Sagen wir so: Der Einfluss der Lektüre auf das Gehirn wird vielfach überschätzt.
Die aktuelle Spiegel-Bestseller-Liste Sachbuch: inklusive einer kleinen Meditation über den Lohn eines deutschen Soldaten, langatmigen Werken von kurzatmigen Pilgern und zwangsverheirateten Frauen, kurzweiligen Ausflügen in die Gefilde von Glück, Philosophie und Hirnforschung, einem gescheiten Buch über den dämlichsten Geheimdienst der Welt, sowie dem dümmsten Sachbuch seit Einführung der Bestsellerliste.
In diesem Monat bringen die zehn meistgelesenen Sachbücher der Deutschen 3 Kilo und 356 Gramm auf die Waage: zusammen 3551 Seiten.
Platz zehn: Esma Abdelhamid und Marianne Moesle: "Löwenmutter" (Krüger Verlag, 316 Seiten, 17,90 Euro)
Esma Abdelhamid hat von ihrer Ko-Autorin die Geschichte ihrer Zwangsehe mit einem in Hamburg lebenden tunesischen Landsmann und des Kampfs um ihre gemeinsamen Kinder aufschreiben lassen.
"Wie kann es sein, dass mitten in Deutschland Frauen zwangsverheiratet, eingesperrt, vergewaltigt und geschlagen werden?"
fragt Abdelhamids deutsche Stimme Marianne Moesle. Eine berechtige Frage und eine bewegende Geschichte. Da dieser auf über 300 Seiten ausgewalzten Betroffenheitsstory aber jeder politische Horizont fehlt, ermüdet sie ganz ungemein.
Platz neun: Wilhelm Schmid: Glück (Suhrkamp Verlag, 79 S., 7 Euro)
Wohltuend unaufgeregt legt der Philosoph Wilhelm Schmid in diesem Essay dar, warum die meisten Menschen in ihrem Leben gar nicht Glück, sondern Sinn suchen und weshalb die Wirtschaft vielleicht doch an die Kandare gelegt werden muss. Ein empfehlenswertes klitzekleines Buch über die ganz großen Fragen.
Platz acht: Tim Weiner: "CIA, die ganze Geschichte" (Deutsch von Monika Noll, Elke und Ulrich Enderwitz und Rolf Schubert, S. Fischer Verlag, 850 Seiten, 22,90 Euro)
Tim Weiner, Starjournalist der New York Times, erzählt die Geschichte des amerikanischen Auslandsgeheimdiensts als Ansammlung katastrophaler Fehleinschätzungen und peinlichen Dilettantismus. Sein tadellos recherchiertes und toll geschriebenes Buch über 60 Jahre CIA wurde in den USA gerade mit dem National Book Award als bestes Sachbuch des Jahres ausgezeichnet. Möge sich jeder deutsche Geheimdienst freuen, dass die Gesetzeslage hierzulande ein solches Buch nicht zulässt.
Platz sieben: Ester und Jerry Hicks: The Law of Attraction (Deutsch von Michael Nagula, Allegria Verlag, 256 Seiten, 16,90 Euro)
Das schwachsinnigste Werk, das ich in sechs Jahren Bestsellerlektüre zu lesen gezwungen war. Dieses Buch versammelt die Äußerungen einer, wie es die Autoren nennen, "außerkörperlichen" Kollektivintelligenz namens Abraham, angeblich durch das Medium Ester Hicks überliefert.
"Abraham hat erklärt, dass ... ich in der Lage bin, meine Verstand zur Ruhe zu bringen und jeden Widerstand aufzugeben, so dass es möglich ist, die Antworten hervortreten zu lassen",
Meinen Verstand machen solche widerlichen Abzocker wie die Autoren von "The Law of Attraction" rasend. Sagen wir so: dieses Buch ist auch nur außerkörperlich zu lesen, es ist zum Ausderhautfahren dämlich.
Platz sechs: Eva Maria Zurhorst: Liebe dich selbst und es ist egal, wen du heiratest" (Goldmann Verlag, 380 Seiten, 18,90 Euro)
Angeblich ein Beziehungsratgeber, tatsächlich eine protestantische Moralpredigt, die dazu auffordert, um jeden Preis bei seinem zu Partner zu bleiben: Auf Seite 249 schreibt die Autorin:
"Mag sein, dass es verrückt klingt - aber es ist wahr",
Hier irrt Eva Maria Zurhorst. Es klingt verrückt und gelogen.
Platz fünf: Achim Wohlgetan und Dirk Schulze: Endstation Kabul (Econ Verlag, 304 Seiten, 18,95 Euro)
Für 92 Euro Zulage am Tag erwartet die bundesrepublikanische Gesellschaft von ihren Soldaten, ihre Haut in Afghanistan zu Markte zu tragen: das mag man richtig oder falsch, gut oder schlecht finden, in jedem Fall sollte man es wissen.
Aus diesem Buch lässt es sich erfahren.
