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Sachsen
Die Porphyr-Steinmetze von Rochlitz

Vor etwa 1.000 Jahren wurde begonnen, den Rochlitzer Porphyr professionell abzubauen. Für Mittelsachsen ist er zum Heimatstein geworden. Er wurde in Portalen, Türen oder Fenstereinfassungen verbaut. Auch Hobby-Steinmetze bearbeiten ihn gerne, weil er zu den sogenannten Weichgesteinen zählt.

Von Franz Lerchenmüller | 20.09.2015
    Mit dem Abbruch von Porphyr sind am 26.10.2010 zwei Mitarbeiter in einem Steinbruch bei Rochlitz beschäftigt. Der 280 Millionen Jahre alte Naturstein mit der typischen roten Färbung wird schon seit tausend Jahren als regionaler Baustoff verwendet.
    Mit dem Abbruch von Porphyr sind am 26.10.2010 zwei Mitarbeiter in einem Steinbruch bei Rochlitz beschäftigt. Der 280 Millionen Jahre alte Naturstein mit der typischen roten Färbung wird schon seit tausend Jahren als regionaler Baustoff verwendet. (picture-alliance / dpa / Jan Woitas)
    Noch liegt der Steinblock, 30 mal 20 mal 15 Zentimeter groß, unberührt auf dem stabilen Holzbock. Dieser Stein birgt ein Geheimnis: In ihm verborgen ruht eine Vogeltränke - aber sie muss erst noch freigelegt werden. Peter Paul Stahns, der Bildhauer, der das Seminar leitet, erklärt die ersten Schritte.
    "Wir fangen an mit einer Rundung. Dann wird das hier weggearbeitet, das wird die Fläche. Dann wird das alles weggehauen, das bleibt stehen. Dann hat man ein Gefühl für den Stein erst mal, was man machen kann, worauf man achten muss und auch den Widerstand."
    Sorgfältig zeichnet er auf den Quader zwei Kreise und verbindet sie mit Linien.
    "Wir arbeiten ja immer von außen nach innen nicht von innen nach außen wie beim Modellieren von Ton. Also müssen wir die Rundung von außen machen. Und das machen wir, indem wir diese tangierende Fasen ziehen. Der erste Fasen ist 1,6 hier und 1,6 hier."
    Es hört sich komplizierter an, als es ist. Laienhaft gesprochen geht es darum, die eine Kante abzubrechen und die dann neu entstehenden kleineren Kanten auch. Sozusagen schrittweise nähert man sich der Rundung an. Und schon hält der Neuling zum ersten Mal selbst den Knüpfel, den halbrunden Holzhammer, und das Zahneisen, ein an der Schneide mehrmals durchbrochenes Stemmeisen in der Hand. Vorsichtig schlägt er zu. Es funktioniert! Steinsplitter spritzen, die Kante verschwindet nach und nach.
    Fünf Teilnehmer und Teilnehmerinnen wollen sich diesmal in die Geheimnisse der Steinmetzkunst einweisen lassen. Ute, die Kunstlehrerin, wagt sich gleich an Größeres.
    "Also das wird ein Torso, ein weiblicher Torso. Wir haben den Stein als Vorlage gehabt, als Quader, und dann, so wie die Figur im Prinzip aussehen soll, aufgezeichnet. Und dann wird anhand der Vorzeichnung erst mal die Silhouette rausgemeißelt aus dem Stein."
    Peter verlegt beruflich Holzfußböden. Er arbeitet an einer flachen Schale.
    "Das ist eine sehr dünne Scheibe, die ist nur fünf Zentimeter dick, und ich muss beim Schlagen darauf achten, dass ich die Energie nicht in den Stein reingebe, sondern das Material abplatzen lasse. Darum muss man vorsichtig arbeiten, ohne Wucht, locker aus dem Handgelenk, dann klappt das vielleicht - hoffentlich.
    Allmählich entwickelt sich ein Gespür für Werkzeug und Material. Bald hat jeder seinen Rhythmus gefunden, hell klingen die Schläge durch den Wald.
    Vulkanausbruch hat den Roten Porphyr entstehen lassen
    Der Rote Porphyr, der Stein, an dem alle arbeiten, ist 270 Millionen Jahre alt. Ein Vulkanausbruch hat ihn einst geschaffen, sagt Klaus Kalenborn, der heute die Steinbrüche am Rochlitzer Berg betreibt.
    "Ein Glutwolkenausbruch. Ein Ignimbrit ist entstanden. Und diese Ignimbrite, als Fachbegriff für diese Steinsorte - je nachdem welche Hitze, aus welcher Tiefe, mit welchem Druck dieses Material nach oben kommt, unterschieden die sich auch sehr stark."
