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Sabbaticals in Unternehmen

Das Sabbatjahr oder neudeutsch Sabbatical ist eine mehrmonatige bis mehrjährige - meist unbezahlte - Auszeit vom Job. Was bewegt Unternehmen, Angestellten zum Teil für zwei Jahre den Arbeitsplatz freizuhalten und welche Regelungen werden da vereinbart. Wie reagieren die Kollegen, die in den Abteilungen zurückbleiben? Campus & Karriere hat nachgeforscht.

Von Andrea Groß | 03.05.2008
    Umfrage
    "Spontan gefragt, was würde ich gerne unternehmen. Tja. Mich weiterbilden. Das wäre schon mal ein Ziel von mir. Und wenn natürlich das Finanzielle stimmen würde, der finanzielle Rahmen da wäre, dann auch gerne mal eine längere Reise."

    "Wenn, dann könnte ich mir durchaus vorstellen, mal durch Australien zu reisen oder aber auch Mittel- und Südamerika."

    "Also ich denke mir mal einen Zeitraum ein halbes Jahr, Jahr, würde ganz was anderes machen, wie das, was ich bisher gemacht habe. Wahrscheinlich eher etwas Kreatives oder was Soziales"

    "Na da brauche ich nicht lange drüber nachzudenken. Ich habe mein Segelboot und das wartet eigentlich darauf, dass es ablegen kann mit mir, aber ich habe immer keine Zeit dafür."

    Ein Hauch von Freiheit und Abenteuer umweht das Sabbatical, die Auszeit, den Ausstieg auf Zeit. Nach konkreten Plänen oder Erfahrungen befragt, sind die meisten allerdings schnell zurück auf dem Boden der Tatsachen.

    "Also gemacht habe ich es nicht und in meinem Alter werde ich es wahrscheinlich auch nicht mehr machen. Ansonsten stehe ich der Sache ganz positiv gegenüber."

    "Ist für mich nicht interessant, weil ich selbständig bin und das diesbezüglich nicht in Frage kommt."

    "Ich kenne keinen, der das gemacht hat, habe aber schon einiges davon gehört. Ich würde es schon für interessant halten, ist bei mir aber leider beruflich nicht möglich."

    "Gehört davon ja, mehrfach darüber nachgedacht, ob so was nicht mal in Frage kommt. Man könnte natürlich davon träumen, aber ich glaube in Anbetracht der allgemeinen wirtschaftlichen Situation wird das nur für die Allerwenigsten in Frage kommen, nicht."

    "Also im Moment fühle ich mich beruflich gut ausgelastet, macht mir Super viel Spaß aber es kann eben passieren, dass man irgendwann an einen Punkt kommt, wo man sagt: hier ist noch mal Schluss. Und mein Arbeitgeber bietet durchaus die Möglichkeit, das auch zu tun."

    Die Unternehmen "Eon Ruhrgas" oder "Evonik", beide mit Sitz in Essen, bieten beispielsweise diese Möglichkeit, bewerben sie aber nicht aktiv unter ihren Beschäftigten. Auszeiten oder Sabbaticals sind deshalb so gut wie gar nicht nachgefragt worden, melden denn auch die Unternehmenssprecher.

    Der Schuhriese "Deichmann", ebenfalls in Essen beheimatet, dessen Unternehmensführung offen eintritt für christliche Werte, soziales Engagement und ein stets offenes Ohr für Sorgen und Nöte der Mitarbeiter, lässt schriftlich mitteilen, dass für das Unternehmen Sabbaticals zur Zeit ebenfalls kein Thema sind.

    "Das liegt vielleicht auch daran, dass die Firma seit vielen Jahren kontinuierlich wächst und jede Hand gebraucht wird."

