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Saft aus der Glasfaser

Technik. - Ein Perpetuum Mobile ist auch das nicht, was ein Team um einen Karlsruher Physiker nun verwirklicht hat: eine Filmkamera, die weder Akku noch Batterie braucht und auch kein Stromkabel. Mit winzigen Energiemengen versorgt wird sie lediglich durch ein hauchdünnes und trotzdem sehr zähes Glasfaserkabel.

Von Klaus Herbst |
    "Das Wichtigste ist wahrscheinlich, dass es uns gelungen ist, mit fast keiner Energie eine solche Kamera in guter VGA Qualität zu betreiben,"

    sagt Professor Jürg Leuthold. Am Institut für Hochfrequenztechnik und Quantenelektronik stellt der Physiker ein Kameranetzwerk vor, das ohne Batterie oder Akku auskommt und Bilder zeigt wie beim Fernsehen. Leutholds Kamera wird über ein hauchdünnes Glasfaserkabel mit Energie versorgt.

    "Was Sie zunächst sehen, ist eine Kamera, die zuerst aussieht wie eine normale Kamera. Wenn sie genauer hinschauen, dann sehen Sie, es ist eine selbst gebaute Kamera, sie hat auch keine Batterie mehr, noch ist sie mit irgendeinem Stromkabel versorgt. Das einzige was sie sehen, was zur Kamera kommt, ist eine hauchdünne Glasfaser, die die Kamera mit Energie versorgt, die aber auch den Austausch der Informationen, die die Kamera aufnimmt, mit der Basisstation macht."

    Ein Stromkabel gibt es nicht. Die Kamera gleicht einem Bauteil aus einem Mobiltelefon. Was die Kamera mit der Basisstation verbindet, ist ein 200 Meter langes, haarfeines Glasfaserkabel. Verschiedene Wellenlängen im Inneren des kompakten Gehäuses übertragen mehrere Signale gleichzeitig. Die einfache, optische Überwachung eines Raumes ist eine mögliche Anwendung.

    "Was wir haben, ist ein Laser an der Basisstation. Die Basisstation, das könnte ein PC sein mit einer Karte, mit einer Steckkarte. Der Laser sendet Licht zur Kamera und die Kamera empfängt dieses Licht bei 810 Nanometer, empfängt dieses rote Laserlicht, zieht ein Teil des Lichts heraus, um damit Energie zu gewinnen. Und die Energie wird wieder benutzt, um nachher die Kamera zu betreiben, aber auch, um den Laser auf der Kamera selbst zu betreiben, der die Informationen, die Videosignale der Kamera wieder zurückschickt."

    Die Kamera ist ein echtes Energiesparwunder, sagt Leuthold mit Stolz, denn sie benötigt nur 100 Milliwatt. Mobiltelefone brauchen deutlich mehr. Die 100 Milliwatt teilen sich auf und speisen den Foto-Sensor, die Elektronik und den Sendelaser. Das edelste Bauteil in diesem System ist die Photodiode. Diese wandelt das über 200 Meter eingestrahlte Laserlicht in Energie um – mit beeindruckender Effizienz.

    "Eine der Schlüsselkomponenten ist der Fotovoltaik-Konverter. Alle, die eine Solaranlage haben, werden jetzt neidisch werden. Wir haben nämlich eine Konversionseffizienz bis zu 50 Prozent, welche wir aus dem Licht zurückholen."

    An der Basisstation empfängt ein Rechner mit einem Umwandler für das Lichtsignal die Bilder und überträgt sie auf einen Monitor oder ins Internet. Leutholds Gruppe arbeitet auch an sicherheits- und umweltbezogenen Anwendungen.

    "Stellen Sie sich vor, sie müssen irgendeinen sicherheitsrelevanten Komplex überwachen. Es muss unempfindlich sein gegen alle Störungen von elektromagnetischen Interferenzen. Es soll gegen Blitzschlag sicher sein. Dann ist diese Kamera ideal, weil es keine Stromkabel mehr zu der Kamera gibt. Sie haben ein Gebäude, das sie im Nachhinein sicherheitstechnisch aufrüsten möchten, und jetzt möchten Sie die Wände nicht aufreißen, um ein elektrisches Kabel zu legen. Eine Glasfaser ist so klein, die kriegen sie überall unter. Sie können sie sogar hinter einer Tapete oder mit einer Farbe überpinseln, Sie sehen sie kaum."

    Elite-Universität hin oder her – es fehlen dem Karlsruher Forschungsinstitut die Mittel, klagt Leuthold. Das Projekt passe in kein Schema und sei deshalb nur schwer öffentlich zu fördern. Mit 100 Megabit Datenaustausch-Geschwindigkeit sei es keine Highspeed-Kommunikation, und für die Nanotechnik ist selbst die Photodiode, die so winzig ist, dass die aufgefangene Lichtmenge enorm stark sei, zu groß. Dann würden die Forscher in der ersten Liga der Bildübertragung mitspielen, wie sie in Karlsruhe in einem Fernsehstudio bereits verwirklicht ist – und das mit kleinstmöglichen Energiemengen für die Unterhaltungselektronik von morgen.

    "Auf der einen Seite kann man natürlich die Bildpunkte erhöhen. Die Leute sprechen heute von High Definition TV und meinen damit 1920 mal 1080 Bildpunkte. Das kann man hinkriegen, wenn man will."

    Institut für Hochfrequenztechnik und Quantenelektronik