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Sakrileg oder kongeniale Fortsetzung?

Der Bestsellerautor Eoin Colfer traut sich was: Auf Betreiben der Witwe des vor acht Jahren verstorbenen Douglas Adams hat er der fünfbändigen "Trilogie" "Per Anhalter durch die Galaxis" einen sechsten Teil hinzugefügt - und ganz nebenbei Adams Universum mit Erfolg renoviert.

Von Michael Schmitt | 24.01.2010
    Der alte Mann hofft immer noch auf eine gute Tasse Tee, aber er sieht mittlerweile aus, als habe er eine Milliarde Jahre einzeln an den Fingern seiner Hand abgezählt. Seine Haut ist wie Pergament, er hat den Planeten Erde zweimal sterben gesehen. Beim ersten Mal die wirkliche Erdkugel, die einer Hyperraum-Schnellstraße im Weg war, und beim zweiten Mal einen Riesen-Computer, den eine überlegene Intelligenzform an Stelle des alten Planeten installiert hatte. Dieser Mann heißt Arthur Dent, war einmal ein Radioreporter und hat sein Leben als fiktive Figur in fünf Romanen von Douglas Adams bestritten. Er ist in Morgenmantel und Pyjama durchs Weltall geschlurft, hat auf einem anderen Planeten schließlich Sandwiches verkauft - und immer wieder lange am Strand gesessen, um seinen Gedanken nachzuhängen.

    Er hat eine Frau namens Fenchurch geliebt und sie nie vergessen, nachdem sie ist ihm durch eine Art von interstellarem Slapstick abhanden gekommen ist. Eine Tochter hat er auch, sie heißt Random und ist im Reagenzglas gezeugt worden, mit einer Samenspende, von der er nicht wissen konnte, wem sie zugutekommen würde. Als er jung war, hielt man ihn für lethargisch und prophezeite ihm ein langweiliges Leben. Aber Douglas Adams' hat ihm seit den späten 70er-Jahren, geschult am gewissenlosen Humor der Monthy Pythons zu einem der abwechselungsreichsten Lebensläufe verholfen, die menschliche Fantasie sich ausdenken kann. Nur: Gelassene Zufriedenheit und Ruhe hat Arthur nie gekannt, und er kennt sie auch zu Beginn des sechsten Teils des Romanzyklus' nicht, der als "Per Anhalter durch die Galaxis" berühmt geworden ist.

    Mit einem Gehstock, den er sich aus einem abgelegten Roboterbein gebastelt hatte, malte der alte Mann zwei natürliche Zahlen in den Sand und beobachtete, wie die Wellen sie wegspülten.
    42. Einen Moment stand die Zahl noch da, im nächsten war sie verschwunden. Vielleicht hatte die Zahl nie dagestanden, und vielleicht war sie auch völlig belanglos.
    Aus irgendeinem Grund musste der Mann gackernd darüber lachen, dann beugte er sich vor und schlurfte den Hang hinauf zu seiner Veranda.


    Diese Zahl "42" ist bekanntlich einer der großen Gags, durch die Douglas Adams' Romanfolge unsterblich geworden ist. Es ist die Antwort, die ein Computer nach 7,5 Millionen Rechenjahren auf die Frage nach dem Sinn des Lebens findet. Und natürlich ist diese Antwort komplett unverständlich – und darüber hinaus ist nach dieser langen Zeit auch die genaue Frage, die seinerzeit gestellt worden war, nicht mehr zu rekonstruieren. Kaum jemand, der auf sich hält und seither über den Sinn des Lebens nachgedacht hat, verzichtet seither darauf, diese satirische Zuspitzung des Kernproblems aller Philosophen zu zitieren. Weder Terry Eagleton in einem viel gerühmten aktuellen Essay noch der Schriftsteller Thomas Lehr, der vor vier Jahren einen ganzen Roman über die Relativitätstheorie mit der Zahl "42" betitelt hat. Doch nun - kaum dass man mit dem Lesen von "Und übrigens noch was ..." begonnen hat -, wird diese "42" ebenso souverän wie traurig schön einfach hinweggespült.

