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RWTH Aachen plant größten Wissenschaftscampus Europas

Nicht selten sehen sich Hochschulen mit dem Vorwurf konfrontiert, in einem Elfenbeinturm zu forschen. Die RWTH Aachen ist allerdings eine Hochschule, die auch bislang schon viele Industriekooperationen ins Leben gerufen hat. Doch nun will sie auch die räumliche Trennung zwischen Forschung und Praxis aufheben. Ein neuer Wissenschaftscampus soll Konzerne und Forschungseinrichtungen stärker miteinander vereinen.

Von Britta Mersch |
    "Wir befinden uns auf dem simulierten Anflug auf den RWTH-Campus Teil Westbahnhof."

    Zügig fährt die Kamera über das Modell des neuen Wissenschaftscampus. Günther Schuh, Professor für Produktionssystematik an der RWTH Aachen hat eine Vision: Er will an seiner Hochschule den größten Wissenschaftscampus Europas erschaffen.

    "Wir kommen dann erst mal an einen Science Tower, wo auch internationale Studierende und Studenten untergebracht werden sollten. Daneben eine große Kongresshalle, eine gläserne Bibliothek. Hier sehen wir jetzt im Überflug einen alten Lokschuppen mit einem schönen Drehkreuz, der unter Denkmalschutz steht. Der besonders geeignet ist für hochwertige Weiterbildungsveranstaltungen."

    Hochwertig, luxuriös, üppig: Die Pläne von Günther Schuh sind ambitioniert. Auf einer Fläche von über 200.000 Quadratmetern soll auf dem Gelände der RWTH Aachen ein neues Wissenschaftszentrum mit dem Schwerpunkt Technologie entstehen. Das Besondere: Industrie und Hochschule sollen sich hier gleichermaßen ansiedeln und neue Kooperationen bilden.

    "Für die Industrie ist das mit Abstand der günstigste Weg, Kernkompetenzen in neuen Themen, in neuen Technologien aufzubauen. Wir müssen uns also nicht erst beweisen, ob die Industrie ein solches Angebot annehmen würde. Sie macht das schon in zig Millionen Euro Dimensionen mit uns pro Jahr. Wir könnten aber noch enger an die Firmen heranrücken."

    An der Hochschule stößt das Konzept auf Begeisterung. Viele könnten von dem Konzept profitieren - natürlich auch die Studenten, sagt Heinz-Herbert Kaußen, der stellvertretende Kanzler der RWTH Aachen.

    "Das heißt, die jungen Leute, die in den Instituten arbeiten, sei es als Hilftskräfte, als studentische, als wissenschaftliche Hilfskräfte oder auch als Doktoranden, die werden sicherlich auch sehr früh in Kontakt treten und da werden sich sehr viele Chancen für die Leute in Form von Arbeitsplätzen geben. (...) Das wird sicherlich zehn, fünfzehn Jahre brauchen, bis es endgültig durchgesetzt ist, aber wir sind sehr hoffnungsvoll, dass wir bald anfangen können."

    Bis 2015 soll der erste Teil des neuen Wissenschaftscampus stehen. Verschiedene Institute der Hochschule wurden bereits aufgefordert, entsprechende Konzepte auszuarbeiten. Hierbei geht es um so genannte Kompetenz-Cluster, in die auch Industrieunternehmen integriert werden sollen. Günther Schuh:

    "Es sind 18 Anträge am Start. Die haben alle ihre Zielpartner definiert und die werden nun etwas von uns angegangen ob ihres Bedarfes. Das Ziel ist, Interessensbekundungen, so genannte Letter of Intents einzusammeln und wenn wir für eine hinreichende Zahl von Clustern, das heißt für den ersten Bauabschnitt in Seffent/Melaten mindestens für sechs Cluster mindestens 40 Prozent der vorgesehenen Fläche über Letters of Intents verkaufen können oder vermieten können, dann wird diese Etappe des Campus zustande kommen in dieser Form."

    2009 soll das Bauvorhaben zunächst in Melaten starten, in unmittelbarer Nähe der Hochschule. Um eine möglichst hochwertige Bebauung des Areals zu gewährleisten, wurde ein zweiter Wettbewerb unter international führenden Architektenbüros ausgeschrieben, {sagt Gabriele Golubowitsch, Dezernentin für Bau- und Betriebstechnik.

    "Wir haben eine Idee vorgeschlagen, wie wir uns diese unterschiedlichen Clusterlösungen vorstellen können, weil die alle sehr unterschiedlich sein werden, weil natürlich die unterschiedlichen Forschungsbereiche auch sehr unterschiedliche Vorstellungen an die bauliche Struktur haben werden. Es wird in dem einen Falle mehr Laborflächen geben müssen und in dem anderen Fall mehr Zonen geben müssen, wo es um Kommunikation und internen fachlichen Austausch gehen wird."

    Zwischen 800 Millionen und 1,2 Milliarden Euro wird das Projekt in der ersten Phase kosten, schätzt die Hochschule. Die Mittel sollen zum größten Teil von den Unternehmen kommen, die sich auf dem neuen Campus ansiedeln - allerdings müssen die noch akquiriert werden. Nur etwa zehn bis fünfzehn Prozent sollen aus öffentlichen Mitteln kommen. Der stellvertretende Kanzler Heinz-Herbert Kaußen ist zuversichtlich, dass das Vorhaben funktioniert.

    "Irgendwo 2015 möchte ich eine nennenswerte Anzahl von Institutionen, Instituten wie auch Industriefirmen sehen, aber dann auch weiter mit einem Entwicklungspotenzial. Wenn man da auf einen Schlag zehn solcher Einrichtungen etablieren würde, wäre das auch ein gewisses Problem. Aber ich denke, 2015 müsste das wirklich ganz deutlich zu erkennen sein."