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Saddams Rüstungslieferanten

Der Tod kam nachts und hatte sich mit einem süßlichen Duft von Äpfeln getarnt. Nervengas, versprüht aus Kampfhubschraubern. Als die Angreifer wieder fort waren, lagen in der Stadt Halabdscha im Norden Iraks Tausende Leichen – Frauen und Männer, Kinder und Alte, niemand weiß bis heute genau wie viele, alle getötet durch das Nervengift VX. Es war der 16. März 1988.

Matthias Fink | 17.03.2003
    Abscheulich und nicht zu rechtfertigen ...

    ... schrie die internationale Staatengemeinschaft auf. Aber:

    Das Giftgas stammte aus von Deutschen gebauten Fabriken, hergestellt mit deutscher Technologie. Die Kampfhubschrauber hatten die Vereinigten Staaten geliefert mit Umweg über Italien. Den Begleitschutz stellten Kampfflugzeuge aus französischer Produktion. Die Bewaffnung der Soldaten kam aus sowjetischer Produktion. Saddam Hussein hatte seine Rüstungslieferungen diversifiziert.

    Aber der Weltsicherheitsrat verurteilte den Irak wegen seines Gaskrieges. Mehrere Male. Doch in einem Memorandum des US-Außenministeriums hieß es damals:

    Bezüglich Irak sollte es keinen radikalen Politikwechsel geben.

    Zum Politikwechsel kam auch nicht, weder in Washington, noch in Paris, nicht in London, Moskau, Peking oder Bonn und auch nicht anderswo. Die Staaten unterstützten den Irak im Krieg gegen die Islamische Republik Iran.

    Anfang Oktober 1989, also gut eineinhalb Jahre nach dem Grauen erregenden Giftgasangriff auf die Kurden in Nordirak, ließ der Präsident der Vereinigten Staaten, George Bush der Ältere, in der Nationalen Sicherheitsdirektive Nummer 26 festlegen:

    Normale Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Irak dienen unseren langfristigen Interessen und fördern die Stabilität sowohl am Golf als auch im Mittleren Osten. Die Regierung der Vereinigten Staaten sollte dem Irak wirtschaftliche und politische Anreize bieten, damit er sein Verhalten mäßigt und unser Einfluss auf den Irak wächst.

    "Den Irak in die Völkerfamilie zurück bringen" – das war ein Ziel, mit dem sich auch der Rest der Staatengemeinschaft identifizieren konnte, egal ob West oder Ost. Schließlich standen hinter dem hehren Ziel auch Wirtschaftsinteressen, standen die seit vielen Jahren gewachsenen Geschäftsbeziehungen mit lukrativen Gewinnaussichten.

    Krieg ist immer die schlechteste Lösung. Er ist immer eine Niederlage, ein Drama. Und deshalb muss alles getan werden, um ihn zu verhindern.

    Der französische Staatspräsident Jacques Chirac im Februar 2003. Gut 28 Jahre zuvor, im Herbst 1975, tourte jener Jacques Chirac mit einem gewissen Saddam Hussein durch Frankreich. Der eine war damals nicht Präsident der französischen Republik, sondern ihr Premierminister; der andere war noch nicht Alleinherrscher, sondern Vizepräsident Iraks, galt allerdings schon als der starke Mann in Bagdad.

    Damals, im Jahre 1975, führte die Reiseroute den Gast aus dem Irak auch in die Provence, in das französische Atomforschungszentrum Cadarache. Saddam Hussein zeigte sich höchst interessiert. Als Ergebnis dieser Reise lieferte Frankreich Isis, einen Forschungsreaktor, und Osiris, einen 40-Megawatt-Brüter, die zusammen als Nuklearanlage namens Osirak gebaut wurden.

    Warum braucht ein Land, unter dessen Territorium die zweitgrößten Ölreserven der Erde lagern, Atomstrom? Die Antwort gab Saddam Hussein nur wenige Tage nach seiner Frankreich-Reise in einem Interview mit einer libanesischen Tageszeitung.

    Das Abkommen mit Frankreich ist der erste Schritt hin zur Herstellung einer arabischen Atomwaffe.

