Sechs Jahre Arbeit – ein Jahr Auszeit. An diesem Ratschlag aus dem 3. Buch Mose orientieren sich heute zunehmend mehr Beschäftigte großer Unternehmen.
Ich habe von August 97 bis Juli 98 ein Jahr lang das genommen, was wir bei HP "Sabbatical" nennen. Das Sabbatical ist ein Freizeitjahr, das man für Urlaub, für Weiterbildung, für den schwäbischen Hausbau benutzen kann. Ich habe die Zeit genutzt, um mit meiner Frau ein Jahr Urlaub zu machen und einfach mal mit der Sonne um die Welt zu reisen. Sprich, gestartet sind wir im August in Kanada und haben uns dann dem Sonnenstand folgend nach Süden durchgekämpft und haben dann ein halbes Jahr zum Schluss in Australien verbracht.
Uwe Raissle arbeitet als Projektmanager im schwäbischen Böblingen bei Hewlett Packard, kurz HP. Die Firma sieht sich als "Mutter aller Arbeitszeitmodelle". Zu diesen Modellen gehört auch das Sabbatjahr, das der kinderlose 42-Jährige nutzen konnte, um mit seiner ebenfalls bei HP beschäftigten Ehefrau auf Weltreise zu gehen.
Anders nutzte Barbara Massion einen Sabbatical-Vertrag mit ihrer Firma:
Ich bin den Jakobsweg gegangen - also im Mittelalter sind die Pilger aus ganz Europa nach Santiago de Compostela zum Grab des Apostels Jakobus gepilgert und genau das wollte ich auch machen. Also gelaufen bin ich 2639 Kilometer im Durchschnitt bin ich 20,5 Kilometer am Tag gegangen, das heißt ich bin hier in München von meiner Wohnung weggegangen, Tür zugeschlossen und bin losmarschiert in Richtung Santiago de Compostela.
Die Pilgerin Barbara Massion ist Produktmanagerin im Bereich "Intelligente Dienstleistungen" bei Siemens. Der Pilgergang zum spanischen Apostelgrab war für die allein stehende 43-Jährige ein langjähriger Herzenswunsch.
Barbara Massion und das Ehepaar Raissle sind sicher noch Ausstiegs-Pioniere, Einzelfälle sind sie allerdings schon längst nicht mehr. Denn das Interesse am "Ausstieg auf Zeit" ist groß, stellt Gabi Schilling fest, Arbeitszeit-Expertin am Gelsenkirchener Institut für Arbeit und Technik:
Wenn man die Beschäftigten fragt: "Würdet ihr gerne eine Auszeit nehmen?", dann ist da schon ein recht großes Interesse. Nach einer internationalen Untersuchung haben in Deutschland über die Hälfte, 53 Prozent der Deutschen gesagt: "Wir würden das gerne machen." Eingeschränkt, wenn sie sich überlegt haben, wie sähe das jetzt in meiner konkreten Situation aus, dann waren es dann nur noch weniger, nämlich ein Drittel.
Ein sozial abgesicherter Ausstieg auf Zeit wird durch ein so genanntes Langzeitkonto oder Lebensarbeitszeitkonto möglich. Statt Geld können die Beschäftigen hier Arbeitszeit ansparen und später geballt entnehmen - etwa für eine längere Auszeit oder auch für eine längere Teilzeitphase. Denkbar ist etwa: 30 Monate arbeitet man "voll", bekommt jedoch nur 5/6 des Arbeitsentgelts ausgezahlt. Man verzichtet zunächst also auf Gehalt. So spart man für die kommenden sechs Monate an, in denen man das Zeit-Guthaben bei unverändertem Gehalt abfeiert. Nach diesem Konzept funktioniert das Modell von Siemens.
Das Sabbatical besteht bei uns im Grunde genommen aus einer beziehungsweise mehreren Arbeits- und Freizeitphasen, die der Mitarbeiter und die Führungskraft miteinander vereinbaren. Das Sabbatical kann bei uns maximal über drei Jahre vereinbart werden, und in diesen drei Jahren kann der Mitarbeiter insgesamt sechs Monate Freizeit nehmen. In Abhängigkeit davon, wie lange Freizeitblocks und der Vertragszeitraum sind, bekommt der Mitarbeiter ein gleichbleibendes reduziertes Einkommen, das heißt, der Mitarbeiter muss nicht Stunden ansammeln, um irgendwann einmal frei machen zu können, sondern er reduziert sein Einkommen entsprechend nach unten.
So Heiko Brockbarthold, der in der Personalabteilung von Siemens für Arbeitszeiten verantwortlich ist. Das Siemens-Konzept basiert auf Freiwilligkeit. Niemand muss sich hier am Ansparen von Arbeitszeit beteiligen. Da das Modell mit direktem Gehaltsverzicht verbunden ist, wird es – wie die meisten Sabbatical-Modelle – fast nur von hochqualifizierten und gut bezahlten Arbeitskräften genutzt. Derzeit haben nur rund 250 der insgesamt über 100 000 Mitarbeiter einen Sabbatical-Vertrag mit dem Unternehmen abgeschlossen.
Anders funktioniert das Modell von HP. Hier gehört das Ansparen von Arbeitszeit mit dazu – und zwar für alle Mitarbeiter, erklärt HP-Pressesprecherin Claudia Martens.
