Archiv


Sabine Hering, Kurt Schilde: Das BDM-Werk "Glaube und Schönheit".

Ein bisher ebenfalls unterbelichtetes Kapitel des Dritten Reiches ist die Geschichte des BDM, des "Bundes Deutscher Mädel" innerhalb der Hitlerjugend. Schon 1926 waren im Rahmen einer nationalsozialistischen "Großdeutschen Jugendbewegung" sogenannte "Schwesternschaften" gegründet worden, aus denen sich der BDM entwickelte. Ab ihrem 10. Lebensjahr wurden Mädchen im Dritten Reich im Jungmädelbund erfasst, mit 14 wechselten sie in den BDM, der seit den späten dreißiger Jahren für die 17-21jährigen eine weitere Untergliederung besaß: das BDM-Werk "Glaube und Schönheit". Außer einer Videodokumentation, die angesichts ihrer kritiklosen Schönfärberei den Namen nicht verdient, war in Deutschland bislang wenig veröffentlichtes Material über "Glaube und Schönheit" zu finden. Ein Buch aus dem Berliner Metropol-Verlag schafft nun Abhilfe. Barbara Schäder hat es für Sie gelesen.

Barbara Schäder |
    "Unsere Mädel sollen an die Sendung ihres Volkes in dieser Welt glauben und zu jenem Menschentum einer edlen Rasse geführt werden, das durch Leistung und anständige Gesinnung zu einer Hochzucht kommend in vollkommener Schönheit offenbart, dass der Mensch ein Ebenbild des Göttlichen ist."

    Mit diesen Worten beschrieb die BDM-Reichsreferentin Jutta Rüdiger im BDM-Jahrbuch von 1939 die Aufgabe des neugegründeten BDM-Werks "Glaube und Schönheit". Dieser Organisation für die 17- bis 21jährigen im Bund Deutscher Mädel widmet sich erstmals das gleichnamige Buch von Sabine Hering und Kurt Schilde. Es beruht auf Interviews, die die Erziehungswissenschaftlerin und der Historiker mit ehemaligen Mitarbeiterinnen und Teilnehmerinnen führten. Viele der befragten Frauen, die heute zwischen 70 und 90 Jahren alt sind, blicken gerne auf ihre Zeit als "schönes und gläubiges" BDM-Mädel zurück. Zum Beispiel Elly Petzold:

    "Ich empfand alles, was dort geschah, als rein und absolut in Ordnung. Alles, was später in den BDM hineinprojiziert wurde, davon habe ich damals nichts gesehen. Wir haben auch von den Vorbereitungskursen für den Kriegs-Einsatz nichts mitbekommen. Wir haben gemalt und geturnt und gesungen, sind ins Theater und in Konzerte gegangen, haben wunderschöne Nachtwanderungen gemacht und Dessau und sein herrliches Umland genossen."

    Diese Schilderung steht stellvertretend für viele. Dass "Glaube und Schönheit" jedoch kein reines Bildungs- und Freizeit-Angebot war, stellen Hering und Schilde schon in ihrer Einleitung klar. Darin erläutern sie auch die Struktur der bisher kaum untersuchten Organisation - nach Angaben der Autoren existierte bislang nur eine unveröffentlichte Diplom-Arbeit zu dem BDM-Werk. Dabei zählte es rund 400 000 Mitglieder. Die Ziele der Organisation werden auch aus dem umfangreichen historischen Quellenmaterial, zum Beispiel der Zeitschrift "Das deutsche Mädel", deutlich: Die 17- bis 21jährigen sollten nicht nur zu Volks- und Führertreue, sondern auch zu attraktiven, heiratsfähigen jungen Damen erzogen werden. Das unterschied "Glaube und Schönheit" vom Bund Deutscher Mädel, für den galt:

    "Das Wesen des Bundes Deutscher Mädel ist die Pflege von Kameradschaft und Sozialismus, von Körperstählung und nationalsozialistischer Gedankenschulung."