    Wie mag das weitergehen, fragt sich der Leser. Und was soll das werden, fragten sich natürlich auch die Verehrer dieser "Trilogie in fünf Bänden", als bekannt wurde, dass acht Jahre nach dem Tod von Douglas Adams eine Fortsetzung erscheinen sollte - geschrieben von Eoin Colfer und abgesegnet von Dougals Adams' Witwe.

    Die Sorgen ließen sich leicht benennen: Kann Colfer den Geist und den Tonfall von Adams aufnehmen? Wird seine Fortsetzung möglicherweise das Werk von Adams rückwirkend beschädigen? Die Gegenfrage – ob das Gesamtwerk vielleicht davon profitieren könnte? - wurde nicht so oft gestellt, obwohl offensichtlich Douglas Adams' Galaxis nie in Stein gemeißelt war. Die Romanfolge hatte schließlich ihren Kern in einer Radio-Sendung, wurde erst dann als Buch und als TV-Serie adaptiert und dabei immer – auch von Douglas Adams selbst - schleichend verändert. Es gibt also kaum einen plausiblen Grund, warum weitere Änderungen oder Zusätze nicht erlaubt sein sollten – die weitaus interessantere Frage ist doch, wie Eoin Colfer sich nun in diesen "Anhalter"-Kosmos eingeschrieben hat?

    Braucht nicht jeder Mythos ab und an eine gewisse Auffrischung?

    Man darf ja doch gewisse Erwartungen hegen, denn Eoin Colfer hat einen Ruf zu verlieren, seit er mit seiner "Artemis Fowl"-Serie selbst zum Bestsellerautor und zum Star avanciert ist: mit seinem halbwüchsigen Helden, der zunächst im Gefolge von Harry Potter auftrat, sich dann aber schnell durch action-betontere Plots, durch eine etwas fragwürdigere Moral und durch insgesamt derberes Erzählen von Joanne K. Rowlings verunsichertem, pubertierendem Zauberlehrling abgesetzt hat.

    Douglas Adams hatte 1995, nachdem der fünfte Teil, "Einmal Rupert und zurück" erschienen und die Erde darin zum zweiten Mal zerstört worden war, durchaus erkennen lassen, dass er durchaus auch selbst an einer weiteren Fortsetzung arbeiten wollen würde. Anders als in den früheren Büchern, die meist damit geendet seien, dass die Helden weit verstreut im Weltraum zurückgeblieben wären, sei es ihm im fünften Band immerhin gelungen, sie alle auf der Erde zu versammeln, und das erleichtere die Arbeit an einem neuen Plot, hatte er einer deutschen Zeitung erklärt, und auch betont, es sei kein unlösbares Problem, wenn alle zentralen Figuren tot seien ...

    An diesem Punkt musste Eoin Colfer nun also ansetzen – und er entschied sich für eine Art von totalem "reset". Er versetzt einige der Hauptfiguren zurück an den Punkt unmittelbar vor der zweiten Zerstörung der Erde, erklärt ihr jahrzehntelanges Treiben im Weltall zu einer virtuellen Vorspiegelung, die den Menschen ihre letzten Minuten versüßen und scheinbar verlängern sollte - und lässt einmal mehr die bösartigen Vogonen aus dem All heranrauschen und mit ihrem Vernichtungswerk beginnen. Wieder einmal müssen die Hauptfiguren sich retten. Es sind Arthur Dent, sein Freund Ford Prefect vom Planetensystem Beteigeuze sowie die Reporterin Trillian und ihre Tochter Random. Sie fliehen mit dem Raumschiff "Herz aus Gold", mit dem der großmäulige, hochdubiose und umtriebige Präsident der Galaxis, Zaphod Beeblebrox, im letzten Moment auftaucht.

    Das wirkt auf den ersten hundert Seiten etwas angestrengt und überdehnt, und wird zudem in zahllosen Anmerkungen mit viel zu vielen kleinen Reminiszenzen an die wild wuchernden und oft nur nebenbei eingestreuten Gags von Douglas Adams in den vorangegangenen Romanen aufgeladen.