Wir haben ein bestimmtes Arbeitszeitmodell, das besagt, dass wir 40 Stunden in der Woche arbeiten, aber nur eine 38-Stunden-Woche haben, somit spart jeder Mitarbeiter in der Woche 2 Arbeitsstunden an. Im Monat ist es dann normalerweise ein ganzer Tag, ein achtstündiger Arbeitstag, und somit haben wir am Ende des Jahres 12 Arbeitstage oder Urlaubstage mehr und die kommen drauf auf die 30 Tage Urlaub, die man sowieso bekommt. Und somit habe ich 42 Tage Urlaub im Jahr, die nimmt aber natürlich fast keiner, somit spar ich die Zeit, die übrig bleibt, ins nächste Jahr mit rein, weil ich kann die Zeit nicht nur über drei Monate mit rüber nehmen, sondern ich kann sie ansparen auf Jahre.
Um sie dann irgendwann einmal zu entnehmen – in Absprache mit Führungskräften und nach einer längeren so genannten Ankündigungsfrist: Mindestens neun Monate vor einem geplanten Ausstieg oder Teilausstieg müssen die Mitarbeiter ihre Pläne ankündigen. Was die Firmen mit diesen noch relativ neuen Arbeitszeit-Modellen bezwecken, erklärt Heiko Brockbarthold von Siemens so:
Beim Sabbatical geht es ausschließlich darum, den Mitarbeitern lange Freizeitblöcke zu ermöglichen für private Bedürfnisse. Es hat nicht den Hintergrund, Beschäftigungssicherung zu betreiben oder neue Arbeitsplätze zu schaffen. Wir versuchen hier, für unsere Mitarbeiter attraktive Beschäftigungsbedingungen zu schaffen. Und das heißt für uns nicht nur, dass wir den Mitarbeitern attraktives Gehalt bieten können, sondern das Arbeitsumfeld muss stimmen. Der Mitarbeiter muss die Möglichkeit haben, seine privaten Bedürfnisse, die er hat, das ist auch das Zeitbedürfnis, mit seinen beruflichen Ambitionen besser in Einklang zu bringen, denn wir sehen schon, wenn wir solche attraktiven Beschäftigungsbedingungen nicht anbieten, dann kommen die Mitarbeiter nicht zu uns in die Firma, dann gehen die zu Daimler, dann gehen die zu anderen Firmen hin, dann gehen die zu Bosch, die kommen aber nicht zu Siemens.
Und die Mitarbeiter bleiben einer Firma nicht nur verbunden, sie kommen nach dem Sabbatical auch mit neuer Kraft zurück ins Unternehmen.
Die Vorteile des Sabbaticals für uns sind ja offensichtlich: Der Mitarbeiter nimmt für vier, fünf oder sechs Monate eine Auszeit, bildet sich möglicherweise weiter, gewinnt neue Eindrücke, häufig gehen die Mitarbeiter ins Ausland, nutzen das für ein Sprachstudium an der Stelle. Das heißt: Der Mitarbeiter bringt neue Ideen ins Unternehmen ein, wird eventuell kreativer an der Stelle, ist auch sehr viel motivierter als vorher, weil er eben einfach diesen Abstand zum Unternehmen genossen hat, weil er über den Tellerrand schauen konnte.
Ganz ähnlich sehen es die Aussteiger auf Zeit, noch dazu sorgt die soziale Absicherung für die nötige Gelassenheit, das Erlebnis Sabbatical auch zu genießen:
Ich kann es wirklich nur empfehlen, also von der Arbeit her war es kein Problem und ich denke ich bin um einiges motivierter wieder zurück gekommen, als ich vielleicht weggegangen bin und auf jeden Fall hat es mir persönlich unheimlich viel gebracht, gerade auch dadurch, was ich gemacht habe, es hat mir eine ganze Reihe von Anregungen gegeben, hat sicherlich auch Lebenseinstellungen verändert. Also es hat einfach gut getan, einfach mal über den Zaun zu gucken und sich mal mit anderen Dingen zu beschäftigen als man es im normalen Alltag tut.
Wir waren in dieser Zeit weiterhin arbeitslosenversichert, rentenversichert, krankenversichert, haben im Prinzip einen ähnlichen Status gehabt wie in einem dreiwöchigen Mallorca-Urlaub, nur waren es bei uns 12 Monate, die wir an verschiedenen Plätzen auf der Welt verbracht haben.
Sozialversicherungsrechtlich abgesichert ist eine angesparte Auszeit durch das so genannte Flexi-Gesetz von 1998. Grundsätzlich gilt danach: Das sozialversicherte Beschäftigungsverhältnis bleibt auch in der Freistellungsphase erhalten - und damit auch der Schutz der Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung.
Zwei Voraussetzungen müssen dabei vor allem beachtet werden: Im Sabbatjahr muss weiterhin Arbeitsentgelt fließen. Abschläge bis zu 30 Prozent sind aber erlaubt. Weiterhin muss das Arbeitsentgelt in der arbeitsfreien Zeit durch Mehrarbeit oder Gehaltsverzicht vorher "angespart" worden sein oder nachher abgearbeitet werden.
