Archiv

Sachsen-Anhalt
Verfehlte Förderpolitik bremst Unternehmer

Noch immer befindet sich Sachsen-Anhalt im Wirtschaftsranking auf den Abstiegsplätzen. Das könnte auch damit zu tun haben, dass Unternehmer dort mitunter skeptisch betrachtet werden und man mit ihnen Profitgier verbindet. Aber auch Fördermittelgeber tun sich schwer, motivierte Gründer zu unterstützen. Drei erfolgreiche Geschäftsleute berichten von ihrem mitunter steinigen Weg.

Von Christoph Richter |
    Ein Mann und eine Frau in Business-Look beugen sich gemeinsam über einen Laptop-Computer
    Manche Unternehmer in Sachsen-Anhalt beklagen eine verfehlte Förderpolitik im Land (Symbolfoto). (imago / McPHOTO)
    " ... das war jetzt viermal, das ist vier Uhr. 16 Uhr."
    In Kalbe läuft alles im Takt der Zeit, ein Rädchen greift ins andere. Dirk Dornblüth ist der Geschäftsführer der Uhren-Manufaktur Dornblüth und Sohn in der ländlichen Altmark, 40 Kilometer nordöstlich von Wolfsburg.
    "Damals, als wir anfingen, mein Vater und ich, als wir erzählten, was wir vorhatten, mein Vater und ich, da haben alle gesagt, ihr habt doch einen Vogel. Und dann war ich mal in der Uni Magdeburg. Da war da ein Professor, der hat gesagt, das können sie gleich vergessen, es gibt so viele Uhrenmarken. Das wird nie was."
    Ist doch was geworden, sagt Dirk Dornblüth. Die Chronographen kosten zwischen 3.000 und 15.000 Euro. Und können sich mit den Großen dieser Welt messen: Handgravierter Unruhkolben, Schwanenhals- Feinregulierung, Gangreserve. Wartezeit dafür: ein Jahr. Um sich ihre edlen mechanischen Zeitmesser abzuholen, reisen die Kunden aus den entferntesten Winkeln der Welt wie Japan oder den USA gar höchstpersönlich in die westliche Altmark.
    In Sachsen-Anhalt dagegen schaut man eher neidisch, fast missgünstig nach Kalbe. Das Feindbild Unternehmer, in Sachsen-Anhalt hat diese Vorstellung noch immer nicht völlig ausgedient, sagt Uhrmacher Dornblüth. Insbesondere in den Schulen würde geradezu ein wirklichkeitsfernes Bild vom Unternehmertum vermittelt, erzählt er noch.
    "In vielen Schulen habe ich den Eindruck, dass ein Unternehmer gleich nach dem Kinderschänder kommt. Gewinn zu machen ist was schlechtes und so. Das ist in der Politik zum Teil auch so."
    Erfolgreich mit Dudelsäcken
    Für Sozialpsychologen sind das Überbleibsel aus dem Realsozialismus. Als berufliche Selbstständigkeit und Unternehmertum lediglich negativ beurteilt wurde, das im Arbeiter- und Bauernstaat keinen Platz haben durfte. Mit ruhiger Hand dreht und wendet Steffen Fischer seine Instrumente. Seit 13 Jahren baut er in der anhaltischen Bach-Stadt Köthen Dudelsäcke. Mit riesigem Erfolg, denn mit dem Liefern der Instrumente kommt er kaum noch nach. Das Geschäft brummt.
    "Ja, das kann man so sagen, dass die Nachfrage gut ist. Also das geht in die ganze Welt. Kunden von USA, Japan, Australien. Von überall kommen sie."
    Die Unternehmensgründung war aber alles andere als leicht. Unterstützung von Landesseite? Unterstützung von Sparkassen und Banken? Fehlanzeige! Instrumentenbauer Steffen Fischer ist erbost.
    "Man will immer nur. Man soll etwas machen. Und dann versucht man und dann wird man alleingelassen. Das ist wirklich ein Problem."
    Beim Wirtschaftswachstum belegt Sachsen-Anhalt nach Angaben des statistischen Landesamtes im bundesdeutschen Vergleich aktuell den letzten Platz. Das Bruttoinlandsprodukt stieg zwar minimal um 0,4 Prozent, liegt damit aber sowohl unter dem bundesweiten Schnitt von 1,6 Prozent als auch unter dem Durchschnitt der fünf neuen Länder. Neben historischen Gründen, dass Sachsen-Anhalt durch die großen Industrie-Kombinate und die Öko-Katastrophe im Chemie-Dreieck die schwierigsten Startbedingungen aller ostdeutschen Länder hatte, ist nach Ansicht des Volkswirtschaftlers und Ex-Finanzministers Karl-Heinz Paqué die verfehlte Förderpolitik ein wichtiges Indiz dafür, dass Sachsen-Anhalt mit den anderen Ländern immer noch nicht mithalten könne.
    "Also die entscheidende Orientierungsgröße für die Nachhaltigkeit ist aus meiner Sicht, ob aus Investitionsprojekten tatsächlich Unternehmen entstehen, die die Weltmärkte beliefern. Das ist bei einem touristischen Projekt in Bitterfeld, für den Tourismus in der unmittelbaren Nähe, also für den Wochenendtourismus oder bei Nagelstudios nicht der Fall."
    1999 hat der gelernte Einzelhändler Marcel Schulze eine seit 200 Jahren eingeschlafene Weinanbautradition um Zeitz – im südlichen Sachsen-Anhalt – wiederbelebt. Hier wurden zuletzt zu Napoleons Zeiten Weine gekeltert. Als Winzer Schulze mit dem Weinbau begann gab ihm keiner auch nur eine einzige Chance.
    "Wir haben nicht mal ein Kontokorentkredit gekriegt. Sprich für Flaschen oder Korken oder so was für die erste Abfüllung."
    Heute klopfen ihm Politiker auf die Schulter, erzählt Marcel Schulze, dessen Weingut bereits drei Mal die höchste deutsche Weinauszeichnung, den Bundesehrenpreis, verliehen bekommen hat. Thomas Döhnert von der Investitionsbank Sachsen-Anhalt gesteht, dass Fördermittelgeber doch oft sehr knauserig seien beziehungsweise an die Innovation so mancher Unternehmung nicht glauben würde.
    "Also, ja es ist richtig, dass Geschäftsbanken verhaltener als es früher mal war, Kredite in die Hand nehmen, um Unternehmen, gerade junge Unternehmen zu finanzieren."
    Zurück in die Altmark, zum Uhrmacher Dirk Dornblüth, dessen teure Chronographen Menschen in Hawaii, Tokio oder Dubai am Handgelenk tragen. Ein Geschäftsmodell, dass jeder schaffen könne. Nichts ungewöhnliches, sagt er. Sein zugegeben etwas salopper Ratschlag: Nicht auf den Staat warten, lieber die eigene Großmutter anpumpen, um sich Kapital zu beschaffen.
    "Sich mal was trauen, Mut zum Risiko. Und selber Verantwortung übernehmen. Das ist eigentlich der Punkt."