    Am Ende dieses ersten Akts steht daher in eine Apokalypse mit Bildern, die an Roland Emmerichs aktuelle Weltuntergangs-Inszenierungen in "2012" gemahnen .....
    Die Todesstrahlen waren von der dicken, runden Sorte, wie sie von den Trickfilmherstellern im Fernsehen gegen Ende des zwanzigsten Jahrhunderts vorzugsweise verwendet wurden. Und die Erde sah aus wie ein Fußball, den man in Pappmaché gewickelt hatte.
    Aber es ist echt. Wie schrecklich.
    Von allen Seiten prallten diese Strahlen auf den Planeten und schälten ihn wie einen blaugrünen Apfel. Arthur meinte Neuseeland zu erkennen, wie es sich von der australischen Platte ablöste und einen tausend Meilen langen Schwanz aus Dampf und Schutt hinter sich herzog.
    Ich vermisse meinen Strand, dachte Arthur. Ich vermisse das Gefühl, nie wirklich etwas ganz sicher zu wissen.
    Bald war der Planet in wogende Asche- und Dampfwolken gehüllt. Die Todesstrahlen liefen wie eine Bleistiftspitze auf einem Punkt zusammen und bohrten sich mit einem mächtigen Schub durch die unglückliche Erde und zerrissen sie von Pol zu Pol.


    Erst nachdem dieses Zerstörungswerk abgeschlossen ist, tut Eoin Colfer sich viel leichter – so als habe er zunächst Ballast abwerfen müssen. Die Geschichte gewinnt an Fahrt, denn von da an hat Colfer Raum, um neue Szenarien und weitere Helden einzuführen. Zunächst finden Arthur und seine Kameradinnen und Kameraden sich deutlich verjüngt auf dem Weg zu einem neuen Ziel – dem künstlichen Planeten Nano, einer kleine Enklave von überlebenden Erdlingen und Humanoiden, die dem Zerstörungswerk der Vogonen bis dahin ebenfalls entgangen ist. Um diesen Planeten herum ordnet Colfer dann verschiedene neue Motive, interstellare Duelle und durchaus irdisch-emotional aufgefasste Beziehungskrisen. Und trotz aller Witze, mit denen er seine Geschichte im Detail hemmungslos würzt, legt er dabei erkennbar Wert auf einen belastbaren roten Faden, der aus einer Folge von Sketchen eine wirkliche Komödie macht, einen fast schon erwachsenen Roman.

    Da ist zum einen Bowerick Wowbagger, ein grüner Alien mit athletischem Körperbau und wohldefinierter Bauchmuskulatur. Wowbagger ist unfreiwillig unsterblich, kann dem aber nichts mehr abgewinnen und fliegt seit langer Zeit nur mehr durch die Galaxis, um Leute zu beleidigen. Auf Nano will er einen Gegner finden, der in der Lage ist, ihn zu erschlagen – als es dann aber fast so weit ist, hat Wowbagger sich verliebt und möchte lieber weiterleben.

    Weiterhin wird dem guten alten germanischen Gott Thor ein beachtliches Comeback gewährt. Denn Eoin Colfer aktiviert also die Asen, um die Palette seiner Figuren zu bereichern; er zitiert die nordischen Helden- und Göttersagen herbei, und führt den grimmigen Haudrauf Thor mitsamt seinem dicken Hammer Mjöllnir von der "Taverne der zertrümmerten Träume" auf dem Planeten Asgard, wo er nach einem massiven Karriereknick zu versumpfen droht, geradewegs an den Himmel von Nano, wo er als Lichtgestalt und neuer Gott installiert werden soll.

    Wie das im Detail verknüpft wird, sollte man nicht verraten, denn dieser Roman lebt in erheblichem Maß von der Spannung, die Colfer erzeugt, in dem er die Wege seiner Helden sich überkreuzen lässt – seine Liebe zum Detail und zum Schliff lässt sich aber auch schon an der Schilderung der entscheidenden Handlungsorte erkennen.