Mit dem Flexi-Gesetz wurden die Bedingungen, um Sabbatical-Modelle einzurichten, wesentlich verbessert. Dennoch werden solche Auszeiten bislang nur in relativ wenigen Firmen angeboten: Nach einer Untersuchung aus dem Jahr 2000 nur in jedem 20. Großbetrieb und in Kleinbetrieben fast überhaupt nicht. Dabei gibt es in vielen Firmen Konten zum Ansparen von Arbeitszeit. Gabi Schilling vom Institut für Arbeit und Technik:
Mittlerweile haben zwei Fünftel aller Beschäftigten solche Arbeitszeitkonten, immerhin 40 Prozent jetzt. Aber diese Konten sind meistens eher diese Kurzzeitkonten. Also, da ist die maximale Ansparsumme um die 30 Stunden im Durchschnitt oder auch ein bisschen mehr, aber damit kann man keine Langzeiturlaube oder Sonstiges realisieren. Diese Konten müssen übrigens auch in der Regel innerhalb eines Jahres ausgeglichen sein. Sie sind dazu da, bestimmte Schwankungen aufzufangen im Arbeitsanfall oder saisonale Schwankungen. Und Langzeitkonten, dazu bedarf es ja zunächst bestimmter Ergänzungstarifverträge, um überhaupt diesen Ausgleichszeitraum, der meist bei einem Jahr liegt, noch weiter auszudehnen.
Doch solche ergänzenden Flächentarifverträge zu Langzeitkonten sind bislang rar. Ein erfolgreiches Beispiel stammt aus dem privaten Bankgewerbe. Hier haben die Gewerkschaft Ver.di und der Arbeitgeberverband des privaten Bankgewerbes im letzten Jahr einen Tarifvertrag geschlossen, der den Geldinstituten und ihren Betriebsräten Betriebsvereinbarungen über Langzeitkonten ermöglicht. Inzwischen kann jeder dritte Bank-Mitarbeiter auf Langzeitkonten ansparen, für ein weiteres Drittel laufen derzeit noch Verhandlungen.
Umgesetzt hat den Tarifvertrag beispielsweise die Deutsche Bank. Zeit-Invest nennt sich hier das Modell. Die Frankfurter Bänker haben sich dabei etwas Besonderes einfallen lassen: Auf dem Lebensarbeitszeitkonto wird keine Zeit, sondern Geld gutgeschrieben. Wer beispielsweise 5000 Euro brutto verdient und sich nur 4000 Euro auszahlen lässt, bekommt 1000 Euro gutgeschrieben statt - wie üblich – ein Fünftel seiner Arbeitszeit. Gabriele Buchs, die bei der Großbank als Verantwortliche für "Compensation and Benefits" firmiert, erklärt, wie das Ganze funktioniert.
Wir sagen: Unsere Währung ist Geld, also sprich jetzt: Euro. Und es können eingestellt werden sehr viele Leistungen, die ursprünglich Geld sind, angefangen von Teilen des Grundgehalts über Teile des Bonus, über Einmalzahlungen, die man aus besonderen Anlässen bekommt, Jubiläumszahlungen, Zahlungen, die man für Verbesserungsvorschläge bekommt, da kann man sagen: Die will man nicht als Barauszahlung, die dann auch sofort zu versteuern ist, sondern wir stellen sie brutto - so wie sie gewährt werden - in das Lebensarbeitszeitkonto, das bei uns DB-Zeitinvest-Konto heißt, ein.
Das angesparte Geld wird durch einen Treuhänder insolvenzsicher angelegt, die Mitarbeiter können dabei zwischen vier verschiedenen Anlagestrategien wählen – vom absolut sicheren Geldmarktfond bis hin zum Aktienfond mit Standardwerten. Wenn Bank-Beschäftigte - wiederum nach einer angemessenen Ankündigungsfrist - erklären, dass sie eine Auszeit nehmen möchten, wird Kassensturz gemacht. Der individuelle Kontostand entscheidet dann darüber, wie viel Freizeit die Sparer sich leisten können.
Bislang beteiligen sich 30 Prozent der Mitarbeiter der Deutschen Bank am Zeit-Invest-Sparen, das sich vor allem an zwei Zielgruppen richtet. An "Junge Talente" und an ältere Mitarbeiter vor der Pensionierung.
Die Erkenntnis aus den Rekrutierungsprozessen war, dass gerade die Jüngeren talentierten Mitarbeiter, die auch Angebote bei allen unseren Wettbewerbern und auch anderen Unternehmen bekommen, dass die sich keine Lebensarbeitszeitgestaltung vorstellen, derart, dass sie 40 Jahre zur Deutschen Bank von morgens um 8 bis nachmittags um 17 Uhr. Und für diese Mitarbeiter wollten wir eine attraktive Lösung, die uns auch von anderen unterscheidet, anbieten. Das ist die eine Zielgruppe. Die andere Zielgruppe sind sicherlich auch die älteren Mitarbeiter, die ihren Ausstieg aus dem Arbeitsleben für sich optimal planen wollen.
Vorwiegend auf ältere Mitarbeiter zielt auch der zweite Flächentarifvertrag, der das Führen von Langzeitkonten ermöglichen will: Der Rahmentarifvertrag für die Arbeiter und Angestellten in der Eisen- und Stahlindustrie, den die IG Metall und der Arbeitgeberverband Stahl im Dezember 2000 abgeschlossen haben. Robert Sadowski von der Bezirksleitung NRW der IG Metall hatte damals noch hohe Erwartungen: Ältere Stahl-Arbeiter sollten so Arbeitszeit ansparen können für ein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Job.
Weil gerade in der Stahlindustrie mit vielen Beschäftigten, die Conti arbeiten, also rund um die Uhr, also sonntags und feiertags, ist ein Arbeitsleben bis 65 kaum vorstellbar, insbesondere wenn das noch mit zusätzlichen schweren körperlichen Belastungen verbunden ist.