    Einsprengsel von Luft und Quarzen machen den Porphyr porös und verleihen ihm ein Farbenspektrum von hellem Rosa bis zu tiefem Violett. Dazu kommt eine weitere positive Eigenschaft.
    "Die lange Haltbarkeit. Wir haben ja sehr alte Gebäude hier in der Region, 800 Jahre, die alle noch mit dem Originalmaterial stehen. Und das Entscheidende: sogar mit der Original-Farbigkeit. Und man kriegt nach 800 Jahren noch Ersatzteile."
    Und noch aus einem dritten Grund arbeiten Bildhauer und Steinmetze gern damit.
    "Der Porphyr gehört, wie der Muschelkalk, der Sandstein, zu den sogenannten Weichgesteinen. Er ist deutlich leichter bearbeitbar als der Marmor. Und je weicher ein Stein ist, desto schneller und filigraner kann ich in dem Stein arbeiten, bildhauerisch."
    Zum Mahlen von Getreide wurde der Rochlitzer Porphyr schon vor 3.000 Jahren genutzt. Vor etwa 1.000 Jahren begann man damit, ihn professionell abzubauen. Um 1900 gab es zehn Steinbrüche auf dem Berg. Auf dem Porphyr-Lehrpfad erklärt Führerin Steffi Brandl, mit welchen Methoden die Arbeiter vorgingen.
    "Die Erste war mit einem Zweispitz. Das müssen Sie sich vorstellen wie eine Spitzhacke mit zwei Spitzen. Es wurde eine linke, eine hintere und eine rechte Seite in der Breite von drei Zentimeter in die Kerbe reingeschlagen. Und dann von vorne wurden Eisenkeile reingetrieben, und es gab einen großen Hammerkopf, befestigt an einer Haselnussrute, wo dann der Arbeiter so von links nach rechts ging und leichte, federnde Schläge auf diese Meißel ausübte, und zwar so lange, bis es irgendwann Knack machte und der Stein war rausgehoben."
    Im Gleisbergbruch fallen die Wände schnurgerade 60 Meter ab. Fotos zeigen, wie die Arbeiter über Leitern von Abschnitt zu Abschnitt in die Tiefe kletterten, in die staubige Hölle am Grund. Der technische Fortschritt brachte dann einige Erleichterungen.
    "Später dann, wo es elektrischen Strom gab, wurde dieser Zweispitz mit einer Schrämmmaschine ersetzt. Das müssen Sie sich vorstellen wie eine überdimensionale Kettensäge mit einem großen Schwert vornedran, mit gehärtetem Stahl. Und jetzt ist das alles natürlich nicht mehr rentabel genug, heutzutage wird er gesprengt."
    Die Arbeit der Hobby-Bildhauer ist inzwischen vorangeschritten. Die Kanten der Vogeltränke sind abgetragen, die Rundung wurde geschliffen - jetzt geht es in die Tiefe, sagt Peter Stahns.
    "Erst kommt das Aufzeichnen der Höhe. Dann kommt das Sprengeisen. Danach muss ich mit dem Spitzeisen den Bossen von außen nach innen freilegen, sodass ich einen Randschlag machen kann. Und dann können wir hier eine kleine Schale machen, rechteckig."
    Wieder klingt es komplizierter, als es ist. Mit dem Spitzeisen werden Rillen in den Stein getrieben, Reihe um Reihe, erst längs, dann quer, und langsam wird das Becken tiefer. Peter Stahns geht von einem zur anderen, korrigiert und hilft und regt zum Denken an.
    "Das ist mir klar, das geht von hier rum. Was mir nicht klar ist, wie das gelöst wird."
    Lange Tradition auf dem Rochlitzer Berg
    Wer auf dem Rochlitzer Berg arbeitet, weiß sich in einer langen Tradition. Von hier ging der Stein als Material für den Stierbrunnen bis nach Berlin oder für das Grabmal von Immanuel Kant nach Königsberg. Vor allem aber prägte er Mittelsachsen, sagt Gästeführerin Elli Martinek im nahen Rochlitz.
    "Der Porphyr, das ist unser Heimatstein, wie man so schön sagt. Der ist also über viele Jahrhunderte abgebaut worden und findet sich hier an Portalen, Türen, Fenstereinfassungen immer wieder. Das sind ja alles so Bürgerhäuser hier rundherum um den Markt - zeigt auch ein bisschen, dass Geld in der Hand war, dass die Leute sich das haben leisten können."
    Auch die DDR nutzte den Porphyr und verkaufte etwa das schöne rote Pflaster aus unregelmäßigen Steinen, das einst den ganzen Platz bedeckte, gegen harte Devisen an Schweden.
