblüth: Ecodefense hat bisher nur einen Brief aus dem Justizministerium erhalten, und das per Email. Genaue Begründungen werden nicht genannt. Damit eine Organisation als "ausländischer Agent" eingestuft wird, müssen zwei Kriterien erfüllt sein: Sie muss Geld aus dem Ausland erhalten. Das ist bei Ecodefense der Fall, sie erhält Geld von einer politischen Stiftung aus Deutschland und von der Europäischen Kommission. Außerdem muss die Organisation "politisch tätig" sein. Das lässt Freiraum für Interpretationen.
    Die Mitarbeiter von Ecodefense vermuten, dass ihr Widerstand gegen ein Atomkraftwerk im Gebiet Kaliningrad ausschlaggebend war. Bei einer Überprüfung hätten Behördenvertreter gezielt nach Unterlagen zu den Aktivitäten rund um das AKW gefragt. Ecodefense hat runde Tische, Mahnwachen, eine Umfrage organisiert. Dabei kam übrigens heraus, dass mehr als die Hälfte der Bevölkerung von Kaliningrad gegen das AKW ist.
    Ecodefense ist eine hoch professionelle, gut vernetzte Organisation und seit mehr als 20 Jahren russlandweit im Umweltbereich tätig. In Kaliningrad hatte sie offenbar Erfolg, denn der Bau des AKW wurde 2013 gestoppt. Die Organisation spricht nun von einer "Racheaktion".
    Reimer: Welche Folgen hat diese Einstufung für die Organisation?
    Dornblüth: In den nächsten Wochen wird es einen Gerichtstermin geben. Das Gericht muss entscheiden, ob das Justizministerium recht hat und Ecodefense tatsächlich "politisch tätig" ist. Wenn der Richter das bestätigt, bleibt den Umweltschützern eine Frist, um sich in das sogenannte "Agenten-Register" einzutragen. Sie lehnen das ab. Aleksandra Koroljowa von Ecodefense in Kaliningrad sagt: "Wir haben mehr als 20 Jahre für das Recht der Bürger auf eine gesunde Umwelt gekämpft. Uns als 'Agenten des Auslands' zu bezeichnen, ist ungerecht." Wenn die Organisation sich aber der richterlichen Anordnung widersetzt, drohen hohe Geldstrafen. Es geht um fünfstellige Eurobeträge. Ecodefense hat dieses Geld nicht, weil die Organisation nur projektgebundene Fördergelder erhält.
    Reimer: Welche Rolle spielt die Atomwirtschaft in Russland?
    Dornblüth: Die Atomwirtschaft ist ungeachtet der Öl- und Gasvorkommen enorm wichtig. Laut Ecodefense war das Atomkraftwerk in Kaliningrad war vor allem dazu gedacht, Strom in die EU zu exportieren. Russland exportiert aber auch AKWs, es ist sogar eines der wenigen konkurrenzfähigen Exportbranchen. Dabei geht es sowohl um die Modernisierung alter Kraftwerke aus der Sowjetzeit, um Laufzeitverlängerungen, als auch um den Neubau. Russland bietet dazu einen "Rundum-Service" an, stellt Kredite zur Verfügung, liefert Brennstoffe, entsorgt auch noch den Atommüll. Auch dagegen protestiert Ecodefense.