    Der Kleinplanet Nano wird ähnlich eingeführt wie einst die Erde im ersten Band des Zyklus', und er teilt mit der Erde ja auch die Bedrohung durch die Vogonen, die schon unterwegs sind, um zu zerstören.

    Weit draußen am Rande des Dunklen Nebels von Soulianis und Rahm befindet sich ein kleiner Planetoid, der wie ein Stück Weihnachtsbaumschmuck an einem der geschwungenen Seitenarme des Nebels hängt. Dieser Zwergplanet, Katalog-Nummer MBP-1001001, hält sich nicht an die universellen Schwerkraftgesetze, sondern rotiert an einem festen Standort hundertfünfzig Millionen Kilometer über der Oberfläche von Rahm um seine eigene Achse.
    Dieser winzige Planet, der "Nano" getauft wurde, kann der Zugkraft seiner Sonne vor allem auf Grund seiner ungeheuren Masse widerstehen, da er vorwiegend aus superdichter Materie besteht, die von weißen Löchern abgesondert wurde. Diese einzigartige Position garantiert ein dauerhaft gemäßigtes Klima und ermöglicht ein sorgenfreies Leben auf fruchtbaren Ebenen und azurblauen Meeren mit einer großzügigen Ausstattung reichlich vorhandener Fjorde – eine sehr ungewöhnliche Erscheinung für einen Planeten, der nie eine Eiszeit erlebt hat.


    Auf Nano haben sich alternde Erdlinge in einer Art von Wellness-Oase zusammengefunden – wer denkt da nicht gleich an Senioren, die auf Mallorca oder auf den Kanaren überwintern ? -, hier stehen fast wie im Schlaraffenland Heerscharen von Rindern auf der Weide und gieren danach, gebraten und verzehrt zu werden. Hier gibt es aber neben kleinlichem Streit auch ein offensichtliches Defizit in Sachen Transzendenz und Hackordnung zwischen Himmel und Boden.

    Auf Nano fehlt es nämlich an einem Gott, dem man gehorchen, den man verehren und dessen Schutz man sich überlassen könnte. Also führt der Manager der Gemeinde, Hillman Hunter, ein aalglatter Marketingtyp, ständig Bewerbungsgespräche mit geeigneten Kandidaten. Beispielsweise mit der Muttergöttin Gaia oder auch mit Cthulhu, den man aus den Romanen von H. P. Lovecraft kennt. Das sind vor allem "Spielereien" für solche Leser, die so etwas entziffern können - Eoin Colfer setzt damit aber auch fort, was Douglas Adams immer schon betrieben hat: Gnadenlosen Spott auf Religion und Gottvertrauen. In dieser Galaxis ist kein Platz für Pietät und Glauben – bei Douglas Adams war das so, weil er ungeachtet aller Satire ein großes Vertrauen in technologische Utopien hatte. Und Eoin Colfer spitzt im Jahr 2009 nur zu, woran wir uns im Alltag längst gewöhnt haben - die Inszenierung der Religion als Event und als Geschäft.

    Asgard ist demgegenüber ein Ort für raue Kerle, das Gegenstück zur Zivilisiertheit auf Nano, und man könnte diesen Ort als Paradies aller Ungebärdigen oder gar Authentischen ansehen – wenn, ja wenn das nicht alles nur re-animierte Wikinger wären, die hier hausen, während Thor über den vielen offenen Rechnungen brütet, die er mit der Welt zu begleichen hat – und von denen am Ende tatsächlich einige abgegolten sein werden.