    Anders der Stromkonzern "RWE". Er bietet seinen Mitarbeitern seit 2006 die Möglichkeit einer unbezahlten Auszeit mit garantierter Rückkehr an den Arbeitsplatz. Bis zu zwei Jahren können Beschäftigte dem Betrieb fernbleiben. Sie können diese Zeit auch in mehrere Abschnitte aufteilen. An einen besonderen Zweck ist diese Auszeit nicht gebunden, erklärt Sabine Nicks, die zuständige Referentin:

    "Sie haben die verschiedensten Möglichkeiten. Wir haben das hier im Haus eingebunden in das Thema Audit Beruf und Familie, so dass sie es hauptsächlich nutzen können um ihre Angehörigen zu pflegen, Eltern die plötzlich erkranken, Schlaganfälle bekommen, um ihre Kinder zu betreuen auch außerhalb der Elternzeit, wenn Abitur ansteht oder sonstige Dinge. Sie können aber auch eine Promotion abschließen oder vielleicht möchte der eine oder andere das zu anderen Dingen nutzen, das müssten man dann individuell besprechen."

    Die Personaldecke der entsprechenden Abteilung muss eine solche Freistellung natürlich hergeben. Sind bereits mehrere Kolleginnen und Kollegen in Elternzeit, wird es schwierig eine weitere Person zu entbehren. In solchen Fällen, so Sabine Nicks, ist ein Sabbatical Abstimmungssache. Plötzlich erkrankte Angehörige haben dann eine höhere Priorität, als das Bedürfnis, sich für mehrere Monate zur Meditation nach Indien zurückzuziehen. Für den Energiekonzern "RWE" aber zum Beispiel auch für das Chemieunternehmen "Henkel" aus Düsseldorf birgt die befristete Freistellung ihrer Angestellten ganz handfeste Vorteile.

    "Wir möchten unsere Mitarbeiter unterstützen, wenn sie in Pflegeverantwortung oder Kinderbetreuungsverantwortung kommen, sie nicht im Regen stehen lassen, möchten ihnen Maßnahmen anbieten und insofern nutzen wir, dass die Mitarbeiter ihre Motivation erhalten, dass sie in Ruhe weiterarbeiten können, anschließend und nicht in Panik verfallen, weil sie immer denken, oh, ich muss meine Eltern pflegen, ich muss meine Kinder betreuen und weiß nicht, wie ich das managen soll."

    Die Sabbaticals, so Anke Meier, Diversity Managerin bei "Henkel", seien ein ausgezeichnetes Mittel um Mitarbeiter nicht nur an das Unternehmen zu binden, sondern sich auch ihrer Loyalität zu versichern. Gerade bei Führungskräften spiele das ein nicht zu überschätzende Rolle.

    Was in der Privatwirtschaft als Sabbatical bezeichnet wird, heißt im öffentlichen Dienst schlicht Sonderurlaub. Angestellte können sich hier so lange beurlauben lassen, wie sie wollen, Beamte maximal zwölf Jahre. Hannelore Kücker aus dem Personalamt der Stadt Dortmund hält von derartig langen Auszeiten allerdings nichts. Danach sei eine Rückkehr in den Job einfach unglaublich schwer. Wer Sonderurlaub nimmt bekommt kein Geld. Da funktioniert der öffentliche Dienst genau wie die Privatwirtschaft. Für das richtige Sabbatical, so wie es im Tarifvertrag steht, gibt es dagegen sehr wohl Geld. Hannelore Kücker erzählt, wie das geht:

    " Das Landesbeamtengesetz Nordrhein-Westfalen lässt zu, dass Beamtinnen und Beamte ihre Arbeitszeit reduzieren können. Das heißt, dass jemand zwei bis sechs Jahre vollbeschäftigt ist, das ist die sogenannte Arbeitsphase und anschließend bis zu einem Jahr vom Dienst freigestellt wird, das ist die sogenannte Freistellungsphase." "

    Während der Arbeitsphase beziehen die Beschäftigten nur 75 Prozent ihres Einkommens, das dann allerdings auch während der Freistellungsphase weitergezahlt wird. Obwohl das Sabbatical hier auch noch bezahlt wird, wird es als solches wesentlich seltener in Anspruch genommen, als die Beurlaubung. Von den 420.000 Beschäftigten des Landes NRW befinden sich aktuell nicht einmal 10.000 in einem Sabbatical. Diejenigen, die das Angebot noch am meisten nutzen, sind Lehrer.