Die Bilanz, die der Metaller anderthalb Jahre nach Vertragsschluss zieht, ist allerdings ernüchternd: Bislang ist der Tarifvertrag noch in keinem einzigen Betrieb umgesetzt worden.
Das hängt damit zusammen, dass das Arbeitsamt vor Einführung von Kurzarbeit jedes Mal verlangt, dass eventuell bestehende Langfristkonten geräumt werden. Und damit können die Langfristkonten nicht mehr dem ursprünglich geplanten Zweck zugeführt werden. Und wenn jemand Zeiten anspart und der Sinn seiner Lebensplanung ist, früher aufhören zu können über Langfristkonten, und der dann feststellt, das ganze dient nur dazu, Auslastungsschwankungen des Unternehmens auszugleichen, dann sagt der "Vielen Dank, kein Interesse an diesen Langfristkonten." Und auch den Firmen geht das genau so.
Zumindest in Branchen, in denen Kurzarbeit zum gängigen Inventar der Personalpolitik gehört, ist damit bei der Einrichtung und Nutzung von Langzeitkonten Vorsicht geboten. Doch es gibt noch weitere Probleme bei Langzeitkonten. Sie können allerdings überwiegend durch passende betriebliche Regelungen aus dem Weg geräumt werden. Axel Hoß, Kölner Anwalt für Arbeitsrecht:
Das Hauptproblem, was sich halt stellt in solchen Fällen, ist die Insolvenz, wenn das Unternehmen irgendwann nicht mehr zahlungsfähig ist, ich also gar keinen Arbeitgeber mehr habe, bei dem ich ausscheiden kann, verliere ich damit auch meine Freizeitansprüche. Denn die sind natürlich nicht insolvenzgeschützt. Ich muss also, wenn ich nicht bei einem Unternehmen bin, wo ich das ausschließen kann – Frage ist, ob es das überhaupt gibt, ein solches Unternehmen – eine Absicherung schaffen.
Bei großen Unternehmen wie der Deutschen Bank - ähnlich auch bei Siemens und Hewlett Packard - gibt es in der Regel Treuhandmodelle zur Sicherung der Arbeitszeitkonten. Wer in diesen Firmen Arbeitszeit anspart, geht deshalb kein Risiko ein. Allerdings: Gesetzlich vorgeschrieben ist der Insolvenzschutz nur für größere Arbeitszeitguthaben im Wert von mehr als 7000 Euro, in den neuen Bundesländern ab knapp 6000 Euro. Hinzu kommt: Sanktionen drohen den Firmen nicht, wenn sie darauf verzichten, die Guthaben für den Pleite-Fall zu schützen - auch nicht bei höheren Kontoständen.
Das ist der weitere Punkt, dass der Gesetzgeber hier eine Regelung getroffen hat, ohne selber zu sagen, was passiert, wenn es nicht gemacht ist. Da es keiner kontrollieren kann, ist am Ende der Arbeitnehmer, wenn er nicht darauf geachtet hat, der Dumme.
Pech kann auch der Aussteiger haben, der in seinem Sabbatical längere Zeit krank wird. Die angesparte Arbeitszeit wird nämlich auch bei Krankheit meist weiter aufgebraucht. Denn in der Regel besteht während der Auszeit kein Anspruch auf Lohnfortzahlung. Man kann allerdings etwas Anderes vereinbaren - einzelvertraglich, in Betriebsvereinbarungen oder in Tarifverträgen. Der bis Mitte 2006 befristet geltende Tarifvertrag über Langzeitkonten zwischen ver.di und dem privaten Bankgewerbe sieht beispielsweise folgende Regelung vor:
Für den Zeitraum einer ärztlich attestierten Erkrankung wird die Freistellung längstens für die Dauer der gesetzlichen Entgeltfortzahlungsfrist, für sechs Wochen also, unterbrochen und das Guthaben des Langzeitkontos insoweit nicht belastet. In dieser Zeit wird das Entgelt weiter gezahlt.
Die gesetzliche Absicherung von Langzeitkonten und Sabbaticals hat also noch Lücken und etliche betriebliche Modelle sind noch in der Erprobungsphase. Dennoch hat das Modell "Sabbatical" Zukunft, wie nicht nur Heiko Brockbarthold von Siemens meint:
Man braucht Pioniere, sie müssen "Best-practice-Beispiele" schaffen im Grunde genommen, versuchen Probleme zu beseitigen. Man sieht an der Entwicklung sowohl bei uns im Unternehmen als auch bei vielen anderen Unternehmen, dass sich dieses Modell durchsetzt wie viele andere Modelle auch. Und ich denke, in fünf Jahren oder in zehn Jahren spricht kein Mensch mehr darüber, ob das sinnhaft ist oder nicht. In den 80er Jahren haben die Firmen damit angefangen, irgendwelche Gleitzeitregelungen einzuführen, früher mussten Sie um sechs Uhr anfangen oder um acht Uhr punktgenau anfangen, dann hat man mit Gleitzeit angefangen, von 7 bis 9 Uhr, man hat es zunehmend geöffnet und heutzutage spricht niemand mehr davon, selbst in den mittelständischen und Kleinstunternehmen hat man heute Gleitzeit, genau das gleiche gilt zukünftig für Telearbeit und Langzeitkonten, Lebensarbeitszeitmodelle und Sabbaticals, das wird zur Selbstverständlichkeit.