    "Ich bin ja 47 hier in Rochlitz geboren und ich weiß, dass der Porphyr immer ein Exportschlager gewesen ist. Und über unsere Grenzen hinaus auch in Deutschland sehr häufig wiederzufinden ist. Ganz bekanntes Beispiel, das es gar nicht mehr gibt, ist zum Beispiel der Palast der Republik, dort ist sehr, sehr viel Porphyr verbaut worden. In Leipzig finden sich sehr viele Gebäude, wo Porphyr verbaut worden ist. Und man hat leider in den 80er-Jahren sehr viele Porphyr-Brüche stillgelegt. Das ist aber alles wiederbelebt worden."
    Im Rochlitzer Schloss sind alle Steine, die bearbeitet wurden, aus Porphyr. Museumspädagogin Almut Zimmermann schwärmt von den Arbeiten des großen Baumeisters Arnold von Westfalen - und von seinem Material.
    "Dieses Maßwerk, die Maßwerkfenster, diese schönen Vorhangbogengestaltungen. Und das Besondere am Rochlitzer Porphyr sind ja diese Adern, die diesen Stein so lebendig erscheinen lassen, die machen ihn so interessant, der wirkt fast wie Marmor, natürlich nicht so glatt und kalt, sondern er hat eben eine viel wärmere Struktur, weil es eine rauere Struktur ist, und man kann ihn nicht so glatt schleifen, aber man kann ihn eben sehr, sehr schön bearbeiten."
    Bereits im 13. Jahrhundert entstand eines der eindrucksvollsten Werke in Porphyr - der Lettner in der Basilika von Wechselburg. Zwischen dunkelroten Säulen stehen in dunkelroten Nischen Figuren in hellerem Rot. Ornamente zieren die Bögen, und über allem thront ein gewaltiges Kreuz aus Eiche. Dieser Lettner mischt Kunstepochen, sagt Pater Gabriel, der ihn in- und auswendig kennt. Er ist ...
    "... noch im Wesentlichen im unteren Teil romanisch konzipiert, weil noch komplett ein Figurenprogramm aus der Bibel genommen ist und noch nicht, wie es dann ab der Gotik üblicher war, Heiligenfiguren darzustellen, also alles Propheten, Könige aus dem Alten Testament. Unten Abraham und Melchisedek. Den Übergang zur Gotik sieht man dann schon deutlicher oben an der Kreuzigungsgruppe."
    Gleich dahinter befindet sich das Grabmal der beiden Stifter. Graf Dedo und seiner Gattin Mechthild.
    "Da der Dedo der Feiste hieß und man damit eine Korpulenz voraussetzen konnte, kam diese schöne Geschichte, dass er mit dem Kaiser nach Italien reiten wollte, und der Kaiser habe ihn gewarnt: Du mit deinem Körpergewicht auf dem Pferd über die Alpen, das lass lieber sein, und dann habe er gesagt, das werden wir schon sehen, und hat den Bader kommen lassen, der ihm das Fett hätte runterschneiden sollen. Also so ist die Geschichte. Hier ist er gar nicht so korpulent dargestellt."
    Noch einmal zurück auf den Rochlitzer Berg. Es ist Abend geworden, und die Hobby-Bildhauer sind ein ganzes Stück weitergekommen. Peter etwa hat sein Werkstück beendet.
    "Eine Schale aus einer sehr dünnen Platte - und es hat geklappt, ist nicht kaputtgegangen - ja! Das ist eine Herausforderung, da kann man sich wirklich austoben das ist ein schöner Ausgleich. Der Ausgleich ist halt die Herausforderung dieses Steins: Denn der Stein macht eigentlich doch so ziemlich, was er möchte".
    Gunar, Wirtschaftsberater von Beruf, arbeitet an einem großen Kopf. Auch er hat Fortschritte gemacht.
    "Hinterkopf ist dran, Hals auch. Jetzt kommt Stirn und Nasenpartie erstmal. Also ich bin sehr zufrieden. Ich hätte gedacht, dass es viel komplizierter, schwieriger würde, sich viel länger hinziehen. Man hat was im Kopf, was man sich vorstellt und versucht es, im Stein umzusetzen. Und der Vorteil ist, dass man hier zu jeder Zeit jemanden hat, den man fragen kann, der einen dann berät."
    Auch die Vogeltränke ist fertig geworden. Vier Zentimeter tief ist das Becken, der Wulst ist glatt und rund geworden - erstaunlich, was sich an nur einem Tag mit einem Stück Stein anstellen lässt. Und noch eine gute Nachricht zum Schluss: Auf den Daumen gehauen hat sich an diesem Tag niemand.