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Sachsen-Anhalt
Der Fördermittelskandal und die Folgen

Die EU hat Fördermittel für das Bundesland Sachsen-Anhalt gestoppt. Der Grund: Bei einer Überprüfung im Juni 2014 kam heraus, dass mindestens 20 Prozent der bewilligten Fördergelder zuletzt falsch verwendet wurden. Der jetzige Fördermittelstopp werde teilweise gravierende Folgen für Sachsen-Anhalt haben, sagte der Linken-Politiker Frank Thiel im DLF.

Frank Thiel im Gespräch mit Mike Herbstreuth |
    Mehrere Euro-Banknoten liegen auf einem Tisch.
    Frank Thiel (Die Linke): "Wenn bis Mitte des Jahres nicht die entsprechenden Projekte bewilligt worden sind und die Rechnungen bezahlt worden sind, wird es für die Verwendungsnachweisprüfung ganz schön eng." (dpa / picture alliance / Jan Woitas)
    Mike Herbstreuth: Im Juli bekam Sachsen-Anhalt Besuch, allerdings keinen, über den man sich im Nachhinein gefreut hat.
    Rechnungsprüfer der EU waren nämlich zu Gast. Sie haben sich Förderprojekte genauer angesehen, für die der Europäische Fonds für Regionale Entwicklung dem Bundesland Geld zur Verfügung gestellt hatte.
    Das Endergebnis: Die Prüfer entdeckten Ausgaben von rund sieben Millionen Euro, bei denen scheinbar die EU-Förderrichtlinien nicht eingehalten worden sind. Daraufhin wurden das erste Mal in der Geschichte Sachsen-Anhalts Fördermittel gestoppt.
    Darüber möchte ich jetzt mit Frank Thiel sprechen. Er ist der wirtschaftspolitische Sprecher der Partei Die Linke in Sachsen-Anhalt. Guten Tag, Herr Thiel.
    Frank Thiel: Einen schönen guten Tag! Ich grüße Sie! Hallo!
    Herbstreuth: Herr Thiel, was ist denn bei Ihnen schiefgelaufen, dass die EU-Kommission jetzt so hart eingeschritten ist?
    Thiel: Wir wurden in der Öffentlichkeit im September vorigen Jahres informiert, dass es einen Prüfbericht gegeben hätte, wo die EU-Prüfbehörde bei Projekten in Höhe von 30 Millionen Euro geprüft hat und bei fast 20 Prozent der Fälle eine falsche Verwendung festgestellt hat. Daraufhin haben wir im Landtag natürlich gefragt im November vorigen Jahres und unser Finanzminister, Jens Bullerjahn, gab damals die Antwort, es wird garantiert gelingen, alle diversen Feststellungen zu entkräften. Das ist aber offenbar nicht passiert, weil die Fehler, die man festgestellt hat, waren offenbar so gravierend, dass die Europäische Union jetzt die gesamten Zahlungen nach Sachsen-Anhalt gestoppt hat.
    Herbstreuth: Was waren das denn konkret für Projekte, die da betroffen waren?
    Thiel: Moniert waren beispielsweise beim Thema Schulbauförderung, dass es europäische Gelder für Schulsanierungen nur dann gibt, wenn bestimmte pädagogische Konzepte oder neuartige pädagogische Konzepte dahinter gestanden haben.
    Das hat offenbar nicht funktioniert. Das heißt, man hat dann auch normale Schulsanierungen durchgeführt, die eben nicht mit europäischen Mitteln hätten bewerkstelligt werden müssen, sondern mit Landesmitteln.
    Das ist nur ein Beispiel.
    Herbstreuth: Aber wieso ist denn das passiert, wenn das eigentlich ganz klar an solche Bedingungen geknüpft war?
    Thiel: Ja, da wundern wir uns auch, wie kreativ unter Umständen dann bestimmte Vorgaben seitens der Europäischen Union ausgelegt werden. Es wurde ja dann in der bezeichneten Sitzung im November vorigen Jahres vom Finanzminister auch heruntergespielt, wir kriegen das schon irgendwie hin. Es wurde auch der Landtag informiert, wir nahmen das zur Kenntnis. Aber jetzt ist offenbar das Bein relativ dick geworden, weil die Europäische Union sagt, nein, das können wir nicht akzeptieren, und beispielsweise eure Frühaufsteher-Kampagne ist auch so dargestellt worden, dass es nicht mit europäischen Mitteln hätte finanziert werden können.
    "Es ist eigentlich verantwortungslos zu sagen, wir kriegen das schon irgendwie über die Runden"
    Herbstreuth: Nach Recherchen von MDR Sachsen-Anhalt können derzeit 258 Millionen Euro nicht auf die Konten des Landes überwiesen werden. Wie wirkt sich dieser Auszahlungsstopp denn jetzt auf Sachsen-Anhalt aus?
    Thiel: Das wird teilweise gravierende Folgen haben, weil wir reden ja hier über Strukturfonds-Mittel in der letzten laufenden Strukturfonds-Periode, die 2015 am 31.12. enden muss. Und wenn bis Mitte des Jahres nicht die entsprechenden Projekte bewilligt worden sind und die Rechnungen bezahlt worden sind, wird es für die Verwendungsnachweisprüfung ganz schön eng. Da ist ein Stau entstanden. Es ist eigentlich verantwortungslos zu sagen, wir kriegen das schon irgendwie über die Runden, weil eine viertel Milliarde Euro hat man nicht so locker im Haushalt zur Verfügung.
    Herbstreuth: Wie Sachsen-Anhalt nun mit dem Auszahlungsstopp der EU-Fördergelder umgeht - das war ein Interview mit Frank Thiel, wirtschaftspolitischer Sprecher der Partei Die Linke. Vielen Dank, Herr Thiel, für das Gespräch und wir entschuldigen uns für die schlechte Verbindung.
    Thiel: Auf Wiederhören.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.