Archiv


Russland will die erneuerbaren Energien ausbauen

Russland ist, nach China und den USA, die Nummer drei beim Ausstoss von Kohlendioxid - bezogen auf die Rangliste nach Ländern. Doch nicht nur mit Blick auf den Klimaschutz, sondern auch weil die Energiepreise spürbar steigen, beginnt nun auch Russland erneuerbare Energiequellen zu erschließen.

Von Annette Bräunlein |
    In der Maschinenhalle der Süßwarenfabrik im südrussischen Azow herrscht ohrenbetäubender Lärm. Vollautomatisch werden hier tonnenweise Sonnenblumenkerne geschält. Überall verlaufen metallglänzende Rohre, durch sie strömt Wasserdampf. Mit dessen Hilfe werden die Sonnenblumenkerne zu Müsliriegeln und Chalwa, eine Art türkischer Honig, verarbeitet. Stolz streicht Jewgenij Falkowskij über eines der Metallrohre. Er ist der Chefingenieur der Fabrik. Und verantwortlich dafür, dass die seit gut einem Jahr wesentlich umweltfreundlicher produziert.

    "Wir brauchen für unsere Produktion sehr viel Dampf. Früher haben wir den durch das Verbrennen von Gas erzeugt. Jetzt verbrennen wir stattdessen die Schalen der Sonnenblumenkerne, die wir früher weggeworfen haben."

    Gas braucht die Fabrik jetzt nicht mehr. Damit hat sie den Ausstoß an klimaschädlichem Kohlendioxid erheblich reduziert. Für die Süßwarenfirma war aber nicht nur die Ökologie ausschlaggebend:

    "Der erste Grund war der Umweltschutz, der zweite, dass wir gratis Energie bekommen. Als Geschäftsmann kann man nicht nur Geld in den Umweltschutz investieren, man muss auch an die Wirtschaftlichkeit denken."

    Genau das ist das Problem der erneuerbaren Energien in Russland. Umgerechnet fast drei Millionen Euro hat die Umrüstung der Fabrik gekostet. Die wenigsten Unternehmen können sich eine solche Investition leisten. Verbreitet sind in Russland daher vor allem günstige Solarthermiesysteme. Alle anderen erneuerbaren Energien wie etwa Wind oder Fotovoltaik werden bislang nur sehr wenig genutzt. Mit den Gründen hierfür beschäftigt sich Adolf Tschernjawskij, wissenschaftlicher Leiter am südrussischen Forschungsinsitut "Teploenergoproekt".

    "Das Hauptproblem bei der Nutzung von erneuerbaren Energien in Russland ist heute, dass es keinerlei staatliche Unterstützung dafür gibt. Aber die ist nötig, damit sich diese neuen Technologien entwickeln können, damit sie profitabel werden."

    Doch hier soll sich nun Entscheidendes ändern: Bis Ende des Jahres will die Duma ein Gesetz verabschieden, das unter anderem Einspeisevergütungen festlegt. Zwar gibt es derartige Gesetze schon, aber umgesetzt wurden sie nicht. Jetzt gibt es neue Hoffnung, denn Ministerpräsident Wladimir Putin höchstpersönlich hat das Thema auf die Agenda gesetzt: Bis 2020 will er den Anteil der Erneuerbaren an der Energiebilanz von derzeit knapp einem auf 4,5 Prozent steigern. Zum Vergleich: Deutschland will im selben Zeitraum von knapp 10 auf 18 Prozent kommen. Dabei hat Russland wegen seiner geografischen Vielfalt ein enormes Potenzial. Forscher Adolf Tschernjawskij:

    "Im Norden, in der Nähe des Nordmeers, kann man den Wind gut nutzen. Auch im Fernen Osten, in Wladiwostok und Sachalin, ist der Wind gut. Die Region dort ist auch für die Solarenergie geeignet. Vor allem lässt sich die Sonne aber im Süden sehr gut nutzen."

    Schon heute nimmt der Süden Russlands eine Vorreiterrolle ein. Doch auch hier ist das Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft. Vom neuen Gesetz verspricht sich die Branche endlich einen enormen Schub nach vorn. Tschernjawskij spürt bereits jetzt die ersten Anzeichen. Denn sein Institut bietet neben Forschung auch Planung und Inbetriebnahme von Projekten an.

    "Jetzt fangen alle bis hin zu staatlichen Stellen an, sich sehr für erneuerbare Energien zu interessieren. Hatten wir früher in diesem Bereich überhaupt keine Aufträge, so waren es in diesem Jahr bereits einige wenige. Für das nächste Jahr aber rechnen wir mit sehr vielen Aufträgen für erneuerbare Energien."

    Das bringt auch neues Geld für die Forschung. Das Institut arbeitet gerade daran, die Verwertung von Bioabfällen noch effektiver zu machen. An einer solchen Weiterentwicklung hat auch die Azower Süßwarenfabrik großes Interesse.