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Sachsen
Interreligiöses Kulturfestival in Dresden

Sachsen ist mehr als Randale vor Flüchtlingsheimen. Dresdner Künstler bereiten das erste Inter-Religiöse Kulturfestival Dresden vor. Musikern aus sieben Religionsgemeinschaften sind daran beteiligt. "In Musik vereint" – so das Motto der Veranstaltung.

Von Heike Schwarzer | 27.08.2015
    Blick in das Kirchenschiff der Kreuzkirche Dresden.
    Dresdner Kreuzkirche - ein symbolkräftiger Ort für das 1. Interreligiöse Kunstfestival (picture-alliance / dpa-ZB / Steffen Unger)
    Das Bündnis Inter-Religiöses Dresden, kurz BIRD genannt, ist eine bürgerschaftliche Initiative, geboren als Pegida in Dresden aufmarschierte und anwuchs, sichtbar, jeden Montag, meist vor der Semperoper auf dem Theaterplatz. Dort arbeitet BIRD-Mitbegründer Sebastian Römisch. Er spielt Solo-Oboe bei der Staatskapelle, ein Berliner und Katholik, der lange schon mit seiner Familie in Dresden lebt.
    "Was für mich eben überhaupt nicht nachvollziehbar ist, wie man Menschen pauschal versucht auszuschließen aus unserer Gesellschaft, nur weil sie woanders herkommen, weil sie anders aussehen, einen anderen Glauben haben, eine andere Kultur."
    Und weil er das nicht verstehen kann, hat er aus seiner religiösen Überzeugung heraus nach Antworten gesucht und dabei auch unter Dresdner Musikerkollegen Verbündete gefunden. Seit fünfzehn Jahren ist die Staatskapelle Dresden sein berufliches Zuhause, ein Klangkörper mit beinah 500 Jahren Geschichte, für ihn undenkbar ohne Einflüsse aus fremden Kulturen. Doch nicht nur das:
    Orchester – Lebensschule für die Gesellschaft
    "Wenn ich im Orchestergraben sitze, ich frage meinen Sitznachbarn nicht, woran glaubst du? Wir haben eine gemeinsame Sprache, das ist die Musik. Und genauso wie im Orchester kann es auch in der Gesellschaft funktionieren. Auch im Orchester sind wir unterschiedlich, die Holzbläser klingen anders als die Blechbläser und die Streicher. Ich kann nicht einfach sagen, ja mir gefällt aber nicht, wie die Trompete bläst, weg damit. Sondern sie ist da, und nur wenn wir zusammen harmonieren, kann etwas Phantastisches entstehen."
    Das Orchester – ein Stück Lebensschule für zivile Gemeinschaft, davon ist der Dresdner Musiker überzeugt. Die letzten Vorbereitungen für das Festival laufen, und noch schreibt Sebastian Römisch an der letzten Komposition. Im Internet ist er auf einen Live-Mitschnitt aus Beirut gestoßen, der ihn zu einer Art interreligiösem Friedensgesang inspirierte.
    "Wir haben einen religionsneutralen Text genommen, es ist kein Gebet. Wer will kann auch dabei beten innerlich. Es ist ein gemeinsames Flehen nach einem friedlichen Miteinander. Der Text wird zuerst von einem muslimisch-arabischen Sänger gesungen, dann von einer christlichen Sängerin, dann gibt es eine Instrumentaleinlage, in der eine jüdische Oboe und eine buddhistische Danbou erklingt. Und am Schluss soll mit der großen Kirchenorgel dann alles zusammen erklingen."
    Das zumindest ist der Plan. Seit Wochen sitzt er mit Kollegen und Freunden über dem Programm für das Interreligiöse Kulturfestival, das die 25-Mann-starke BIRD-Initiative aus Dresden in nur wenigen Monaten auf die Beine gestellt hat.
    200 Künstler aus sieben Religionen und Weltanschauungen
    "Wir haben bewusst versucht das Programm so zu gestalten, dass wir auf die Gemeinsamkeiten Wert legen, dass die Künstler aus den einzelnen Religionen gemeinsam spielen."
    Rund 200 Künstler aus sieben Religionen und Weltanschauungen, versammelt in einem Festivalchor und einem Festivalorchester – das ist die Programmstatistik zwei Wochen vor dem Auftakt. Am Klavier begleitet Adrian Zehndy, 23 Jahre alt, er studiert Jazzpiano an der Dresdner Musikhochschule. Seine Gemeinde der Bahai in Dresden zählt gerade mal 20 Personen:
    "Das ist auch in der Bahai-Religion ein Grundsatz, dass wir versuchen die Vorurteile abzubauen, denn das ist eigentlich das Trennende in der Gesellschaft. Das ist auch das Motto des Festivals –zuerst Mensch, wir sind alle Menschen. Die Unterschiede werden von uns Menschen gemacht, es sind keine von Gott gemachte Unterschiede."
    Dieses Grundmotiv des Interreligiösen Festivals vereint auch Dresdner Sikhs, Juden, Buddhisten und viele Konfessionslose. Roland Vetters, geboren in Hoyerswerda, lebt seit 1988 in Dresden.
    "Ich bin keiner Religion zugehörig und auch kein aktiv Gläubiger, aber es gibt natürlich Berührungspunkte zu verschiedenen Religionen. Das kommt einmal durch meinen Beruf, ich bin Musiker, wir spielen kirchliche, christliche, wir spielen weltliche Musik."
    Sein Beruf als Klarinettist einerseits, aber auch grundlegende Daseinsfragen bringen ihn immer wieder in Berührung mit Religion und Philosophie. "In Musik vereint", so das Motto des Festivals, das versteht Roland Vetters denn auch im wortwörtlichen Sinne, auch oder gerade als bekennender Atheist.
    "Nächstenliebe zum Beispiel, Altruismus, Liebe, das ist eigentlich der Kitt, womit die Menschen zusammenleben. Und diese Ethik ist nicht nur etwas, was die Religionen verbindet, sondern was alle Menschen verbinden, ob sie gläubig sind oder religiös sind, ob sie Atheisten, Agnostiker oder Humanisten sind. Das berührt mich auch als Atheist. Deshalb mache ich mit, ja."
    Mit der Dresdner Kreuzkirche ist ein symbolkräftiger Ort für das 1. Interreligiöse Kunstfestival gefunden: Der größte evangelische Kirchenbau Sachsens ist das kirchenmusikalische Zentrum der Stadt. Vor 25 Jahren war die Kreuzkirche das Zentrum der friedlichen Revolution in Dresden. Und seit den Pegida-Demonstrationen will die Gemeinde erneut Ort für Verständigung und Besinnung sein.