Ich habe von August 97 bis Juli 98 ein Jahr lang das genommen, was wir bei HP "Sabbatical" nennen. Das Sabbatical ist ein Freizeitjahr, das man für Urlaub, für Weiterbildung, für den schwäbischen Hausbau benutzen kann. Ich habe die Zeit genutzt, um mit meiner Frau ein Jahr Urlaub zu machen und einfach mal mit der Sonne um die Welt zu reisen. Sprich, gestartet sind wir im August in Kanada und haben uns dann dem Sonnenstand folgend nach Süden durchgekämpft und haben dann ein halbes Jahr zum Schluss in Australien verbracht.
Uwe Raissle arbeitet als Projektmanager im schwäbischen Böblingen bei Hewlett Packard, kurz HP. Die Firma sieht sich als "Mutter aller Arbeitszeitmodelle". Zu diesen Modellen gehört auch das Sabbatjahr, das der kinderlose 42-Jährige nutzen konnte, um mit seiner ebenfalls bei HP beschäftigten Ehefrau auf Weltreise zu gehen.
Anders nutzte Barbara Massion einen Sabbatical-Vertrag mit ihrer Firma:
Ich bin den Jakobsweg gegangen - also im Mittelalter sind die Pilger aus ganz Europa nach Santiago de Compostela zum Grab des Apostels Jakobus gepilgert und genau das wollte ich auch machen. Also gelaufen bin ich 2639 Kilometer im Durchschnitt bin ich 20,5 Kilometer am Tag gegangen, das heißt ich bin hier in München von meiner Wohnung weggegangen, Tür zugeschlossen und bin losmarschiert in Richtung Santiago de Compostela.
Die Pilgerin Barbara Massion ist Produktmanagerin im Bereich "Intelligente Dienstleistungen" bei Siemens. Der Pilgergang zum spanischen Apostelgrab war für die allein stehende 43-Jährige ein langjähriger Herzenswunsch.
Barbara Massion und das Ehepaar Raissle sind sicher noch Ausstiegs-Pioniere, Einzelfälle sind sie allerdings schon längst nicht mehr. Denn das Interesse am "Ausstieg auf Zeit" ist groß, stellt Gabi Schilling fest, Arbeitszeit-Expertin am Gelsenkirchener Institut für Arbeit und Technik:
Wenn man die Beschäftigten fragt: "Würdet ihr gerne eine Auszeit nehmen?", dann ist da schon ein recht großes Interesse. Nach einer internationalen Untersuchung haben in Deutschland über die Hälfte, 53 Prozent der Deutschen gesagt: "Wir würden das gerne machen." Eingeschränkt, wenn sie sich überlegt haben, wie sähe das jetzt in meiner konkreten Situation aus, dann waren es dann nur noch weniger, nämlich ein Drittel.
Ein sozial abgesicherter Ausstieg auf Zeit wird durch ein so genanntes Langzeitkonto oder Lebensarbeitszeitkonto möglich. Statt Geld können die Beschäftigen hier Arbeitszeit ansparen und später geballt entnehmen - etwa für eine längere Auszeit oder auch für eine längere Teilzeitphase. Denkbar ist etwa: 30 Monate arbeitet man "voll", bekommt jedoch nur 5/6 des Arbeitsentgelts ausgezahlt. Man verzichtet zunächst also auf Gehalt. So spart man für die kommenden sechs Monate an, in denen man das Zeit-Guthaben bei unverändertem Gehalt abfeiert. Nach diesem Konzept funktioniert das Modell von Siemens.
Das Sabbatical besteht bei uns im Grunde genommen aus einer beziehungsweise mehreren Arbeits- und Freizeitphasen, die der Mitarbeiter und die Führungskraft miteinander vereinbaren. Das Sabbatical kann bei uns maximal über drei Jahre vereinbart werden, und in diesen drei Jahren kann der Mitarbeiter insgesamt sechs Monate Freizeit nehmen. In Abhängigkeit davon, wie lange Freizeitblocks und der Vertragszeitraum sind, bekommt der Mitarbeiter ein gleichbleibendes reduziertes Einkommen, das heißt, der Mitarbeiter muss nicht Stunden ansammeln, um irgendwann einmal frei machen zu können, sondern er reduziert sein Einkommen entsprechend nach unten.
So Heiko Brockbarthold, der in der Personalabteilung von Siemens für Arbeitszeiten verantwortlich ist. Das Siemens-Konzept basiert auf Freiwilligkeit. Niemand muss sich hier am Ansparen von Arbeitszeit beteiligen. Da das Modell mit direktem Gehaltsverzicht verbunden ist, wird es – wie die meisten Sabbatical-Modelle – fast nur von hochqualifizierten und gut bezahlten Arbeitskräften genutzt. Derzeit haben nur rund 250 der insgesamt über 100 000 Mitarbeiter einen Sabbatical-Vertrag mit dem Unternehmen abgeschlossen.
Anders funktioniert das Modell von HP. Hier gehört das Ansparen von Arbeitszeit mit dazu – und zwar für alle Mitarbeiter, erklärt HP-Pressesprecherin Claudia Martens.
