Donnerstag, 28. März 2024

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"Anti-Corona-Spaziergänge"
Druck auf Sachsens Innenminister Wöller wächst, Corona-Proteste zu unterbinden

Wegen der dramatischen Corona-Lage gelten in ganz Sachsen eigentlich besonders strenge Regeln. Dennoch werden in vielen Städten des Freistaats Woche für Woche unangemeldete Protestaktionen geduldet. Das sorgt für Streit - und für Rücktrittsforderungen im Netz.

01.12.2021
    Roland Wöller (CDU), Innenminister von Sachsen, spricht auf der Kabinetts-Pressekonferenz. Thema der Pressekonferenz waren Vorfälle bei den Demonstrationen nach dem Tod eines 35-jährigen Mannes in Chemnitz. (28.8.2018).
    Landesinnenminister Roland Wöller, CDU, steht derzeit im Zentrum der Kritik an den Protesten, mit denen in Sachsen Corona-Auflagen verletzt werden. (dpa -news / Monika Skolimowska)
    In Sachsen ist die Corona-Lage besonders angespannt. Der Freistaat meldet seit langem Inzidenz-Werte weit über dem Bundesdurchschnitt. Die Intensivstationen sind überlastet. Bundesligist RB Leipzig spielt vor leeren Rängen. Die Gastronomie schließt um 20 Uhr. In besonders stark betroffenen Regionen gilt zudem eine nächtliche Ausgangssperre für Ungeimpfte.

    Eigentlich sind auch nur Versammlungen mit maximal 35 Teilnehmern erlaubt. Dennoch gibt es in einigen sächsischen Städten jeden Montag Kundgebungen mit weitaus mehr Menschen, meist ohne Masken und Abstand. Die Proteste richten sich gegen die Corona-Schutzmaßnahmen. Deutschlandfunk-Landeskorrespondent Alexander Moritz hat darüber berichtet:
    "Freie Sachsen" und "Anti-Corona-Spaziergänge" - von Polizei geduldet?
    Die Polizei begleitet diese Aktionen zurückhaltend. Die Linkspartei im sächsischen Landtag kann das nicht verstehen. Die Abgeordnete Kerstin Köditz spricht von einem "weiterhin geduldeten Bruch von Infektionsschutz-Maßnahmen bei sogenannten Coronaprotesten". Köditz beklagte mit Blick auf den Montag dieser Woche:

    "Trotz vorher bekannter Aufrufe konnten am Montagabend in etlichen sächsischen Orten erneut illegale Protestveranstaltungen stattfinden, die offenbar größtenteils unangemeldet waren und bei denen absichtlich gegen Corona-Schutzmaßnahmen verstoßen wurde.“
    Teilnehmer einer Demonstration der Initiative "Querdenken" stehen auf dem Augustusplatz in Leipzig.
    "Querdenken"-Demonstration in Leipzig (dpa / Sebastian Kahndert)

    Innenminister Wöller weist Kritik zurück

    Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) weist die Kritik zurück. Auch er hat nach eigenen Angaben kein Verständnis dafür, dass "mehrere hundert Menschen ohne Abstand, Masken und vor allem ohne Gedanken an mögliche Konsequenzen für alle ignorant und egoistisch durch Städte" spazieren, während Hubschrauber Patienten aus Sachsen in andere Bundesländer fliegen müssen.
    Der Minister erklärte dem Nachrichtenportal "t-online" aber auch: "Diese Pandemie und die Unvernunft von vielen lassen sich nicht mit polizeilichen Mitteln und schon gar nicht mit Gewalt bekämpfen." Dabei pocht der Minister auch auf die hohe Bedeutung des Versammlungsrechts.
    Seinen Parteifreund Marco Wanderwitz kann Wöller offenbar nicht überzeugen. Der Ost-Beauftragte der scheidenden Bundesregierung meldete sich auf Twitter mit einem eindeutigen Statement zu Wort:

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    Auf Twitter trendet der Hashtag "WoellerRuecktritt". Viele User werfen dem sächsischen Innenminister vor, durchaus zu wissen, wie man mit Härte gegen Demonstranten vorgeht - solange es sich um solche aus der linken Szene handele.

    Sachsens Sicherheitsbehörden in Sorge

    Sachsens Sicherheitsbehörden zeigen sich währenddessen über eine zunehmende Radikalisierung von Gegnern der Corona-Schutzmaßnahmen besorgt. "Die Idee eines gewaltsamen Widerstands gegen demokratische Regeln gehört inzwischen zu den typischen Standardforderungen der Bewegung der Corona-Leugner“, erklärte der Präsident des Landesamts für Verfassungsschutz, Dirk-Martin Christian, auf Anfrage der Deutschen Presseagentur. Die Anti-Corona-Proteste würden immer aggressiver und stünden unter dem Einfluss von Rechtsextremisten, sogenannten Reichsbürgern und Antisemiten.

    "Freie Sachsen" wollten auch schon spontane "Grenzkontrollen"

    Mehrfach hat Christian auf die zentrale Rolle der Bewegung "Freie Sachsen“ hingewiesen. Diese extrem rechte Organisation war Ende Oktober mit dem Aufruf zu spontanen Grenzkontrollen zur Abwehr illegaler Migration aufgefallen. Damals hatte der sächsische Verfassungsschutz erklärt, das Gewaltmonopol liege beim Staat und nicht bei Verfassungsfeinden. Im Juni waren die "Freien Sachsen" als rechtsextremistisch eingestuft worden. Daniela Kahls hatte darüber damals für den Deutschlandfunk berichtet.
    Freie Sachsen als rechtsextremistische Bestrebung eingestuft
    Der Mitteldeutsche Rundfunk hat sich im Mai 2021 in einem Rechercheprojekt mit den "Freien Sachsen" beschäftigt.