    Dazu ist es nie gekommen, denn im Frühsommer 1981 erschienen israelische Kampfflugzeuge über der Atomanlage südöstlich von Bagdad und legten Isis und Osiris in Schutt und Asche, noch bevor Osirak einen Tag in Betrieb war. Israels damaliger Ministerpräsident Menachem Begin behauptete, der Irak hätte nach einem Anfahren von Osiris innerhalb kurzer Zeit hoch angereichertes Uran für drei bis fünf Atombomben vom Typ Hiroshima besessen.

    In der Welt lauern viele Gefahren, doch die Bedrohung durch Irak ist einzigartig.

    George Bush der Jüngere, Oktober 2002. Offensichtlich war dies aber nicht die Politik seiner republikanischen Vorgänger im Amt – sein Vater George Bush, der Ältere, und Ronald Reagan.

    Amerika half, ein Monster zu machen

    Schlagzeile auf dem Titelblatt des Nachrichtenmagazins Newsweek vom 23. September 2002. In dem dazugehörigen Artikel heißt es:

    Als Donald Rumsfeld das letzte Mal Saddam Hussein traf, schüttelte er ihm herzlich die Hand. Das Datum liegt fast zwanzig Jahre zurück – 20. Dezember 1983; ein offizielles irakisches Fernsehteam hielt den Augenblick fest. Der frühere und zukünftige Verteidigungsminister, damals Privatbürger, war von Präsident Reagan als Sonderbotschafter nach Bagdad geschickt worden. Saddam Hussein, mit Pistole am Gürtel, erschien dabei "kraftvoll und dynamisch", wie aus einem jetzt frei gegebenen Fernschreiben des Außenministeriums hervorgeht, das Newsweek vorliegt. Rumsfeld "überbrachte die Grüße des Präsidenten und gab seiner Freude Ausdruck, in Bagdad zu sein", hielt der Protokollant fest. Dann gingen die beiden Herren zum Geschäft über und sprachen über die Notwendigkeit, die Beziehungen zwischen ihren beiden Staaten zu verbessern.

    Donald Rumsfeld, zum Zeitpunkt seines Treffens mit Iraks starkem Mann also Sondergesandter des Präsidenten, heute Verteidigungsminister der Vereinigten Staaten, erschien im September 2002 vor dem Streitkräfte-Ausschuss des Senats. Dort las Senator Robert Byrd aus West Virginia ihm zuerst den Zeitungsartikel vor und fragte dann:

    Herr Minister, haben die Vereinigten Staaten ihrer Kenntnis nach dem Irak geholfen, während des Iran-Irak-Krieges Bauteile für biologische Waffen zu erwerben? Sind wir jetzt tatsächlich mit der Möglichkeit konfrontiert zu ernten, was wir selbst gesät haben?

    Ich habe diesen Artikel nicht gelesen. Ich war, wie Sie erwähnen, auf Bitte des Präsidenten zwischen Ende ¢83 und Anfang ¢84 eine Zeit lang Sonderbotschafter für den Nahen Osten, nachdem in Beirut 241 Marineinfanteristen getötet worden waren. Im Rahmen dieser Verantwortung besuchte ich Bagdad. Ich traf dort Herrn Tariq Aziz. Und ich traf Saddam Hussein und sprach mit beiden über ihren Krieg gegen Iran. Damals galt unsere Sorge natürlich Syrien und Syriens Rolle im Libanon und Libanons Rolle im Nahen Osten und den Terroraktionen, die es immer wieder gab. Ich half als Privatbürger für ein paar Monate aus. Ich habe von dem, was Sie vorgelesen haben, noch nie gehört. Ich weiß davon nichts und ich bezweifle es auch.