Wir haben ein bestimmtes Arbeitszeitmodell, das besagt, dass wir 40 Stunden in der Woche arbeiten, aber nur eine 38-Stunden-Woche haben, somit spart jeder Mitarbeiter in der Woche 2 Arbeitsstunden an. Im Monat ist es dann normalerweise ein ganzer Tag, ein achtstündiger Arbeitstag, und somit haben wir am Ende des Jahres 12 Arbeitstage oder Urlaubstage mehr und die kommen drauf auf die 30 Tage Urlaub, die man sowieso bekommt. Und somit habe ich 42 Tage Urlaub im Jahr, die nimmt aber natürlich fast keiner, somit spar ich die Zeit, die übrig bleibt, ins nächste Jahr mit rein, weil ich kann die Zeit nicht nur über drei Monate mit rüber nehmen, sondern ich kann sie ansparen auf Jahre.
Um sie dann irgendwann einmal zu entnehmen – in Absprache mit Führungskräften und nach einer längeren so genannten Ankündigungsfrist: Mindestens neun Monate vor einem geplanten Ausstieg oder Teilausstieg müssen die Mitarbeiter ihre Pläne ankündigen. Was die Firmen mit diesen noch relativ neuen Arbeitszeit-Modellen bezwecken, erklärt Heiko Brockbarthold von Siemens so:
Beim Sabbatical geht es ausschließlich darum, den Mitarbeitern lange Freizeitblöcke zu ermöglichen für private Bedürfnisse. Es hat nicht den Hintergrund, Beschäftigungssicherung zu betreiben oder neue Arbeitsplätze zu schaffen. Wir versuchen hier, für unsere Mitarbeiter attraktive Beschäftigungsbedingungen zu schaffen. Und das heißt für uns nicht nur, dass wir den Mitarbeitern attraktives Gehalt bieten können, sondern das Arbeitsumfeld muss stimmen. Der Mitarbeiter muss die Möglichkeit haben, seine privaten Bedürfnisse, die er hat, das ist auch das Zeitbedürfnis, mit seinen beruflichen Ambitionen besser in Einklang zu bringen, denn wir sehen schon, wenn wir solche attraktiven Beschäftigungsbedingungen nicht anbieten, dann kommen die Mitarbeiter nicht zu uns in die Firma, dann gehen die zu Daimler, dann gehen die zu anderen Firmen hin, dann gehen die zu Bosch, die kommen aber nicht zu Siemens.
Und die Mitarbeiter bleiben einer Firma nicht nur verbunden, sie kommen nach dem Sabbatical auch mit neuer Kraft zurück ins Unternehmen.
Die Vorteile des Sabbaticals für uns sind ja offensichtlich: Der Mitarbeiter nimmt für vier, fünf oder sechs Monate eine Auszeit, bildet sich möglicherweise weiter, gewinnt neue Eindrücke, häufig gehen die Mitarbeiter ins Ausland, nutzen das für ein Sprachstudium an der Stelle. Das heißt: Der Mitarbeiter bringt neue Ideen ins Unternehmen ein, wird eventuell kreativer an der Stelle, ist auch sehr viel motivierter als vorher, weil er eben einfach diesen Abstand zum Unternehmen genossen hat, weil er über den Tellerrand schauen konnte.
Ganz ähnlich sehen es die Aussteiger auf Zeit, noch dazu sorgt die soziale Absicherung für die nötige Gelassenheit, das Erlebnis Sabbatical auch zu genießen:
Ich kann es wirklich nur empfehlen, also von der Arbeit her war es kein Problem und ich denke ich bin um einiges motivierter wieder zurück gekommen, als ich vielleicht weggegangen bin und auf jeden Fall hat es mir persönlich unheimlich viel gebracht, gerade auch dadurch, was ich gemacht habe, es hat mir eine ganze Reihe von Anregungen gegeben, hat sicherlich auch Lebenseinstellungen verändert. Also es hat einfach gut getan, einfach mal über den Zaun zu gucken und sich mal mit anderen Dingen zu beschäftigen als man es im normalen Alltag tut.
Wir waren in dieser Zeit weiterhin arbeitslosenversichert, rentenversichert, krankenversichert, haben im Prinzip einen ähnlichen Status gehabt wie in einem dreiwöchigen Mallorca-Urlaub, nur waren es bei uns 12 Monate, die wir an verschiedenen Plätzen auf der Welt verbracht haben.
Sozialversicherungsrechtlich abgesichert ist eine angesparte Auszeit durch das so genannte Flexi-Gesetz von 1998. Grundsätzlich gilt danach: Das sozialversicherte Beschäftigungsverhältnis bleibt auch in der Freistellungsphase erhalten - und damit auch der Schutz der Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung.
Zwei Voraussetzungen müssen dabei vor allem beachtet werden: Im Sabbatjahr muss weiterhin Arbeitsentgelt fließen. Abschläge bis zu 30 Prozent sind aber erlaubt. Weiterhin muss das Arbeitsentgelt in der arbeitsfreien Zeit durch Mehrarbeit oder Gehaltsverzicht vorher "angespart" worden sein oder nachher abgearbeitet werden.