    Was man sah, war ungeheuer eindrucksvoll. Da war zum Beispiel die ganze Sache mit der Eishülle, die die Oberfläche des Planeten in eine ewig flackernde, blausilbrige Lightshow tauchte. Die Oberfläche selbst war von dramatischen topographischen Attraktionen übersäht: mächtige reißende Ströme, hohe schneebedeckte Gipfel und Fjorde, die so verschlungen waren wie das Elektrokardiogramm eines Twitterflitters. Glänzende Eisflächen wechselten sich auf vollkommen unmögliche Art mit goldenen Maisfeldern ab, und alles war in ein Sonnenlicht gebadet, das man nicht zu irgendeinem Stern zurückverfolgen konnte. Hoch aufragende Burgen rissen Löcher in die Wolken, und auf den Türmen lagen zusammengerollte Wachdrachen. Es war die Traumwelt testosterongetriebener Männer, die nie dazu gezwungen gewesen waren, sich wie Erwachsene zu benehmen.

    Geht man völlig fehl, wenn man vermutet, dass die anvisierten Leser dieses Romans über ähnliche psychische Dispositionen verfügen sollten? Oder abgeschwächt formuliert: dass sie für eine solche Haltung zumindest viel Verständnis mitbringen sollten, um ihr Vergnügen daran zu finden? Die technischen Gags und der spezifische Slang bei Douglas Adams waren ganz gewiss vor allem immer ein Genuss für Jungs; und da wo sie bei Eoin Colfer weiterleben und um die Gepflogenheiten Wowbaggers oder der Asen bereichert werden, sind sie es wahrscheinlich immer noch. Da werden harte Sprüche gedroschen, wenn etwa Thor einem Gegenüber in der schummrigen Taverne erklärt:

    Der einzige Grund dafür, dass ich Dich nicht umbringe, ist der, dass man die innere Leere nicht mit Leichen füllen kann.

    Oder es werden zynische Verse geschmiedet, wenn die Vogonen, bekannt für die bürokratisch-perfekte Abwicklung der Vernichtung ihre Zielobjekte, im Anflug auf Nano im Kollektiv ihre poetische Ader entdecken:

    Funkel, funkel, kleiner Planetoid.
    Warte nur, balde folgt der Genozid.


    Aber auf lange Sicht, über die ganze Distanz der erzählten Geschichte, wird man Colfer zugestehen, dass er entschieden über eine Aneinanderreihung von Pointen hinausgelangt; dass seine Art, diese galaktische Satire weiter zu erzählen, fast allen Hauptfiguren ein bisschen mehr Feinschliff und ein bisschen mehr Entwicklungspotenzial zugesteht. Den männlichen Hauptfiguren gönnt er allerdings mehr davon als den weiblichen - aber das sollte man nicht zu sehr kritisieren, denn sie hatten es auch nötiger ... Die alten Gags und der Slang der früheren Geschichten haben sich deutlich verbraucht, Vokabeln wie "froody" haben sich überlebt und irritieren manchmal mehr, als dass sie amüsieren, wenn Eoin Colfer sie gelegentlich herbeizitiert. Man sagt ja auch nicht mehr "groovy" oder "geil" oder "echt". Alles hat seine Zeit, und fast fünfzehn Jahre nach dem letzten Roman von Adams eigener Hand sollte eine gewisse Modernisierung auch in dieser Hinsicht gestattet werden.

    Douglas Adams darf natürlich trotzdem in Anspruch nehmen, als Verfechter des Fortschritts vieles vorweg erfunden hat, was sich erst in den letzten Jahren flächendeckend tatsächlich eingestellt hat. Das Sub-Etha-Netz funktioniert von Anbeginn an schon so wie unser Web 2.0 erst seit Kurzem. Der kosmische Reiseführer, der "Anhalter", und eine billiger aufgemachte Konkurrenz sind direkte Vorläufer von Internetforen oder auch von Wikipedia.

    Eoin Colfer versucht nun aber, aus all dem einen Knoten zu schürzen, denn er weiß mittlerweile, was Adams in den 70er, 80er und 90er-Jahren allenfalls ahnen konnte: Wie bizarr das alles auch sein kann, wie fortschrittlich und lächerlich zugleich. Ein Gott wie Thor, der auf die Reaktionen seiner Internetgemeinde achten muss, ist nur mehr ein Dienstleister; und das ist schlimmer für ihn, als jene Art von Elend, die ein uriger Kerl wie er üblicherweise empfindet, wenn es mal nicht so gut läuft – er aber immer noch glauben will, die Dinge im Griff zu haben.

