Archiv

Sachsen-Anhalt
Noch lange keine Gleichberechtigung

Hat die Krise der Volksparteien auch etwas mit dem geringen Frauenanteil zu tun? Nur ein Drittel der Abgeordneten im Deutschen Bundestag sind Frauen, im Landtag von Sachsen-Anhalt stellen sie gerade mal ein Viertel. Das will die Frauen-Union ändern und stößt mit dieser Forderung auf Granit.

Von Christoph D. Richter | 18.10.2018
    Gabriele Brakebusch (CDU) Landtagspräsidentin vom Landtag Sachsen-Anhalt
    Landtagspräsidentin Gabriele Gadebusch (CDU) fordert einen höheren Frauenanteil in der Politik in Sachsen-Anhalt (Peter Gercke/dpa-Zentralbild/dpa-mag)
    "In meinem Wahlkreis sind beide Kreisvorsitzenden Damen. In meiner Stadt ist sowohl die Stadtratsvorsitzende, als auch die Fraktionsvorsitzende eine Dame. Bei uns sind alle politischen Positionen von Frauen besetzt. Weil sie es schaffen."
    Sachsen-Anhalts christdemokratischer Ministerpräsident Rainer Haseloff macht klar: Jede Frau könne in der CDU alles werden. Mit dem Vorwurf, das die Frauen in der Union unterrepräsentiert seien, kann der in Lutherstadt Wittenberg lebende Regierungschef wenig bis nichts anfangen.
    Etwas differenzierter sieht es sein Parteifreund Marco Tullner. Er ist der sachsen-anhaltische Bildungsminister und der CDU-Kreisvorsitzende in Halle an der Saale. Man müsse Frauen gezielter ansprechen, ermutigen.
    "Da haben wir strukturelle Defizite, das will ich einräumen. Aber dass wir Listen künstlich- hin und herschieben, um formal Frauen nach vorne zu schieben, davon halte ich nichts."
    Frauen haben es in der Union schwer
    Deutliche Kritik am Frauenanteil in der CDU Sachsen-Anhalts kommt von Sabine Wölfer, der Vorsitzenden der Frauen-Union im Land. Sie ist Mitautorin der sogenannten Magdeburger Resolution, in der ein bundesweit geltendes Paritätsgesetz gefordert wird. Gemeint ist damit, eine paritätische – also eine geschlechtergerechte - Besetzung der Wahllisten, wie sie etwa in Frankreich seit 2001 praktiziert wird. Die sei auch zwingend in Deutschland notwendig, unterstreicht Wölfer. In Sonntagsreden würden das die männlichen Parteifreunde zwar mit unterschreiben, in der Realität sehe das aber anders aus. Frauen hätten es in der Union schwer sich gegen männliche Netzwerke durchzusetzen, so Wölfer weiter. Freiwillig passiere da gar nichts.
    "Wir Frauen müssen uns die Macht holen, um dann diese männlichen Machtstrukturen zu durchbrechen. Um den weiblichen Blick in die Politik reinzubringen."
    Die Unions-Parteispitze in Sachsen-Anhalt würde sich vehement gegen eine Gleichstellung von Frau und Mann wehren. Vorschläge aus der Frauen Union würden meist gar nicht aufgegriffen. Ja, Frauen würden in der CDU überhaupt nicht ernst genommen, so Wölfer weiter. Ähnlich sieht es CDU-Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch.
    "Ich denke schon, dass sich mehr Frauen engagieren würden, wenn man die weichen Kerne versetzen würde. Es gehört einfach dazu, dass man verschiedene Zeiten nimmt, wo die Mitgliederversammlungen stattfinden oder eine Kinderbetreuung möglich ist. Hier muss man mehr unterstützen, dann finden wir auch mehr Frauen."
    Ein Problem sei das sogenannte parteiinterne Quorum, das die Zusammensetzung der Bundestagsfraktion oder der Landeslisten in der CDU regelt. Im Statut heißt es wörtlich: "Frauen sollen an Parteiämtern und an öffentlichen Mandaten mindestens zu einem Drittel beteiligt sein." Passiere aber nicht, so CDU-Mitglied Sabine Wölfer. Da in der Union meistenfalls die Männer die ersten Listenplätze bekommen und damit die Direktmandate erlangen, landen die Frauen immer abgeschlagen auf den hinteren Plätzen, ohne Chance, in die Parlamente einzuziehen, so Wölfer weiter. Das müsse im Jahr 100, seitdem es das Frauenwahlrecht gibt, schleunigst geändert werden.
    "Das haben wir bisher nicht geschafft, weil CDU männerdominiert ist."
    Kaum Frauen in politischen Spitzenämtern
    Innerhalb Sachsen-Anhalts Christdemokraten liegt der Frauenanteil weit unter 30 Prozent, mit der Justizministerin und der Landtagspräsidentin werden lediglich zwei Spitzenpositionen im Land von CDU-Frauen besetzt.
    Nicht viel anders sieht der Frauenanteil in der Landesverwaltung aus. Vom selbstgesteckten Ziel von 50 Prozent Frauen – wie es im Koalitionsvertrag steht - ist man weit entfernt. Kurz mal durchgezählt: Von den 34 Abteilungsleiterstellen in den Ministerien sind nur sieben mit einer Frau besetzt, bei 122 Amts- und Behördenleitungen sind es lediglich 28 Frauen. Es gibt nur vier Staatssekretärinnen, von den drei Regierungssprechern ist keine Frau darunter.
    Ein Politikversäumnis nennt es Politik-Psychologe Thomas Kliche von der Hochschule Stendal. Die Grundidee der repräsentativen Demokratie würde gar verletzt werden, wenn man – wie bei den Frauen geschehen - große Teile der Gesellschaft ausschließen würde.
    "Es gibt Anliegen, die insbesondere die Lebenslagen von Frauen beschäftigen, die aber gleichzeitig unser aller Lebenswirklichkeit ändern würde. Beispielsweise bei prekärer Teilzeitbeschäftigung. Die betreffen insbesondere Frauen, da entsteht Altersarmut."
    Ein weiterer Aspekt sei beispielsweise der Mindestlohn, der insbesondere Frauen beträfe. Frauen bringen andere Themen und Perspektiven ein, brechen festgefahrene Strukturen auf. Aber sie wollen keine Almosen, sondern ein zugesichertes individuelles Recht auf Mitgestaltung, so Kliche weiter.
    Doch ob die Botschaft wirklich ankommt, so manche Frauen innerhalb der Union haben so ihre Zweifel.
    "Der geschäftsführende Vorstand der Jungen Union: Schön, männlich. Aber 50 Prozent des Volkes fehlen."
    Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel musste erst kürzlich ihre männlichen Kollegen in der Jungen Union anmahnen, dass die Mitarbeit von Frauen – salopp formuliert - nicht weh tue, gar Spaß mache.
    "Und ich sag Ihnen, Frauen bereichern das Leben. Nicht nur im Privaten, auch im Politischen. Keine Angst, sie wissen gar nicht, was Ihnen entgeht."