    ... war die Antwort Rumsfelds. Dem US-Verteidigungsminister wird nachgesagt, dass er sich öfter lächelnd nicht mehr an das zu erinnern vorgibt, was er gestern noch gesagt oder getan hat. Der interessierten Öffentlichkeit ist mittlerweile längst bekannt, dass auch die USA während der achtziger Jahre mit dem Irak Milliarden schwere Rüstungsgeschäfte abwickelten. 1994 hatte der Senatsausschuss für Banken, Wohnungsbau und Städteplanung Anhörungen zur Untersuchung des so genannten "Golf-Krieg-Syndroms" abgehalten, jener rätselhaften Krankheitserscheinungen, über die Veteranen des Golfkriegs schon bald nach ihrer Heimkehr 1991 zu klagen begonnen hatten. Diese Symptome könnten darauf hindeuten, dass die Soldaten mit chemischen oder biologischen Kampfstoffen in Kontakt gekommen waren. Ein Ermittlungsteam des Ausschusses untersuchte deshalb, ob möglicherweise solche Stoffe aus den USA in den Irak gelangt waren.

    Mitarbeiter des Ausschusses baten das Handelsministerium um Informationen über den Export von biologischen Materialien in der Zeit vor dem Golfkrieg. Nachdem wir diese Informationen erhalten hatten, kontaktierten wir den Hauptlieferanten um zu sehen, welche Materialien und ob überhaupt etwas nach Irak exportiert wurde, das zu einem offensiven oder defensiven biologischen Waffenprogramm hätte beitragen können. Unterlagen, die der Lieferant für die Jahre ab 1985 zugänglich gemacht hat, zeigen, dass in diesem Zeitraum pathogene

    - das heißt krank machende,

    toxigene

    - das heißt giftige

    und anderes biologisches Forschungsmaterial in den Irak exportiert wurde, immer beantragt bei und genehmigt vom Handelsministerium.

    Das heißt: von 1985 – unter der Präsidentschaft Ronald Reagans – bis 1990 – unter der Präsidentschaft George Bush, des Älteren, – gelangten mit amtlicher Genehmigung Materialien in den Irak, die zur Herstellung biologischer Waffen dienen konnten – darunter lebende, sprich reproduzierbare Zellkulturen von ...

    Bacillus Anthracis – Anthrax ist eine Krankheit produzierende Bakterie, die vom Verteidigungsministerium ... als wichtige Komponente des irakischen biologischen Waffenprogramms identifiziert wurde. Anthrax, Milzbrand, ist nach Einatmung von Sporen eine oft tödlich verlaufende Infektionskrankheit. Sie beginnt plötzlich mit hohem Fieber, Atemschwierigkeiten und Schmerzen in der Brust. Die Krankheit führt schließlich zu Blutvergiftung und die Sterblichkeit ist hoch. Clostridium Botulinum – bakterielle Ursache für Botulin-Toxin, das Erbrechen verursacht, Verstopfung, Durst, allgemeine Schwäche, Kopfschmerzen, Fieber, Schwindel, doppeltes Sehen, Erweiterung der Pupillen und Lähmung des Schluckapparates. Es ist oft tödlich.

    Alles in allem befanden die Ermittler des Senats in ihrem Bericht:

    Die Vereinigten Staaten versorgten die Regierung des Irak mit genehmigten Materialien für "dualen Gebrauch", die bei der Entwicklung eines irakischen chemischen, biologischen und Raketen-Programms halfen ...

    Das Schlüsselwort heißt "dualer Gebrauch". Es bedeutet, dass die gelieferten Güter bzw. die Technologie sowohl für zivilen als auch militärischen Zweck, sprich "dual", genutzt werden können.

    Auf dem Sektor der dualen Güter bzw. Technologie waren im Geschäft mit dem Irak weder Frankreich noch die Vereinigten Staaten führend, sondern die Bundesrepublik Deutschland – und zwar mit großem Abstand. Komponenten, Grundsubstanzen, Spezialgerät und Technologie für den Bau von atomaren, biologischen und chemischen Waffen, von ballistischen Raketen und ausgeklügelten konventionellen Waffensystemen – auf jedem Sektor waren die Deutschen führend.

    Als im Dezember vergangenen Jahres der Irak dem UN-Sicherheitsrat seinen Rüstungsbericht vorlegte, fand sich dort auch eine Liste mit den Namen jener Unternehmen, die in den achtziger Jahren bei der Aufrüstung des Landes dabei waren.