Mit dem Flexi-Gesetz wurden die Bedingungen, um Sabbatical-Modelle einzurichten, wesentlich verbessert. Dennoch werden solche Auszeiten bislang nur in relativ wenigen Firmen angeboten: Nach einer Untersuchung aus dem Jahr 2000 nur in jedem 20. Großbetrieb und in Kleinbetrieben fast überhaupt nicht. Dabei gibt es in vielen Firmen Konten zum Ansparen von Arbeitszeit. Gabi Schilling vom Institut für Arbeit und Technik:
Mittlerweile haben zwei Fünftel aller Beschäftigten solche Arbeitszeitkonten, immerhin 40 Prozent jetzt. Aber diese Konten sind meistens eher diese Kurzzeitkonten. Also, da ist die maximale Ansparsumme um die 30 Stunden im Durchschnitt oder auch ein bisschen mehr, aber damit kann man keine Langzeiturlaube oder Sonstiges realisieren. Diese Konten müssen übrigens auch in der Regel innerhalb eines Jahres ausgeglichen sein. Sie sind dazu da, bestimmte Schwankungen aufzufangen im Arbeitsanfall oder saisonale Schwankungen. Und Langzeitkonten, dazu bedarf es ja zunächst bestimmter Ergänzungstarifverträge, um überhaupt diesen Ausgleichszeitraum, der meist bei einem Jahr liegt, noch weiter auszudehnen.
Doch solche ergänzenden Flächentarifverträge zu Langzeitkonten sind bislang rar. Ein erfolgreiches Beispiel stammt aus dem privaten Bankgewerbe. Hier haben die Gewerkschaft Ver.di und der Arbeitgeberverband des privaten Bankgewerbes im letzten Jahr einen Tarifvertrag geschlossen, der den Geldinstituten und ihren Betriebsräten Betriebsvereinbarungen über Langzeitkonten ermöglicht. Inzwischen kann jeder dritte Bank-Mitarbeiter auf Langzeitkonten ansparen, für ein weiteres Drittel laufen derzeit noch Verhandlungen.
Umgesetzt hat den Tarifvertrag beispielsweise die Deutsche Bank. Zeit-Invest nennt sich hier das Modell. Die Frankfurter Bänker haben sich dabei etwas Besonderes einfallen lassen: Auf dem Lebensarbeitszeitkonto wird keine Zeit, sondern Geld gutgeschrieben. Wer beispielsweise 5000 Euro brutto verdient und sich nur 4000 Euro auszahlen lässt, bekommt 1000 Euro gutgeschrieben statt - wie üblich – ein Fünftel seiner Arbeitszeit. Gabriele Buchs, die bei der Großbank als Verantwortliche für "Compensation and Benefits" firmiert, erklärt, wie das Ganze funktioniert.
Wir sagen: Unsere Währung ist Geld, also sprich jetzt: Euro. Und es können eingestellt werden sehr viele Leistungen, die ursprünglich Geld sind, angefangen von Teilen des Grundgehalts über Teile des Bonus, über Einmalzahlungen, die man aus besonderen Anlässen bekommt, Jubiläumszahlungen, Zahlungen, die man für Verbesserungsvorschläge bekommt, da kann man sagen: Die will man nicht als Barauszahlung, die dann auch sofort zu versteuern ist, sondern wir stellen sie brutto - so wie sie gewährt werden - in das Lebensarbeitszeitkonto, das bei uns DB-Zeitinvest-Konto heißt, ein.
Das angesparte Geld wird durch einen Treuhänder insolvenzsicher angelegt, die Mitarbeiter können dabei zwischen vier verschiedenen Anlagestrategien wählen – vom absolut sicheren Geldmarktfond bis hin zum Aktienfond mit Standardwerten. Wenn Bank-Beschäftigte - wiederum nach einer angemessenen Ankündigungsfrist - erklären, dass sie eine Auszeit nehmen möchten, wird Kassensturz gemacht. Der individuelle Kontostand entscheidet dann darüber, wie viel Freizeit die Sparer sich leisten können.
Bislang beteiligen sich 30 Prozent der Mitarbeiter der Deutschen Bank am Zeit-Invest-Sparen, das sich vor allem an zwei Zielgruppen richtet. An "Junge Talente" und an ältere Mitarbeiter vor der Pensionierung.
Die Erkenntnis aus den Rekrutierungsprozessen war, dass gerade die Jüngeren talentierten Mitarbeiter, die auch Angebote bei allen unseren Wettbewerbern und auch anderen Unternehmen bekommen, dass die sich keine Lebensarbeitszeitgestaltung vorstellen, derart, dass sie 40 Jahre zur Deutschen Bank von morgens um 8 bis nachmittags um 17 Uhr. Und für diese Mitarbeiter wollten wir eine attraktive Lösung, die uns auch von anderen unterscheidet, anbieten. Das ist die eine Zielgruppe. Die andere Zielgruppe sind sicherlich auch die älteren Mitarbeiter, die ihren Ausstieg aus dem Arbeitsleben für sich optimal planen wollen.
Vorwiegend auf ältere Mitarbeiter zielt auch der zweite Flächentarifvertrag, der das Führen von Langzeitkonten ermöglichen will: Der Rahmentarifvertrag für die Arbeiter und Angestellten in der Eisen- und Stahlindustrie, den die IG Metall und der Arbeitgeberverband Stahl im Dezember 2000 abgeschlossen haben. Robert Sadowski von der Bezirksleitung NRW der IG Metall hatte damals noch hohe Erwartungen: Ältere Stahl-Arbeiter sollten so Arbeitszeit ansparen können für ein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Job.
Weil gerade in der Stahlindustrie mit vielen Beschäftigten, die Conti arbeiten, also rund um die Uhr, also sonntags und feiertags, ist ein Arbeitsleben bis 65 kaum vorstellbar, insbesondere wenn das noch mit zusätzlichen schweren körperlichen Belastungen verbunden ist.
