NSU-Morde
Sachsens Innenminister Schuster: "Rückblickend komplettes Systemversagen"

25 Jahre nach dem ersten Mord des Terrornetzwerks NSU hat der sächsische Innenminister ein Systemversagen der Behörden bei der Aufklärung beklagt. Man habe damals nicht mit solchen politischen Attentaten von Rechts gerechnet, sagte Schuster im Deutschlandfunk.

    Die Namen von Menschen, die vom NSU ermordet wurden, stehen auf einer Stele bei der Gedenkfeier zum 16. Todestag von NSU-Opfer Halit Yozgat. Yozgat war 2006 mutmaßlich das letzte Opfer der NSU-Morde gegen Migranten in Deutschland.
    Die Namen von Menschen, die vom NSU ermordet wurden, auf einer Stele (picture alliance / dpa / Swen Pförtner)
    Viele Fragen seien auch 25 Jahre nach dem ersten Mord nicht geklärt, betonte Schuster. Der Innenminister sieht aber Fortschritte im Kampf gegen Rechts. In Sachsen sei etwa das Landesamt für Verfassungsschutz reformiert worden. Auch befassten sich inzwischen deutlich mehr Polizisten und Fachleute mit Rechtsextremismus und -terrorismus. Trotzdem betonte Schuster, der früher Obmann der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Innenausschuss war: "So was kann wieder passieren, aber die Wahrscheinlichkeit ist dramatisch geringer als damals".

    Ex-Innenminister Beckstein: NSU-Morde "größte Niederlage des Rechtsstaats"

    Der frühere bayerische Innenminister Beckstein räumte Fehler bei der Aufklärung ein. Die Mordserie des NSU bezeichnete der CSU-Politiker in den "Nürnberger Nachrichten" als größte "Niederlage des Rechtsstaats" in seiner aktiven Zeit. Die Täter hätten eine "unglaubliche Professionalität" an den Tag gelegt. Zugleich habe es viele Pannen in der Ermittlungsarbeit der einzelnen Behörden gegeben. Er sei immer der Meinung gewesen, dass es in der Region weitere Mitwisser oder Helfer gegeben haben müsse, so Beckstein, der von 1993 bis 2007 bayerischer Innenminister und von 2007 bis 2008 bayerischer Ministerpräsident war. Dazu hätten auch einzelne Hinweise vorgelegen.

    Keine komplette Offenlegung der NSU-Akten

    Der Innenminister von Sachsen sprach sich gegen eine komplette Freigabe der NSU-Akten aus, wie sie immer wieder von Angehörigen der Opfer gefordert wird. Das würde einen tiefen Einblick in Methoden von Staatsschützern und Verfassungsschützern geben, sagte Schuster. Befremdet zeigte er sich darüber, dass Beate Zschäpe Teil eines Aussteigerprogramms aus der rechten Szene werden soll. Resozialisierung sei zwar eine gesetzliche Pflicht als Teil des Strafvollzugs, meinte Schuster, aber "ich vermisse bei Frau Zschäpe, dass sie jemals Reue gezeigt hätte". Sie habe auch nicht wesentlich zur Aufklärung der Mordserie beigetragen.

    Zschäpes Anwalt: Aufnahme in Aussteigerprogramm ein Faktor von vielen

    Der "Nationalsozialistische Untergrund" (NSU) hatte über Jahre unentdeckt Bombenanschläge verübt und zehn Menschen ermordet - darunter neun Gewerbetreibende türkischer und griechischer Herkunft sowie eine Polizistin. Die Thüringer Rechtsextremisten Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt töteten sich im November 2011 in Eisenach nach einem Banküberfall auf der Flucht vor der Polizei selbst. Beate Zschäpe wurde 2018 als Mittäterin an der NSU-Mordserie zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Das Oberlandesgericht München stellte auch die besondere Schwere der Schuld fest. Damit ist eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren so gut wie ausgeschlossen. Allerdings kann das Gericht eine Mindestverbüßungsdauer festlegen. Zschäpe sitzt in der Justizvollzugsanstalt Chemnitz in Sachsen. Im kommenden Jahr wird über ihre weitere Haftdauer entschieden. Die Aufnahme in ein Aussteigerprogramm sei ein Faktor von vielen, der dabei berücksichtigt werde, sagte Zschäpes Anwalt.

    Gedenkfeier in Nürnberg

    Am 9. September 2000 wurde der türkische Blumenhändler Enver Şimşek in Nürnberg niedergeschossen. Am heutigen 25. Jahrestag werden Semiya und ihr Bruder Abdulkerim Şimşek am Tatort in Nürnberg an ihren Vater erinnern. Bereits gestern hatte Semiya aus ihrem 2013 erschienenen Buch "Schmerzliche Heimat" vorgelesen, im dem sie den Mord verarbeitet.

    Weitere Informationen:

    NSU-Mordserie - Tochter erinnert an den Tod Enver Simseks vor 25 Jahren (Audio)
    Die Gefahr rechten Terrors ist nicht gebannt (Audio)
    Diese Nachricht wurde am 09.09.2025 im Programm Deutschlandfunk gesendet.