Platz vier: Eduard Augustin, Philipp von Keisenberg, Christian Zascke: Ein Mann, ein Buch. (SZ Bibliothek , 416 S., 19,90 Euro)
Eine im Grunde alberne, aber herrlich amüsante Anthologie, die vorgeblich alles versammelt, was Männer wissen wollen oder müssen: weil die Autoren die richtigen Experten befragten - Eckart Witzigmann verrät die optimale Methode, ein Steak zu braten, ein Pilot, wie eine Boing 747 zu landen ist - ist dabei ein Schlaues Handbuch entstanden, auf das Tick, Trick und Track neidisch wären.
Platz drei: Rhonda Byrne: The Secret - Das Geheimnis (Deutsch von Karl F. Hörner, Goldmann Verlag, 240 Seiten, 16,95 Euro)
Das Geheimnis dieser am Nullpunkt von Logik und Sprache angesiedelten Esoterikfibel lautet: Gutes widerfährt dem, der es sich ganz fest wünscht. Natürlich gilt in dieser Wünsch-dir-was-Welt auch im Umkehrschluss: Wer krank, arm oder sonst wie hilfsbedürftig ist, ist einfach selber schuld. Getreu ihrer eigenen Logik hat die Autorin also niemand anderes als sich selbst dafür verantwortlich zu machen, dass sie ein bedrückend hässliches und verblödendes Buch in die Welt gesetzt hat.
Platz zwei: Richard David Precht: "Wer bin ich und wenn ja wie viele?" Goldmann Verlag, 400 Seiten, 14,95 Euro)
Das beste Buch auf dieser Liste: angetrieben von unbändiger Erkenntnislust und ansteckendem Wissensdurst unternimmt Richard David Precht eine Rundreise ins Reich der Philosophie und Hirnforschung, verzichtet dabei wohltuend auf Originalität um der Originalität willen und hat gerade deshalb etwas sehr seltenes geschaffen: einen kompetenter Ratgeber, der seine Leser nicht für dümmer verkauft, als sie sind.
Platz eins der aktuellen Spiegel-Bestsellerliste Sachbuch:
Hape Kerkeling: Ich bin dann mal weg (Malik Verlag, 320 Seiten, 19,90 Euro)
Anekdoten eines Komikers vom Jakobsweg vermischt mit befremdenden spirituellen Einsichten. Eine englische Weggenossin, die Kerkeling als
"witzig, herzlich, bissig, scharfsinnig, ein bisschen gutgläubig und sehr gebildet"
beschreibt, sagt zu ihm einmal einen Satz, der für mich auf dieses ganze Buch zutrifft:
"Sorry Hans! Ich mag dich und die Geschichte ist wirklich sehr interessant, aber überhaupt nicht glaubwürdig."
Die aktuelle Spiegel-Bestseller-Liste Sachbuch: inklusive einer kleinen Meditation über den Lohn eines deutschen Soldaten, langatmigen Werken von kurzatmigen Pilgern und zwangsverheirateten Frauen, kurzweiligen Ausflügen in die Gefilde von Glück, Philosophie und Hirnforschung, einem gescheiten Buch über den dämlichsten Geheimdienst der Welt, sowie dem dümmsten Sachbuch seit Einführung der Bestsellerliste.
In diesem Monat bringen die zehn meistgelesenen Sachbücher der Deutschen 3 Kilo und 356 Gramm auf die Waage: zusammen 3551 Seiten.
Platz zehn: Esma Abdelhamid und Marianne Moesle: "Löwenmutter" (Krüger Verlag, 316 Seiten, 17,90 Euro)
Esma Abdelhamid hat von ihrer Ko-Autorin die Geschichte ihrer Zwangsehe mit einem in Hamburg lebenden tunesischen Landsmann und des Kampfs um ihre gemeinsamen Kinder aufschreiben lassen.
"Wie kann es sein, dass mitten in Deutschland Frauen zwangsverheiratet, eingesperrt, vergewaltigt und geschlagen werden?"
fragt Abdelhamids deutsche Stimme Marianne Moesle. Eine berechtige Frage und eine bewegende Geschichte. Da dieser auf über 300 Seiten ausgewalzten Betroffenheitsstory aber jeder politische Horizont fehlt, ermüdet sie ganz ungemein.
Platz neun: Wilhelm Schmid: Glück (Suhrkamp Verlag, 79 S., 7 Euro)
Wohltuend unaufgeregt legt der Philosoph Wilhelm Schmid in diesem Essay dar, warum die meisten Menschen in ihrem Leben gar nicht Glück, sondern Sinn suchen und weshalb die Wirtschaft vielleicht doch an die Kandare gelegt werden muss. Ein empfehlenswertes klitzekleines Buch über die ganz großen Fragen.
Platz acht: Tim Weiner: "CIA, die ganze Geschichte" (Deutsch von Monika Noll, Elke und Ulrich Enderwitz und Rolf Schubert, S. Fischer Verlag, 850 Seiten, 22,90 Euro)
Tim Weiner, Starjournalist der New York Times, erzählt die Geschichte des amerikanischen Auslandsgeheimdiensts als Ansammlung katastrophaler Fehleinschätzungen und peinlichen Dilettantismus. Sein tadellos recherchiertes und toll geschriebenes Buch über 60 Jahre CIA wurde in den USA gerade mit dem National Book Award als bestes Sachbuch des Jahres ausgezeichnet. Möge sich jeder deutsche Geheimdienst freuen, dass die Gesetzeslage hierzulande ein solches Buch nicht zulässt.
