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Mit "One fifth Avenue" ist Sex-and-the-City-Erfinderin Candace Bushnell ein Psychogramm der New Yorker High Society gelungen, im dem sie mit spitzer Feder die Abgründe in der Welt der Reichen und Super-Reichen offenlegt.

Von Ursula März | 17.08.2009
    Candace Bushnell, die spitzeste und fixeste Feder New Yorks, war mal wieder die erste. Kaum hat die transatlantische Wirtschaftskrise im Berufsbild des sogenannten Hedgefond-Manager den Feind Nummer eins, den Satan des Raubtierkapitalismus' erkannt, legt die 1958 geborene amerikanische Autorin Bushnell - berühmt als Erfinderin von "Sex and the City" einen Roman vor, in dem eben ein solcher Hedgefond-Manager sein kaltes Unwesen treibt.

    Er heißt Paul, verdient mit einem Mausklick gelegentlich schon mal ein paar Dutzend Millionen, ist sich für keine Gemeinheit und keinen Privatkrieg zu schade und kauft sich zu Beginn der Romangeschichte das dreistöckige Penthouse des Appartementhauses mit der feinsten Wohnadresse New Yorks: "One Fifth Avenue". So lautet der Titel des Roman und er enthält bereits das Erzählkonzept.

    Bushnell schildert das Milieu der New Yorker High Society im Verkleinerungsspiegel einer Hausgemeinschaft. Keine ganz neue, aber eine durchaus bewährte Technik, denn die Gemeinschaft des berühmten art-deco-Appartementhauses an der One Fifth Avenue bietet nicht nur einen Querschnitt durch die Welt der Reichen, Schönen und im weitesten Sinn Kulturschaffenden, sie bietet auch gleich einen anschaulichen Längsschnitt für die Hierarchie dieses Völkchens. Wer ganz oben im 13. Stock wohnt, sich folglich ein Appartment leisten kann, in dessen Zentrum sich ein Festsaal aus Marmor befindet, ist ganz einfach der Reichste im Hau, also Paul, der durch und durch unangenehme Hedgefond-Manager. Wer wie die Hollywood-Schauspielerin Charlene Diamond im neunten Stock wohnt, ist zwar ziemlich reich, lässt sich vor Galaempfängen von der Privatfriseuse herrichten und vom Privatchauffeur abholen, aber er ist eben nicht superreich. Und ganz unten, im Erdgeschoss, da wohnen die, die verrückt nach dieser glamourösen Postadresse sind, sich aber in Wahrheit nicht mehr leisten können als eine zur Schachtelwohnung umgebaute Ansammlung ehemaliger Dienstbotenzimmer. Hier wohnt die von Neid zerfressene Mindy mit ihrem bislang als Schriftsteller erfolglosen Ehemann James. Mindy hat aber eines geschafft: Sie hat sich zur Position der Vorsitzenden der Eigentümerversammlung hochgekämpft, immerhin ein bisschen Macht über Hausordnung und Zentralheizung.

    Zum Figurenkern des Romanensembles gehören weiterhin: Der Drehbuchautor Philipp aus der zwölften Etage, den vor Jahren eine große Liebesaffäre mit der Schauspielerin Charlene Diamond aus der neunten Etage verband, sowie seine Tante Enid, eine berühmt-berüchtigte Kolumnistin, ein Fossil der New Yorker Schickeria. Wer Candace Bushnells vorangegangene Romane kennt, ahnt, was auf 510 Buchseiten mit der Bewohnerschaft von One Fifth Avenue geschieht: Viel. Viele Intrigen bis hin zu einem veritablen Kunstraub. Viele amouröse Verwicklungen bis hin zum Happy Ende mit Heirat für Charlene Diamond und Philipp nach Seite 45. Viele Shopping-Ausflüge aller Beteiligten. Viele Dialoge, die atmosphärisch dem gegenseitigen Umkreisen von Haien ähneln. Viele Datenflüsse zwischen Handys, Blackberrys, PC´s.

    Die Erfolgsschriftstellerin Candace Bushnell ist, das muss man ihr lassen, nicht nur in puncto Sozialmilieu, sondern auch in puncto Kulturtechniken immer auf der Höhe der Zeit. Die wichtigsten Geschäfte werden im Internet abgewickelt, die witzigsten, obszönsten, erfolgreichsten und schädlichsten Kolumnen stehen nicht in der New York Times, sondern als Blogg im Netz. Noch immer unterhalten Bushnells Romane eine enge Beziehung zur Kolportage, ihre Heimat ist die Grauzone zwischen Hoch- und Unterhaltungsliteratur. Unübersehbar steigt Bushnells literarisches Niveau in dem Maße, wie sie sich auf ihrem Erfolg entspannt ausruhen kann. Kurz gesagt: Der Topos Sex tritt zurück, der Topos City wird umso wichtiger.

    Bushnell bildet ihre New Yorker Gesellschaft im Stadium des Vorbebens ab, kurz vor dem Ausbruch des Vulkans, beziehungsweise der aktuellen Wirtschaftskrise. Noch ist nichts passiert, noch geht ein paar Kilometer von One Fifth Avenue entfernt, in der Wallstreet, alles seinen gewohnten Gang. Aber die Vorzeichen sind unübersehbar. Charlene Diamond und Philipp besinnen sich auf den Wert ihrer alten Liebe und Paul, der Hedgefond-Manager, erstickt buchstäblich an seiner eigenen Gier. Zum Schnäppchenpreis von 37 Millionen Dollar kauft er eine Yacht und stürzt sich ohne jede sportliche Erfahrung, dafür aber mit ein paar Promille im Blut, zum Tiefseetauchen in den Ozean. Er taucht als Leiche wieder auf. Der Leser erfährt es nicht ohne einen Hauch von Schadenfreude. Candace Bushnell ist in ihrem neuen Roman "One fifth Avenue" die effekt- und pointensichere, unterhaltungsbewusste Bestsellerautorin, die sie immer war; und doch in diesem neuen Buch ein bisschen mehr. Im Kanon der amerikanischen Gesellschaftsromane hat es einen Platz verdient,. Sagen wir: Im siebten Stockwerk.

    Candace Bushnell: One fifth Avenue. Aus dem Amerikanischen von Friederike Meltendorf. Du Mont Buchverlag, Köln 2009, 510 Seiten, 19.90 Euro