Freitag, 26. April 2024

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"Salomé" in München
Absurde Kostüme und lächerliche Sexszenen

In München hat wieder einmal ein regietheatraler Flachwurzler mit seinen banalen Einfällen eine Premiere ins Abseits gespielt. Die eigentlich hübsche Entdeckung im Strauss-Jahr bleibt mit ihrem szenischen Chaos und den vielen Lächerlichkeiten von den Kostümen über die Sexszenen unter den Erwartungen.

Von Jörn Florian Fuchs | 01.03.2014
    Das Leben ist kurz, die Sendezeit begrenzt, also gleich zur Sache. Antoine Mariottes "Salomé"-Oper hebt sich von der seines Kollegen und Zeitgenossen Richard Strauss inhaltlich nur wenig, musikalisch jedoch sehr ab. Bei Mariotte endet die Geschichte recht sanft, ein wunderbarer Schlusschoral aus reinsten Vokalisen ertönt zum Tode des Propheten, dessen Haupt das Teufelsweib in Händen hält. Statt des Strauss'schen Erosrausches hört man hier melancholisches Transzendenzwehen. Ein weiterer Unterschied: Antoine Mariotte konzentriert die Handlung aufs Wesentliche, also auf Salomé, Herodes und Jochanaan, die Nebenfiguren und -stränge bleiben tatsächlich am Rand des Ganzen. Und die Musik? Ab und an wähnt man sich ein paar Takte lang doch in einer Strauss-Oper, aber nicht bei Salomé, sondern in einem bisher unbekannten, deutlich simpler gestrickten Opus. Kurzzeitig schenkt uns Mariotte nämlich bombastischen Zuckerguss und schmerzlich süße Melodien, doch rasch gibt es dann wieder ein ziemlich breites Klangbett, in dem dichte, impressionistisch angehauchte Texturen durcheinander wuseln.
    Gern hört man zu, entschlüsselt bald auch die eher simplen Leitmotive und fragt sich dennoch, ob es Mariotte nicht besser bei einer halbstündigen symphonischen Dichtung belassen hätte. In diesem Fall wären uns freilich die hervorragenden Münchner Solisten entgangen, es handelt sich ja um eine Produktion der Bayerischen Theaterakademie, also gibt es ganz frische, junge Stimmen. Die kräftezehrende Titelpartie wird von Anna-Maria Thoma interpretiert - sie macht das hochkonzentriert und präzise bis in kleinste Schattierungen.
    Letztlich hilft alles nichts
    Den Propheten gibt Heeyun Choi mit Kraft und adäquat brüchigem Verzweiflungsmelos. Herodes wird von Eric Ander mit sehr diszipliniertem Prachtbass verkörpert. Auf Disziplin und Genauigkeit kommt es bei diesem Stück wirklich an, weil das scheinbar so locker dahin Fließende in Wahrheit hoch komplex strukturiert ist.
    Ulf Schirmer macht am Pult des Münchner Rundfunkorchesters zwar viele Schönheiten der Partitur hörbar, zu oft entsteht leider jedoch ein brüllend lauter, dennoch ins Breiige tendierender Mischklang.
    Das größte Manko dieser hübschen Entdeckung im Strauss-Jahr ist freilich die Inszenierung von Balász Kovalik, der sich offenbar zu viel mit Internetpornografie befasst hat. Salomé darf sich immer wieder ausführlich lasziv räkeln und ihre Räkelreize via Computer und Datenbrille verschicken.
    In und auf einem Stahlungetüm laufen, schreiten und streiten die Protagonisten, man sieht absurde Kostüme, Tiermasken, lächerliche Sexszenen und müdes Chargieren. Das szenische Chaos wird durch das streng geometrische Raumkonzept und auch manch feine psychologische Beobachtung zwar etwas konterkariert, aber letztlich hilft alles nichts, wieder einmal hat ein regietheatraler Flachwurzler mit seinen banalen Einfällen eine Premiere ins Abseits gespielt. Schade drum!