Donnerstag, 18. April 2024

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Sänger Voodoo Jürgens
Musikalische 1A-Ware aus Wiener Beisln

Georg Kreislers "Tauben vergiften" war gestern - "Heite grob ma Tote aus", singt Voodoo Jürgens, neuer Star des Wienerlieds. Seine Songs sind kein Austro-Pop, sondern inspiriert vom Milieu der bodenständigen Wirtshäuser, morbide, frech, witzig.

Von Paul Lohberger | 27.10.2016
    Voodoo Jürgens sitzt mit einer Zigarette neben einem Schlagzeug und schaut in die Kamera.
    Voodoo Jürgens, neuer Star des Wienerlieds (Viennareport/imago stock&people)
    Berichte aus den Wiener Spelunken, den Beisln, haben in Wien nicht nur eine literarische und musikalische Tradition, sondern auch eine sehr aktuelle Konjunktur. An solchen Orten mit ihrem ewig gleichen Stammpersonal lassen sich die poetischen Zaungäste inspirieren, um dann über die Dramen des Mikrokosmos zu bloggen wie Stefanie Sargnagel, oder eben zu singen, wie Voodoo Jürgens:
    "Ich arbeite mit dem, was ich kenne, und was mir vertraut ist, ich kann keine Themen besingen, von denen ich nichts verstehe. So gesehen ist das die perfekte Brutstätte für meine Lieder."
    Die kleine Welt als Resonanzraum, diesen Ansatz verfolgte schon in den 1970ern der Austro-Pop. Voodoo Jürgens' Einflüsse wurzeln jedoch woanders, etwas früher.
    "Qualtinger, Heller, Artmann - wenn was Österreichisches, dann das"
    Helmut Qualtinger war in den 1960ern ein anerkannter Schauspieler und Kabarettist, der es liebte, zwischen den Milieus zu changieren. Mal war er der große Tragödienheld am Theater, mal provozierte er als schmieriger Kleinbürger, er las H. C. Artmann und Karl Kraus.
    Aus Qualtingers Freundschaft zum jungen Dandy André Heller entsprang eine Platte mit hintersinnigen Wienerliedern, die nach 40 Jahren mehr denn je zur Inspiration taugen.
    Für finstere Lieder, wie sie Qualtinger und Heller interpretierten, gibt es in Österreich ein besonderes Attribut: "Tiaf" - das Dialektwort für "tief" subsummiert im Wienerischen soziale wie charakterliche Niederungen, eine Zone zwischen Zwielicht und Finsternis. Von den "tiafen" Abgründen ist es nicht weit zum Morbiden, und dieses Feld blickt auf eine große poetische Tradition zurück.
    "Mein erster Einstieg war Qualtinger, Heller, Artmann - wenn was Österreichisches, dann das. Es braucht den Rattenschwanz nicht, um in der Sprache zu singen, in der man aufgewachsen ist. Das gibt's natürlich, aber das war nicht wichtig für mich", sagt Voodoo Jürgens.
    Provinzmetropolen und Sozialstudien
    Er lebt zwar schon lange in der Hauptstadt, kommen tut er eigentlich aus Tulln - einer nahen Bezirkshauptstadt, die er auch besingt.
    Ein banaler Alltag, aber der Vater muss ins Gefängnis - ist das nicht etwas viel Offenheit?
    "Naja, es war nicht absehbar, dass die Platte diese Dimension erreicht, aber Ehrlichkeit muss auch möglich sein. Und ich hab das schon loswerden müssen."
    Ehrlichkeit ist wichtig, aber auch die künstlerische Gestaltung.
    "Es geht ums Szenario einer Kleinstadt, in meinem Fall ist mir Tulln zu klein geworden, und mir wurde klar, dass ich dort nicht ewig bleiben kann."
    Die Provinzmetropole werden auch solche erkennen, die aus vergleichbaren Städten kommen. Ähnlich ist es mit den Sozialstudien, auf denen die Texte basieren:
    "So in einem Wirtshaus-Beisl-Ding, wo das alles angesiedelt ist, sicher ist dort auch 'das Tiafe' zuhause, aber die Leute sind nicht nur 'tiaf', sie sind auch 'liab', und so kommt alles vor."
    Voodoo Jürgens' nächste Tour-Termine in Deutschland: 17.11.2016 in Eggenfelden auf der Boogaloo Folk Night, 23.11.2016 in München im "Unter Deck", am 24.11.2016 in Karlsruhe im KOHI.