    Bundesrepublik Deutschland – 80 Unternehmen

    Darunter MBB, Daimer-Benz, Preussag, MAN, Degussa, Hochtief, Siemens, Gildemeister - dazu viele kleine und mittlere Firmen, deren Namen der breiten Öffentlichkeit nichts sagen, wie Fritz Werner, Karl Kolb, H&H Metalform, Rhein-Bayer und andere.

    Vereinigte Staaten von Amerika – 24 Unternehmen

    Darunter Hewlett Packard, Honeywell, Rockwell, Bechtel, Unisys usw.

    Frankreich – zehn Firmen

    Darunter Aerospatiale, Matra Espace und die deutsch-französische Euromissile.

    Chinesische Firmen waren dabei, sowjetische...

    Schweizer haben mitgemacht, Schweden, Briten, Brasilianer, Italiener, Österreicher ...

    ... und noch weitere Länder. Ein Milliarden–Dollar-Business, und der Erste Golfkrieg zwischen Irak und Iran sorgte ständig für weitere Nachfrage. Weil die Geschäfte offenbar besonders gut liefen, belieferten nach Angaben des schwedischen Friedensforschungsinstitutes SIPRI 29 Staaten gleich auch noch Iraks Kriegsgegner Iran.

    Die militärische Hardware Iraks stammte vor allem aus der Sowjetunion, die alles lieferte, was man so zu einem Krieg braucht. Auf Rang zwei folgte Frankreich mit Kampfflugzeugen vom Typ Mirage und Super Etendard sowie Raketen wie die berüchtigte Exocet. Rang drei belegte, allerdings schon mit großem Abstand, die Volksrepublik China vor Brasilien, das mit gepanzerten Fahrzeugen seinen Schnitt machte. Deutsche wie Amerikaner finden sich unter den Lieferanten von militärischer Ausrüstung erst unter ferner liefen. Dafür nehmen sie unter den Geschäftemachern mit militärisch und zivil nutzbaren, also "dualen Gütern" die beiden Spitzenränge ein. Eben diese dualen Güter und Technologien bildeten das Fundament für den Aufbau einer gigantischen Rüstungsindustrie im Irak. Und diese wiederum machte das Land zu einer tödlichen Bedrohung für seine Nachbarn.

    Zutiefst besorgt über die übereinstimmende Feststellung der Sachverständigen, dass irakische Streitkräfte bei vielen Gelegenheiten ... chemische Waffen gegen iranische Streitkräfte eingesetzt haben, verurteilen die Mitglieder des Rats mit Nachdruck diesen fortdauernden Einsatz chemischer Waffen, der in flagranter Weise gegen das Genfer Protokoll von 1925 verstößt.

    Resolution des UN-Sicherheitsrates zur Verurteilung des Irak, 21. März 1986. Den Irak und seine Lieferanten scheint dies nicht weiter beeindruckt zu haben, auch nicht jene bundesdeutsche Unternehmen, die unter Saddam Husseins Helfern eine führende Position inne hatten.

    Helmut Kohl: Für uns sind wichtig natürlich gerichtsverwertbare Informationen. Es gibt sicherlich Informationen dieser oder jener Art, bei denen ich aber als Bundeskanzler in einem Rechtsstaat natürlich sagen muss, das kann eine interessante Information sein, aber wenn ich sie nicht gerichtsverwertbar in Anspruch nehmen kann, nützt sie mich letztlich nichts. Denn ich habe nicht das Recht als Regierungschef und die Bundesregierung hat als Ganzes nicht das Recht, Bürger, Institutionen, Firmen zu verdächtigen, wenn wir es nicht beweisen.

    Helmut Kohl im Januar 1989. Der damalige Bundeskanzler gab Antwort auf die Frage, was die Bundesregierung über den Export von Industrieanlagen wisse, die vordergründig als Düngemittelfabriken geliefert wurden, tatsächlich aber der Herstellung von chemischen Kampfstoffen dienten. Helmut Kohl wollte den Eindruck erwecken, als sei dies alles ohne Kenntnis der Bundesregierung und ihrer zuständigen Stellen geschehen. Das scheint kaum glaubhaft, denn bereits Mitte der achtziger Jahre hatte der US-amerikanische Geheimdienst CIA deutschen Behörden mitgeteilt, der Irak betreibe eine von Deutschen gebaute und mit deutscher Technologie ausgestattete Giftgasfabrik.