    So Hertha Reinking von der Reichsjugendführung im Jahre 1936. In dieser einseitig sportlichen und kameradschaftlichen Ausrichtung sah man jedoch die Gefahr der "Verbengelung", wie Hering und Schilde schreiben. Deshalb sollten die älteren Mädchen zur sogenannten weiblichen Linie zurückgeführt werden. Dazu ein Propaganda-Film, der 1939 erscheinen sollte, dann jedoch wegen des Kriegsausbruchs nicht mehr passend erschien:

    (Musik)"Der Beruf lässt den Mädels kaum Zeit, sich hauswirtschaftliche Kenntnisse an Mutters Kochtopf zu erwerben. Das BDM-Werk hilft ihnen hierzu in seinen hauswirtschaftlichen Arbeitsgemeinschaften."(Musik)

    Schließlich war die vornehmste Aufgabe der Frau vom Führer selbst vorgegeben:

    "Ich will ihr nur die Möglichkeit im weitesten Ausmaß verschaffen, heiraten zu können und eine eigene Familie mitgründen helfen zu können und Kinder bekommen zu können, weil sie dann - und das ist nun meine Überzeugung - unserm Volk natürlich am allermeisten nützt. Das ist klar." (Applaus)

    Die nützliche Frau sollte auch nett anzusehen sein. Nicht umsonst hatte der Reichsjugendführer Baldur von Schirach das BDM-Werk "Glaube und Schönheit" getauft. Was er sich dabei gedacht hatte, ist im Interview mit seiner BDM-Reichsreferentin, Jutta Rüdiger, nachzulesen:

    "Als Ästhet wollte er gerne, dass die Mädel zu schönen Frauen werden, die sich zu bewegen verstehen und hübsch gekleidet sind. Er hat deshalb Hinrich Medau geholt, der sagte: `Jedes Mädel kann schön werden, wenn sie an sich arbeitet,´und der die Aufgabe bekam, den Gymnastikbereich auszubauen. Körper, Seele und Geist sollten harmonisch durchgebildet werden."

    (Musik)"Grazie und Rhythmus vereinigen sich zu einem Bild freudiger Lebensbejahung" (Musik)

    Doch auch für Mädchen, die sich nicht für die Gymnastik-Kurse oder Hauswirtschaft interessierten, war das BDM-Werk durchaus attraktiv. Von Schirach wollte, dass "Glaube und Schönheit" "gemeinschaftsgebundene Persönlichkeiten" hervorbrachte. Um das zu erreichen, entstanden zumindest in den Städten zahlreiche Arbeitsgemeinschaften. Das machten sich auch junge Frauen zunutze, die an "Gemeinschaftsbindung" wenig Interesse hatten. Ursula Hinne berichtete den Autoren über ihren Balletkurs:

    "Es wurde kein Wort politisch gesprochen, nicht ein einziges Wort. Das war was für Leute, die so wie wir dachten, aber das waren wenige."

    Die Mehrheit ließ die ideologische Erziehung zum "Glauben" an den Nationalsozialismus vermutlich eher gleichgültig über sich ergehen. Doris Hoffmann zu den politischen Schulungen:

    "Die waren natürlich so aufgebaut, dass alles, was die Nazis taten, supertoll war, und alles andere nicht. Erst im Krieg haben wir kritisch registriert, dass das alles nicht stimmt. Vorher waren uns die Veranstaltungen einfach langweilig und lästig."

    Solche selbstkritischen Äußerungen tauchen vor allem in den Interviews mit ehemaligen Teilnehmerinnen auf. Die hauptamtlichen Führerinnen hingegen, für die das BDM-Werk nicht zuletzt eine einmalige Karriere-Chance bedeutete, verharmlosen ihre Arbeit zum Großteil bis heute. Anneliese Käuffelin etwa, die die Gesundheitsabteilung in Kassel leitete, bemerkt abschließend zum BDM-Werk:

    "Das Besondere war, dass die jungen Mädchen nicht nur zwischen allgemeinen musischen oder sportlichen Aktivitäten wählen konnten, sondern, der Zeit gemäß, auch Arbeitsgemeinschaften zur Vererbungslehre, Geschichte und Rassenkunde besuchen konnten."

    Gleichzeitig berichtet dieselbe Zeitzeugin von einer Führerinnen-Schulung:

    "Da hat uns ein hoher SS-Offizier anhand von Landkarten gezeigt, wohin die Juden ausgesiedelt werden sollten. Es war damals aber keine Rede von Vernichtung, sondern nur von Aussiedlung nach Italien und Israel."

    Damit scheint die Sache für sie erledigt - oder doch nicht? Wie Anneliese Käuffelin mit dieser Information umging, erfahren wir nicht. Denn leider fragen die Autoren nicht nach. Darin liegt die Schwäche ihres Buches: Es geht der Verdrängungsmechanismen in den Köpfen der jungen Frauen nicht nach. An mehreren Stellen greifen die Autoren offensichtliche Widersprüche in den Selbstdarstellungen nicht auf. Dabei hätte darin eine Chance bestanden, den organisierten Selbstbetrug zu begreifen.

    Barbara Schäder über Sabine Hering, Kurt Schilde: Das BDM-Werk "Glaube und Schönheit". Metropol Verlag Berlin, 227 Seiten für DM 36,-.