    Als Thor nämlich gefragt wird, warum er als Gott auf dem Planetoiden Nano "eine Karriere" anstrebe, mit allen möglichen Klauseln im Kleingedruckten, antwortet er:.

    "Das ist eine gute Frage, aber ich weiß die Antwort, weil wir das in den Gruppensitzungen nach meinem Nervenzusammenbruch besprochen haben. Götter haben gottgleiche Egos, daher brauchen wir viel Liebe, um geistig gesund zu bleiben. Wenn man sich diese ganzen Götter anguckt, die Ernten vernichten und Flüsse trockenlegen – die Typen werden nicht geliebt. Das ist ein Teufelskreis, weißt Du? Ihr könnt Euch gar nicht vorstellen, wie deprimiert Götter sein können. Gerade wurden wir noch verehrt, im nächsten Augenblick werden wir schon verachtet. Und ich bin wirklich ganz tief unten in der Gosse gewesen, das kannst Du mir glauben."

    Die offensichtliche Pointe, auf die Colfer hier setzt, ist altbekannt und vielfach bewährt. Man könnte auch sagen: abgedroschen. Woody Allen und seine Epigonen haben so etwas in den 70ern wieder und wieder erzählt; der gesamte Psychojargon der vergangenen Jahrzehnte klingt an, ohne dass man darüber allzu laut lachen wollen würde.Unterschwellig aber passiert an solchen Stellen dann aber doch ein bisschen mehr, eine entschiedenere Demontage dieses Helden, als es ein einzelner Witz leisten könnte. Denn es geht ja kaum noch darum, wie Thor sich selbst seine Geschichte erklärt, sondern darum, wie man ihn in der Öffentlichkeit verkaufen könnte. Die entscheidenderen Geschichten erfinden mittlerweile ganz andere Leute – und davon versteht der Gott mit dem dicken Hammer und den festen Oberschenkeln herzlich wenig. Der starke Mann ist kein rechter Held mehr – und auch nicht einfach nur das Opfer seiner mehr oder weniger sympathischen Schwächen -, er ist bloß noch ein Marketingobjekt mit falschem Bewusstsein.

    Dem grünen Alien Bowerick Wowbagger geht es nicht viel anders. Auch er hält sich viel darauf zugute, stark, unverschämt und selbstbewusst zu sein. Also muss auch er demontiert werden – und dass inszeniert man bei Männern von diesem Schlage am plausibelsten und in bestens bewährter Weise, indem man ihnen eine Frau an die Seite stellt, die den allenfalls rudimentär entwickelten Gefühlshaushalt in Unordnung bringt.

    Bei Wowbagger übernimmt das die Reporterin Trillian, die er an Bord seines Raumschiffes kennengelernt hat. Erst haben sie sich gestritten, irgendwann haben sie sich gefragt, ob sie sich lieben. Und schließlich steht der alterslose Wowbagger kurz vor dem Kampf, bei dem er vielleicht sterben soll, und Trillian steht ihm gegenüber ...

    Trillian wischte sich die Tränen von den Wangen. "Nein, ich habe vollstes Verständnis für Dich. Als Unsterblicher in Deinem wunderbaren Schiff hast Du schreckliche Zeiten durchgemacht. Immer nur Bier trinken und Leute beleidigen, gar nicht zu erwähnen, dass Du unglaublich attraktiv und charmant bist.
    Mir ist schon klar, dass das für Dich die Hölle gewesen sein muss."
    "Klingt ziemlich glamourös, wenn Du das so sagst."
    "War es denn nicht? Wenn ich mich recht erinnere, wurdest Du sogar mit diversen Starlets in Verbindung gebracht."
    "Das war rein körperlich. Die Frauen haben mir nichts bedeutet."
    Das ist, historisch gesehen, der drittschlechteste Satz, den man zu einem weiblichen Wesen, egal welcher Spezies, sagen kann.
    "Sie haben Dir nichts bedeutet? Warum nicht?"
    Wowbagger breitete die Arme aus. "Wie hätte das funktionieren sollen? Sogar während des Beischlafs alterten sie."


