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Rutschende Berghänge

Geophysik. - Am Vulkan Ätna kann man es zurzeit wieder beobachten: Selbst Berge, die von Anwohnern als ''gutmütige Riesen'' bezeichnet werden, können sich in kurzer Zeit zur Gefahr entwickeln. Einen Vulkanausbruch oder einen Erdrutsch kann man schlecht verhindern, umso wichtiger ist deshalb ein funktionierendes Frühwarnsystem. Im italienischen Ispra arbeiten Forscher an einer Variante der Radarinterferometrie, mit der sich vom Boden aus gefährliche Bewegungen am Berg feststellen lassen.

    Die Radarinterferometrie wird bislang typischerweise von Satelliten oder Flugzeugen aus eingesetzt, um zum Beispiel Geländehöhen zu bestimmen. Beim SAR etwa, dem Synthetic Aperture Radar, bestrahlt die Radarantenne die Erdoberfläche mit elektromagnetischen Pulsen und fängt deren Reflektionen wieder auf. Das bodengestützte SAR, das von der Gemeinsamen Forschungsstelle der EU-Kommission in Ispra entwickelt wird, arbeitet im Prinzip genauso, hat aber eine Reihe von Vorteilen, erklärt Mario Tarchi von der Abteilung Humanitäre Sicherheit: "Unser Ansatz ergänzt den aus dem Erdorbit. Die Satellitendaten haben Beschränkungen zum einen in der zeitlichen Auflösung: Normalerweise bekommen wir nur alle 35 Tage eine Radarbeobachtung aus dem All." Bei kurzfristigen Phänomenen wie einem Vulkanausbruch kann das zu spät sein. Außerdem können Satelliten nur Abstände bis zu 20 Metern räumlich auflösen - ein kleiner Erdrutsch entginge ihnen. "Zudem schaut der Satellit immer aus einem festen Winkel auf die Landschaft und kann dabei manche Dinge übersehen", so Tarchi weiter.

    Als im vergangenen Jahr der Ätna ausbrach, zog das Nationale Institut für Vulkanologie und Geophysik Italiens die Forscher aus Ispra hinzu, um einen wichtigen Bereich in Gipfelnähe zu untersuchen. Mit dem Flugzeug wäre das zu gefährlich gewesen, also kam das Boden-SAR zum Einsatz. "Wir bewegen unseren Radarsensor entlang einer bis zu fünf Meter langen Schiene", erläutert Tarchi, "und bekommen so eine hohe räumliche Auflösung. Während aber ein Satellit riesige Areale abdeckt, schaffen wir höchstens ein paar Quadratkilometer." Wie Autos im Stau bewegt sich der Sensor nur schrittweise: Er läuft die Schiene entlang, hält an bestimmten Punkten an, misst die Reflektion und fährt ein Stück weiter. Die entstandenen Bilder werden verglichen, um mögliche räumliche Veränderungen aufzuspüren. So lassen sich Bewegungen von einem Millimeter feststellen - und das nicht nur punktuell, wie bei den traditionellen Feldmethoden der Geologen, sondern kontinuierlich über größere Flächen hinweg.

    [Quelle: Dagmar Röhrlich]