    Tatsächlich hatte die deutsch-irakische Zusammenarbeit auf diesem Gebiet schon Anfang der achtziger Jahre begonnen. Die staatliche State Establishing for Pesticides Production, also "Staatsunternehmung für die Herstellung von Pestiziden" ließ nördlich von Bagdad bei Samarra ein Chemiewerk errichten – für die Produktion von Pestiziden zum Schutz der Dattelernte, wie es offiziell hieß. Die einzelnen Teile dieser Anlage besorgte die in Hamburg ansässige Water Engineering Trading WET, ein kleines Unternehmen mit irakischer Beteiligung, das nach getaner Arbeit aufgelöst wurde. Unter den Lieferanten finden sich fast ausschließlich bundesdeutsche Firmen, die wiederum den Vorteil hatten, dass sie ja nicht direkt an Irak liefern mussten, sondern ihr Geschäftspartner war WET. So entstand ein gigantischer Industriekomplex, von dem die New York Times im März 1984 berichtete, er diente Irak zur Produktion von Giftgas.

    Die von der Firma Kolb / Pilot Plant gelieferte Anlage ... kann zur Herstellung von Nervengas nicht verwendet werden.

    ... antwortete im April 1984 Staatsminister Alois Mertes (CDU) auf eine Anfrage des SPD-Abgeordneten Norbert Gansel, obwohl zu diesem Zeitpunkt die Bundesregierung schon durch die CIA von der Giftgas-Herstellung in Samarra wusste. Vier Jahre später, nach dem Gasangriff auf die kurdische Bevölkerung in Nordirak, fragte Gansel wieder nach und wollte wissen, ob Erkenntnisse über eine Beteiligung deutscher Unternehmen am Giftgaskrieg am Golf vorliegen.

    Dazu liegen unserem Hause bisher keine konkreten Erkenntnisse vor.

    ... antwortete der damalige Bundeswirtschaftsminister Martin Bangemann (FDP). Gleichzeitig nahmen verschiedene Staatsanwaltschaften Ermittlungen auf, und nach gut einem halben Jahr, im Dezember 1988, stellte die Bundesregierung in einem Zwischenbericht zu diesen Ermittlungen fest:

    Die übereinstimmende Prognose der im Laufe des Verfahrens als Gutachter in Betracht gezogenen Personen lautet nach erster Prüfung der Unterlagen, ein Nachweis der Eignung der fraglichen Anlagen zur Produktion der einschlägigen chemischen Kampfstoffe sei höchst wahrscheinlich zu führen.

    Konkret hieß das: Die Sachverständigen kamen nach Durchsicht der Unterlagen zu dem Schluss, dass die Irak gelieferten Anlagen dazu geeignet waren, Giftgas zu produzieren. Und da Irak im Krieg gegen Iran wie gegen die eigene Bevölkerung Giftgas einsetzte, musste es wohl aus Fabriken wie der von den Deutschen gelieferten Anlage in Samarra stammen.

    Neun Monate nach dem Giftgasangriff gegen die kurdische Bevölkerung von Halbdscha und Umgebung stellte das Bonner Auswärtige Amt in einem Lagebericht fest:

    Bei den Wirtschaftsgesprächen auf der "Internationalen Messe Bagdad" im November 1988 ... zollte die irakische Seite der Arbeit deutscher Firmen im Irak während des Golfkrieges hohe Anerkennung und brachte die Hoffnung auf noch engere Zusammenarbeit in der Zukunft zum Ausdruck.

    Ein Jahr und zwei Monate später, im Februar 1991, musste Außenminister Hans-Dietrich Genscher nach Israel reisen, in der Tasche einen Scheck über 250 Millionen Mark – Wiedergutmachung oder "humanitäre Hilfe", wie der Minister es nannte. Wofür? Israel war vom Irak mit Raketen angegriffen worden, deren Reichweite dank deutscher Technologie so vergrößert worden war, dass sie von irakischem Territorium aus bis nach Tel Aviv fliegen konnten.