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Säbelrasseln im südchinesischen Meer

Es vergeht kaum eine Woche, in der es in den Gewässern zwischen der Südküste Chinas, Vietnam und den Philippinen nicht zu Streitereien kommt. Letztendlich geht es im südchinesischen Meer vor allem um eines: Die Rivalität zwischen China und den USA.

Von Ruth Kirchner, Peking |
    Das südchinesische Meer ist eines der meistbefahrenen Meere der Welt. Viele Länder haben dort territoriale Ansprüche: China, Vietnam, die Philippinen, Taiwan, Brunei und Malaysia. Meist geht es um winzige Inseln – wie die Paracel-Inseln, die von China und Vietnam beansprucht werden. Oder die ebenfalls unbewohnten Spratly-Inseln, auf die neben China, Vietnam und Taiwan auch noch Brunei, Malaysia und die Philippinen Anspruch erheben – zumindest auf einen Teil der Riffe, Inselchen und Atolle. Erst am letzten Wochenende fühlten sich philippinische Fischerboote von chinesischen Marine-Booten bedroht. Im vergangenen Monat waren Vietnam und China aneinandergeraten. Doch bei der jährlichen Sicherheitskonferenz Shangri-La in Singapur versuchte Chinas Verteidigungsminister Liang Guanglie am vergangenen Wochenende, die Ängste der Anrainerstaaten vor China zu zerstreuen.

    "Ich weiß sehr wohl, dass viele Menschen glauben, dass China mit seinem wirtschaftlichen Aufstieg auch zu einer militärischen Bedrohung wird. Aber diese Sorgen sind unbegründet. Wir streben keine Vormachtstellung an und werden dies auch in Zukunft nicht tun. Wir werden niemals ein anderes Land bedrohen."

    Doch die Anrainerstaaten sehen mit Sorge, dass China seit Jahren aufrüstet, allein dieses Jahr steigen die Militärausgaben wieder um zweistellige Prozentzahlen auf umgerechnet 66 Milliarden Euro. Das ist mehr als doppelt so viel wie Deutschland für die Rüstung ausgibt. Und mit Sorge beobachten die Nachbarn auch, dass China zunehmend selbstbewusst, ja aggressiv auftritt. Nicht nur im südchinesischen Meer, sondern auch bei ähnlichen Streitigkeiten mit Japan im vergangenen Jahr. Auch dort ging es um zwar unbewohnte Inseln, in deren Gewässern aber – wie im südchinesischen Meer – reiche Rohstoffvorkommen, vor allem Öl und Gas vermutet werden. Rüstungsexperten wie Jonathan Holslag vom Brüsseler Institut für zeitgenössische Studien sagt, China sieht mehr und mehr die Notwendigkeit, seine wirtschaftlichen Interessen zu verteidigen.

    "China sieht sich als Regionalmacht mit globalen Interessen. Und wegen dieser globalen Interessen glaubt man, dass es notwendig ist, auch militärisch Flagge zu zeigen und dass militärische Stärke notwendig sein wird, um die globalen Interessen zu verteidigen."

    Was die vielen Konflikte im südchinesischen Meer angeht, versichert China immer wieder, man stehe zur ASEAN-Verpflichtung von 2002, die Konflikte in der Region friedlich zu lösen. Doch die Klagen der kleineren Anrainerstaaten über Drangsalierungen von China reißen nicht ab. Schon deshalb sah sich der amerikanische Verteidigungsminister Robert Gates in Singapur offenbar bemüßigt, die Sicherheitsgarantien für die gesamte pazifische Region, also inklusive Südkorea und Japan, noch einmal zu bekräftigen.

    "Wir gehen davon aus, dass das amerikanische Engagement, von den stationierten Einheiten bis hin zu den Militärübungen mit regionalen Partnern, weiterhin eine unverzichtbare Rolle für die Stabilität in der Region spielen wird."

    Genau das aber ist China ein Dorn im Auge – die amerikanische Vormachtstellung im Pazifik, die vielen Allianzen der USA in der Region – in jüngster Zeit sogar gemeinsame Militärübungen mit dem einstigen Kriegsgegner Vietnam. Besonders alarmiert war Peking im vergangenen Jahr zudem von Äußerungen von US-Außenministerin Hillary Clinton, die strategische Interessen im südchinesischen Meer anmeldete und anbot, bei Konflikten zu vermitteln. China wies das umgehend zurück: erklärte das südchinesische Meer zu seinem "Kerninteresse" und erteilte jeder "Internationalisierung" eine Absage.

    Doch darum geht es letztendlich im südchinesischen Meer und in der Region: um die Rivalität zwischen den USA und China. Peking fürchtet, von Washington und seinem immer noch übermächtigen Militärpotenzial klein gehalten zu werden. Die USA wollen verhindern, dass China neue Allianzen in der Region schmiedet – sehen nicht ungern, dass die Anrainerstaaten wegen der wachsenden Macht der Volksrepublik den Schulterschluss mit den USA suchen. China wiederum sucht Wege, dem etwas entgegenzusetzen. Doch dafür müsse Peking seine Außenpolitik ändern und die "Doktrin der Nichteinmischung" aufgeben, sagt Yan Xuetong, einflussreicher Akademiker an der Tsinghua Universität in Peking:

    "Wir müssen den Anrainerstaaten Sicherheitsgarantien anbieten, statt bei der derzeitigen Politik der Zurückhaltung zu bleiben. Mit dem derzeitigen Kurs können wir keine Verbündeten in der Region finden. Die USA schützen viele Länder – das heißt, in gewisser Weise stehen wir mit den USA in Konkurrenz um die Freundschaft anderer Länder und können sie nur für uns gewinnen, wenn wir ihnen Sicherheiten anbieten."

    Doch die "Doktrin der Nichteinmischung" aufzugeben, dazu ist China bislang noch nicht bereit. Und die Anrainerstaaten fürchten sogar, dass dann die Rivalität der beiden Supermächte noch stärker in den Vordergrund rücken könnte. Asien, sagte Malaysias Regierungschef beim Treffen in Singapur, wolle sich nicht zwischen China und den USA entscheiden müssen. China ist unser Partner wie auch die USA, so Najib Razak. Das heißt im Klartext: Mit dem Aufstieg Chinas muss man auch neue Sicherheitsstrukturen für die Region finden. Nur, wie diese aussehen könnten, das weiß so recht noch niemand.