    Damit hat er gleich auch noch den zweitschlechtesten dieser Sätze platziert – und den allerschlechtesten wird er kurz darauf auch noch hinkriegen – Quizfrage an die Jungs, die solche Bücher lesen: Wie könnte der wohl lauten? - und trotzdem holt ihn am Ende die Liebe ein, er darf sich wandeln, darf als halb totes sterbliches Wesen, extrem pflegebedürftig mit der Dame seines Herzens im Weltall verschwinden.

    Auch dieser Handlungsstrang setzt sich über die lange Distanz des Romans über einzelne Gags hinweg. Die Liebe hat bei Douglas Adams selten eine Rolle gespielt, allenfalls Arthur Dents kurze Beziehung zu Fenchurch, die ihm durch das grausame Walten des Universums geraubt wird, macht da eine Ausnahme. Aber schon in der Verfilmung des Anhalter-Zyklus durch Garth Jennings ist das 2005 deutlich anders angelegt worden – dort werden Arthur und Trillian miteinander in Verbindung gebracht.

    In Eoin Colfers Galaxis gibt es nun so etwas wie die forcierte Rückkehr des Gefühls, nicht nur in Sachen Liebe, sondern auch in Familienangelegenheiten. Ganz sachte und gut getarnt unter einer dicken Schicht "lustiger Einfälle" wird das Universum zivilisiert – sogar die notorisch bösen Vogonen bleiben davon nicht verschont – und aus einem melancholischen Teetrinker wird beinahe so etwas wie ein Vater ...

    Arthur Dent fing an, das Gefühl der Isolation zu verstehen, dass seiner Tochter zu schaffen machte.
    "Ich verstehe jetzt, was Du mir erzählt hast", sagte er eines Tages vor der Arbeit zu ihr. "Wir gehören nirgendwo richtig hin. Die Erde war unser Planet, aber sie ist jetzt weg. Und obwohl wir sie als unsere Heimat bezeichnet haben, war sie das doch schon seit Jahrzehnten nicht mehr. (...) wir sind kosmische Nomaden, was übrigens ein toller Name für eine Band wäre, interstellare Vagabunden, und jeder von uns hat nur den anderen, an dem er sich in dieser Ewigkeit festhalten kann."
    Und Random sagte: "Was machst Du mir heute auf die Sandwiches, Daddy? Vergiss nicht, dass ich jetzt versuche, Vegetarierin zu sein, und Rind ist nicht vegetarisch."
    "Das Rindfleisch hat sich aufs Sandwich geschlichen", sagte Arthur lahm, und er erkannte, dass Random längst nicht mehr so unerträglich unglücklich war wie vorher. (...) vielleicht sollte Arthur dankbar dafür sein, dass er es morgens am Frühstückstisch meistens mit einem relativ freundlichen Teenager zu tun hatte. Vielleicht sollte er aufhören, sie durch die säuerlichen Absonderungen seiner Psyche runterzuziehen.


    Auch wenn es dabei nicht bleibt und Arthur Dent am Ende doch wieder unruhig wird und an einem Strand landet, den er aus früheren Phasen seines Lebens zu kennen glaubt – Eoin Colfer hat Douglas Adams Universum renoviert, und das zu Recht und mit einigem Erfolg. Dass es bei Büchern dieses Genres nicht darum geht, Goethe und Dostojewski in den Schatten zu stellen, muss nicht groß erklärt werden. Dass hier jemand aber nicht nur ein paar eingespielte Witze wieder aufgewärmt, sondern sie umgeschrieben, sie anders und neu verpackt hat, das verdient Respekt.

    Eoin Colfer: "Und übrigens noch was". Roman, aus dem Englischen von Gunnar Kwisinski. Heyne Verlag, München 2009, 416 Seiten
    (Douglas Adams' Per Anhalter durch die Galaxis. Teil 6 der Trilogie)