Die Bilanz, die der Metaller anderthalb Jahre nach Vertragsschluss zieht, ist allerdings ernüchternd: Bislang ist der Tarifvertrag noch in keinem einzigen Betrieb umgesetzt worden.
Das hängt damit zusammen, dass das Arbeitsamt vor Einführung von Kurzarbeit jedes Mal verlangt, dass eventuell bestehende Langfristkonten geräumt werden. Und damit können die Langfristkonten nicht mehr dem ursprünglich geplanten Zweck zugeführt werden. Und wenn jemand Zeiten anspart und der Sinn seiner Lebensplanung ist, früher aufhören zu können über Langfristkonten, und der dann feststellt, das ganze dient nur dazu, Auslastungsschwankungen des Unternehmens auszugleichen, dann sagt der "Vielen Dank, kein Interesse an diesen Langfristkonten." Und auch den Firmen geht das genau so.
Zumindest in Branchen, in denen Kurzarbeit zum gängigen Inventar der Personalpolitik gehört, ist damit bei der Einrichtung und Nutzung von Langzeitkonten Vorsicht geboten. Doch es gibt noch weitere Probleme bei Langzeitkonten. Sie können allerdings überwiegend durch passende betriebliche Regelungen aus dem Weg geräumt werden. Axel Hoß, Kölner Anwalt für Arbeitsrecht:
Das Hauptproblem, was sich halt stellt in solchen Fällen, ist die Insolvenz, wenn das Unternehmen irgendwann nicht mehr zahlungsfähig ist, ich also gar keinen Arbeitgeber mehr habe, bei dem ich ausscheiden kann, verliere ich damit auch meine Freizeitansprüche. Denn die sind natürlich nicht insolvenzgeschützt. Ich muss also, wenn ich nicht bei einem Unternehmen bin, wo ich das ausschließen kann – Frage ist, ob es das überhaupt gibt, ein solches Unternehmen – eine Absicherung schaffen.
Bei großen Unternehmen wie der Deutschen Bank - ähnlich auch bei Siemens und Hewlett Packard - gibt es in der Regel Treuhandmodelle zur Sicherung der Arbeitszeitkonten. Wer in diesen Firmen Arbeitszeit anspart, geht deshalb kein Risiko ein. Allerdings: Gesetzlich vorgeschrieben ist der Insolvenzschutz nur für größere Arbeitszeitguthaben im Wert von mehr als 7000 Euro, in den neuen Bundesländern ab knapp 6000 Euro. Hinzu kommt: Sanktionen drohen den Firmen nicht, wenn sie darauf verzichten, die Guthaben für den Pleite-Fall zu schützen - auch nicht bei höheren Kontoständen.
Das ist der weitere Punkt, dass der Gesetzgeber hier eine Regelung getroffen hat, ohne selber zu sagen, was passiert, wenn es nicht gemacht ist. Da es keiner kontrollieren kann, ist am Ende der Arbeitnehmer, wenn er nicht darauf geachtet hat, der Dumme.
Pech kann auch der Aussteiger haben, der in seinem Sabbatical längere Zeit krank wird. Die angesparte Arbeitszeit wird nämlich auch bei Krankheit meist weiter aufgebraucht. Denn in der Regel besteht während der Auszeit kein Anspruch auf Lohnfortzahlung. Man kann allerdings etwas Anderes vereinbaren - einzelvertraglich, in Betriebsvereinbarungen oder in Tarifverträgen. Der bis Mitte 2006 befristet geltende Tarifvertrag über Langzeitkonten zwischen ver.di und dem privaten Bankgewerbe sieht beispielsweise folgende Regelung vor:
Für den Zeitraum einer ärztlich attestierten Erkrankung wird die Freistellung längstens für die Dauer der gesetzlichen Entgeltfortzahlungsfrist, für sechs Wochen also, unterbrochen und das Guthaben des Langzeitkontos insoweit nicht belastet. In dieser Zeit wird das Entgelt weiter gezahlt.
Die gesetzliche Absicherung von Langzeitkonten und Sabbaticals hat also noch Lücken und etliche betriebliche Modelle sind noch in der Erprobungsphase. Dennoch hat das Modell "Sabbatical" Zukunft, wie nicht nur Heiko Brockbarthold von Siemens meint:
Man braucht Pioniere, sie müssen "Best-practice-Beispiele" schaffen im Grunde genommen, versuchen Probleme zu beseitigen. Man sieht an der Entwicklung sowohl bei uns im Unternehmen als auch bei vielen anderen Unternehmen, dass sich dieses Modell durchsetzt wie viele andere Modelle auch. Und ich denke, in fünf Jahren oder in zehn Jahren spricht kein Mensch mehr darüber, ob das sinnhaft ist oder nicht. In den 80er Jahren haben die Firmen damit angefangen, irgendwelche Gleitzeitregelungen einzuführen, früher mussten Sie um sechs Uhr anfangen oder um acht Uhr punktgenau anfangen, dann hat man mit Gleitzeit angefangen, von 7 bis 9 Uhr, man hat es zunehmend geöffnet und heutzutage spricht niemand mehr davon, selbst in den mittelständischen und Kleinstunternehmen hat man heute Gleitzeit, genau das gleiche gilt zukünftig für Telearbeit und Langzeitkonten, Lebensarbeitszeitmodelle und Sabbaticals, das wird zur Selbstverständlichkeit.