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Russlands Wirtschaft braucht dringend Reformen

Obwohl Russland kurz vor der Wahl wirtschaftlich gesehen gar nicht so schlecht dasteht, sind Reformen dringend notwendig. Die Abhängigkeit von Rohstoffexporten muss verringert werden und die Korruption bekämpfen werden. Genau diese Reformen aber hat Putin verhindert, der wohl auch am Sonntag wieder gewählt wird.

Von Gesine Dornblüth | 02.03.2012
    Aleksej Schitschkow hat eine Geschäftsidee. Er hat ein paar Monate in den USA verbracht und dort Waschsalons gesehen. So etwas gibt es in Moskau noch nicht, jedenfalls nicht in großem Stil. Diese Lücke möchte der 30jährige füllen und eine Kette mit Waschsalons in den Moskauer Studentenwohnheimen aufmachen. Im Erdgeschoss, mit separatem Zugang, sodass auch die Bewohner aus der Umgebung dort ihre Wäsche waschen können. 24 Läden sollen es in Moskau werden. Partner und Investoren hat er schon, das Konzept steht, aber es gibt ein Problem: Keine einzige Universität ist bereit, Aleksej die Räume zu vermieten. Dabei stehen viele leer.

    "Die Beamten haben einfach keine Lust zu arbeiten. Und das ist in allen Universitäten so. Selbst wenn der Rektor meine Idee gut findet, spielen die Beamten in der Verwaltung nicht mit. Denn sie müssten arbeiten, Genehmigungen besorgen, eine Ausschreibung machen. Das ist Arbeit. Und sie sehen keinen persönlichen Vorteil."

    Aleksej Schitschkow hat sich über die vielen Absagen so geärgert, dass er im Dezember, nach dem umstrittenen Wahlsieg von "Einiges Russland" bei der Parlamentswahl, auf die Straße ging. Denn die meisten Beamten sind Mitglied in der Regierungspartei.

    "Ein Geschäft zu betreiben, ist in Russland manchmal höllisch schwer. Ich bin überzeugt, dass alle Gewerbeimmobilien im Zentrum von Moskau mithilfe von Bestechungsgeldern angemietet wurden."

    Viele Moskauer Kleinunternehmer und Geschäftsleute wenden sich derzeit von Putin ab, protestieren gegen die Regierung und für faire Wahlen. Sie klagen über Korruption und darüber, dass sie unter Druck gesetzt werden, sobald ihr Geschäft eine gewisse Größe erreicht hat.

    Dmitrij Porotschkin hat andere Erfahrungen gemacht. Er besitzt mit 28 Jahren bereits ein IT-Unternehmen, ein Bauunternehmen und eine Personalagentur. Insgesamt beschäftigt er rund 150 Mitarbeiter.

    "In Moskau ist es viel einfacher, ein Geschäft aufzumachen als in vielen anderen Ländern. Ich sehe auch keine großen bürokratischen Hindernisse."

    Porotschkin hat vor fünf Jahren einen Club von Jungunternehmern gegründet. Mittlerweile hat die Organisation etwa tausend Mitglieder, alle sind unter 35 Jahren. Das Büro ist gerade in weitläufige Räume im Luschniki-Stadion im Moskauer Stadtzentrum gezogen, just dorthin, wo vor einer Woche Wladimir Putin vor 130.000 Anhängern auftrat. So ein Büro bekommt man in Russland nicht einfach so. Sie hätten viele Freunde bei "Einiges Russland", sagt Porotschkin. Ihr Club sei aber überparteilich.

    "Mir gefällt die Politik nicht, die Putin gemacht hat, und vielen anderen Bewohnern dieses Landes auch nicht. Er hat schön geredet, aber in der Praxis war davon nicht viel übrig. Aber zurzeit gibt es keine Alternative zu Putin. Die Weltlage ist instabil. Alle reden von der Krise. Niemand weiß, was mit Griechenland wird, was mit dem Iran. Das wird sich auch auf Russland auswirken. Und da braucht unser Land einen starken Mann, den sie im Westen schätzen und fürchten und mit dem sie auf Augenhöhe reden. Deshalb werde ich Putin wählen."

    Auch Wladislaw Korotschkin unterstützt Putin. Er ist der stellvertretende Leiter von Opora, der russlandweiten Vereinigung der Mittleren- und Kleinunternehmer. Korotschkin hat selbst mal klein angefangen, 1991 war das. Er verkaufte Saatgut an Kleingärtner. Mittlerweile erstreckt sich sein Vertriebsnetz über ganz Russland, er beschäftigt etwa tausend Angestellte. Gerade ist Korotschkin 5000 Kilometer von Moskau entfernt auf einem Asien-Pazifik-Kongress der Saatzüchter.

    "Ich denke, Wladimir Putin versteht zurzeit besser als alle anderen, wie wichtig es ist, das Kleinunternehmertum zu stärken. Wir müssen vom Staatskapitalismus mit seinen Staatsmonopolen und seinen wenigen Großunternehmen zu einer Ökonomie der Kleinbetriebe übergehen. Das gegen den Widerstand der dominierenden Großunternehmen durchzusetzen, das kann nur ein politisches Schwergewicht."

    Aleksej Schitschkow, der Mann mit den Waschsalons, findet diese Argumente absurd. Er glaubt nicht, dass Putin sich für eine Liberalisierung der Wirtschaft einsetzen wird.

    "Warum soll ich jemanden wieder wählen, der schon in der Vergangenheit nur Rückschritte getan hat?"