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Russland ist weit und groß

Während des Kalten Krieges waren die USA und Russland die Atomnationen schlechthin. Eine nachhaltige Lösung für den Atommüll gibt es in beiden Staaten bis heute nicht. Die russische Regierung setzt vor allem auf die Weite des Landes, das in vielen Regionen kaum besiedelt ist.

Von Robert Baag |
    Für Sergej Mitrochin, den Vorsitzenden der sich sozial-liberal verstehenden außerparlamentarischen Oppositionspartei Jabloko, ist die Sache klar. Sein Protest und der Unmut russischer Umweltschützer richten sich an eine konkrete Adresse:

    "Leider interessiert sich die heutige russische Regierung nur für den kommerziellen Gewinn. In unserem Land wird bei all diesen Fragen permanent auf Kosten der Sicherheit gespart. Nur ein Beispiel: In anderen Ländern wird Atommüll unterirdisch, 15, 20 Meter tief, aufbewahrt. Bei uns aber liegt das Zeug unter freiem Himmel."

    Und dort rosten und rotten inzwischen viele Behälter vor sich hin, klagen Experten unter anderem von Eco-Defense oder Greenpeace/Russland. - Ein Befund, den Tobias Münchmeyer, stellvertretender Leiter der politischen Vertretung von Greenpeace Deutschland in Berlin, nur bestätigen kann:

    "Russland hat vor einigen Jahren ja die Tore weit geöffnet für Atommüll aus aller Welt!"

    Genaue, offiziell bestätigte Zahlen über die Mengen des im Land an verschiedenen Orten gelagerten Atommülls gibt es nicht. Sie werden als Betriebs-, als Staatsgeheimnis behandelt. Aber dass es sich inzwischen um eine beträchtliche Menge handeln muss, legt Münchmeyers Einschätzung nahe:

    "In Russland lagert Atommüll natürlich aus der russischen Atomindustrie, aus den russischen kommerziellen Reaktoren und natürlich auch aus abgewrackten U-Booten und Abfälle aus der militärischen Nutzung der Atomkraft, also sprich: Atombomben-Bau. Hinzu kommt Atommüll aus dem Ausland. Das ist zum großen Teil Atommüll aus Reaktoren aus den sozialistischen Bruderländern, aus dem ehemaligen Ostblock. Das heißt inzwischen eben: Ukraine als eigenständiges Land; das heißt: Bulgarien; das heißt: Ungarn, Tschechien, Slowakei und auch DDR."

    Das wiedervereinigte Deutschland ist als Rechtsnachfolgerin in diese Verträge eingestiegen. Vor gut zwei Monaten, Ende August, versammelten sich deshalb Jabloko-Vertreter und russische Umweltschützer vor der Deutschen Botschaft in Moskau, um eine Petition an die Bundeskanzlerin sowie an die Fachminister Brüderle und Röttgen zu überreichen. Ihr konkretes Anliegen: Sie wollen verhindern, dass künftig weiterhin deutscher Atommüll über Wasser oder Land hinter den Ural, zur berüchtigten Wiederaufbereitungsanlage Majak entsorgt wird. Jörg Kirsch von der Botschaftsabteilung für Wirtschaft und Technologie.

    "Es gibt also Gespräche zwischen RosAtom und der Landesregierung Sachsen, die den Transport finanzieren wird - zu Teilen. Und hier gibt es eine vertragliche Vereinbarung der russischen Seite, dass sie diese Sachen wieder zurücknehmen. Es ist ja Material, dass beim Rückbau des Forschungsreaktor Rossendorf entstanden ist, also zu DDR-Zeiten schon in die DDR verbracht wurde, wo es einen internationalen Vertrag gibt über die Rücknahme."

    Die Rechtslage sei das eine, meint die Jabloko-Politkerin Galina Michajlova. Und wie dieser Vertrag einst in den neunziger Jahren zustande gekommen sei, darüber könne man bestimmt trefflich philosophieren und spekulieren. Dies ändere aber nicht ...

    "... unsere Besorgnis, weil sehr viele Bedrohungen in Russland existieren: Terrorismus, Korruption und diese Waldbrände. Und wenn das übers Baltische Meer transportiert wird, besteht eine weitere Gefahr. Und nicht nur für Russland, sondern für ganz Europa."