Bischkek, die Hauptstadt Kirgistans, liegt fast 3.000 Kilometer von Moskau entfernt und soll an diesem Samstag Schauplatz sein für das erste Testspiel des international isolierten WM-Gastgebers von 2018 seit dem Angriff auf die Ukraine im vergangenen Februar. "Es ist wichtig zu zeigen, dass wir leben", sagte Nationaltrainer Waleri Karpin, dessen Nationalteam sich im Trainingszentrum von Nowogorsk auf die Reise in die ehemalige Sowjetrepublik vorbereitet.
Testspiele als Rückkehr durch die Hintertür
Von den Wettbewerben der Europäischen Fußball-Union UEFA und des Weltverbands FIFA sind russische Nationalteams ausgeschlossen. Die Nations League der Männer findet genauso ohne das russische Team statt wie die Auslosung der Qualifikation für die EM 2024 in Deutschland, die am 9. Oktober stattfinden wird. Das Frauen-Team wurde aus der laufenden Qualifikation zur WM 2023 in Neuseeland und Australien gestrichen. Der einst enorm einflussreiche russische Verband RFS versucht aber die Rückkehr auf die Fußballbühne durch die Hintertür. Bislang hatte in Jugendspielen Belarus mehrmals gegen russische Teams gespielt.
In der heimischen Premjer-Liga wird ohne jede Einschränkung gespielt. Kirgistan sowie WM-Teilnehmer Iran im November stehen als Testspielgegner fest, um eine kurz vor der WM in Katar angesetzte Partie gegen Bosnien-Herzegowina gibt es derzeit große Verwerfungen. Die Starspieler der nach St. Petersburg eingeladenen Gäste um den früheren Bundesliga-Profi Edin Dzeko haben ihre Weigerung angekündigt, in Bosnien werden innenpolitische Diskussionen geführt. Der ukrainische Fußball beobachtet die Entwicklung mit großer Sorge.
Ukraine fordert Boykott von Bosnien
"Dringend" forderten die großen Namen des ukrainischen Verbands um Andrij Schewtschenko und Oleh Blochin den bosnischen Trainerstab zum Boykott auf. "Wir kämpfen für die Zukunft der gesamten demokratischen, zivilisierten Welt, zu der auch Bosnien und Herzegowina gehört", steht in einem offenen Brief. Die Partie der Ukrainer in der WM-Qualifikation Mitte November 2021 in Zenica war die letzte vor der russischen Invasion.
In Russland ist die Empörung groß, dass überhaupt diskutiert wird. "Unter den aktuellen Bedingungen ist es schon ein Erfolg, gegen Kirgistan zu spielen", äußerte Karpin. Der Duma-Abgeordnete Dmitri Pirog von der Kremlpartei Geeintes Russland beklagte im Gespräch mit der Zeitung "Sport-Express" wieder "antirussische Gefühle". Soll der Verband doch Gegner aus Lateinamerika oder Afrika einladen. "Das Niveau solcher Mannschaften wie Chile, Kolumbien, Ecuador, Nigeria oder Kamerun steht Bosnien in nichts nach. Ich sehe keine Tragödie im Falle einer Absage des Spiels mit Bosnien."
UEFA kann Freundschaftsspiele nicht verbieten
Die UEFA teilte auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit, Freundschaftsspiele seien nicht Teil der UEFA-Wettbewerbe und fielen deshalb nicht in die Verantwortlichkeit des Verbandes. Das angedachte Bosnien-Spiel stehe "nicht im Widerspruch zu der Entscheidung des UEFA-Exekutivkomitees, russische Mannschaften von UEFA-Wettbewerben auszuschließen". Der RFS teilte am Dienstag noch vor der UEFA selbst mit, wegen der Sanktionen nicht an der Quali-Auslosung für die Endrunde 2024 am 9. Oktober in Frankfurt/Main teilzunehmen.
Vor vier Jahren hatten die Russen die WM als große Show für Präsident Wladimir Putin ausgerichtet, der vielfach den Sport und gerade den Fußball für sich instrumentalisierte. Das UEFA-Exekutivkomitee tagte am Dienstag auf der kroatischen Insel Hvar. Ob Russland in jedem Fall auch von der Endrunde in zwei Jahren ausgeschlossen ist, ließ der Verband offen. Zunächst ging es in der Mitteilung zur Sitzung nur um die Teilnahme "an der Auslosung des Qualifikationswettbewerbs", der im März 2023 beginnt.
Gazprom-Manager immer noch Teil des Exekutivkomitees
In der UEFA und der FIFA sind russische Teams zwar ausgeschlossen, der Verband als solcher ist aber nicht suspendiert. Im Exekutivkomitee, dem mächtigsten Gremium der UEFA, sitzt mit Alexander Dyukov immer noch ein Vertreter Russlands, der in seiner Rolle als Geschäftsführer der Gazprom-Tochter Gazprom Neft eine klare Verbindung zur politischen Elite des Landes hat.
Das ukrainische Exko-Mitglied Andrij Pawelko war beim UEFA-Kongress Mitte Mai in Wien in Schutzweste und nahe an einem Bombenkrater stehend nur per Video zugeschaltet. (dpa/nch)