Platz sieben: Ester und Jerry Hicks: The Law of Attraction (Deutsch von Michael Nagula, Allegria Verlag, 256 Seiten, 16,90 Euro)
Das schwachsinnigste Werk, das ich in sechs Jahren Bestsellerlektüre zu lesen gezwungen war. Dieses Buch versammelt die Äußerungen einer, wie es die Autoren nennen, "außerkörperlichen" Kollektivintelligenz namens Abraham, angeblich durch das Medium Ester Hicks überliefert.
"Abraham hat erklärt, dass ... ich in der Lage bin, meine Verstand zur Ruhe zu bringen und jeden Widerstand aufzugeben, so dass es möglich ist, die Antworten hervortreten zu lassen",
Meinen Verstand machen solche widerlichen Abzocker wie die Autoren von "The Law of Attraction" rasend. Sagen wir so: dieses Buch ist auch nur außerkörperlich zu lesen, es ist zum Ausderhautfahren dämlich.
Platz sechs: Eva Maria Zurhorst: Liebe dich selbst und es ist egal, wen du heiratest" (Goldmann Verlag, 380 Seiten, 18,90 Euro)
Angeblich ein Beziehungsratgeber, tatsächlich eine protestantische Moralpredigt, die dazu auffordert, um jeden Preis bei seinem zu Partner zu bleiben: Auf Seite 249 schreibt die Autorin:
"Mag sein, dass es verrückt klingt - aber es ist wahr",
Hier irrt Eva Maria Zurhorst. Es klingt verrückt und gelogen.
Platz fünf: Achim Wohlgetan und Dirk Schulze: Endstation Kabul (Econ Verlag, 304 Seiten, 18,95 Euro)
Für 92 Euro Zulage am Tag erwartet die bundesrepublikanische Gesellschaft von ihren Soldaten, ihre Haut in Afghanistan zu Markte zu tragen: das mag man richtig oder falsch, gut oder schlecht finden, in jedem Fall sollte man es wissen.
Aus diesem Buch lässt es sich erfahren.
Platz vier: Eduard Augustin, Philipp von Keisenberg, Christian Zascke: Ein Mann, ein Buch. (SZ Bibliothek , 416 S., 19,90 Euro)
Eine im Grunde alberne, aber herrlich amüsante Anthologie, die vorgeblich alles versammelt, was Männer wissen wollen oder müssen: weil die Autoren die richtigen Experten befragten - Eckart Witzigmann verrät die optimale Methode, ein Steak zu braten, ein Pilot, wie eine Boing 747 zu landen ist - ist dabei ein Schlaues Handbuch entstanden, auf das Tick, Trick und Track neidisch wären.
Platz drei: Rhonda Byrne: The Secret - Das Geheimnis (Deutsch von Karl F. Hörner, Goldmann Verlag, 240 Seiten, 16,95 Euro)
Das Geheimnis dieser am Nullpunkt von Logik und Sprache angesiedelten Esoterikfibel lautet: Gutes widerfährt dem, der es sich ganz fest wünscht. Natürlich gilt in dieser Wünsch-dir-was-Welt auch im Umkehrschluss: Wer krank, arm oder sonst wie hilfsbedürftig ist, ist einfach selber schuld. Getreu ihrer eigenen Logik hat die Autorin also niemand anderes als sich selbst dafür verantwortlich zu machen, dass sie ein bedrückend hässliches und verblödendes Buch in die Welt gesetzt hat.
Platz zwei: Richard David Precht: "Wer bin ich und wenn ja wie viele?" Goldmann Verlag, 400 Seiten, 14,95 Euro)
Das beste Buch auf dieser Liste: angetrieben von unbändiger Erkenntnislust und ansteckendem Wissensdurst unternimmt Richard David Precht eine Rundreise ins Reich der Philosophie und Hirnforschung, verzichtet dabei wohltuend auf Originalität um der Originalität willen und hat gerade deshalb etwas sehr seltenes geschaffen: einen kompetenter Ratgeber, der seine Leser nicht für dümmer verkauft, als sie sind.
Platz eins der aktuellen Spiegel-Bestsellerliste Sachbuch:
Hape Kerkeling: Ich bin dann mal weg (Malik Verlag, 320 Seiten, 19,90 Euro)
Anekdoten eines Komikers vom Jakobsweg vermischt mit befremdenden spirituellen Einsichten. Eine englische Weggenossin, die Kerkeling als
"witzig, herzlich, bissig, scharfsinnig, ein bisschen gutgläubig und sehr gebildet"
beschreibt, sagt zu ihm einmal einen Satz, der für mich auf dieses ganze Buch zutrifft:
"Sorry Hans! Ich mag dich und die Geschichte ist wirklich sehr interessant, aber überhaupt nicht glaubwürdig."