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Salonmusik für zwei

Wir stellen Ihnen heute ein Programm "a due Cembali" vor, die erste solistische Gemeinschaftsproduktion von Aline Zylberajch und Martin Gester, die jetzt mit dem Untertitel "caprices ..." beim französischen Label K617 erschien.

Von Christiane Lehnigk |
    Ein abwechselungsreiches, originelles und virtuoses Konzert im Stil der Salonmusik wollten die beiden Künstler hier vorstellen, die auch privat ein Paar sind. Der Geschmack der Salons hatte einige Kuriositäten hervorgebracht wie ungewöhnliche Instrumente, Maschinen als Gegenpole zu den Stürmen der Leidenschaft und "Empfindsamkeit", Alberti-Bässe als Begleitung zu hinreißenden Melodien, Orgel und Cembalo in vielerlei Klangfarben und Registrierungen als Mittler zur Darstellung von Opernarien, Spielzeugsinfonien, pathetischer Musik oder Vogelgezwitscher, als Imitation virtuoser Violinen oder Blasinstrumente. Und so bedienten sich Aline Zylberajch und Martin Gester auf dieser CD aus dem Topf originaler Kompositionen dieses Genres für zwei Cembali oder sie bearbeiteten Stücke für diese Besetzung oder für Orgel und Cembalo.

    Den Anfang macht das letzte der sechs Konzerte für zwei Orgeln von Padre Antonio Soler, der als Cembalolehrer des Prinzen Don Gabriel am Hof der Bourbonen lebte . In vielen seiner gut 120 Sonaten für Tasteninstrumente nimmt er lautmalerisch Bezug auf spanische Gitarrenmusik und Flamencorhythmen, hier im 1. Satz des Konzertes wechseln sich solche akkordischen, folkloristischen Passagen mit "cantabile"-Teilen im neapolitanischen Stil ab.

    Padre Antonio Soler
    aus: 6e concerto D-dur aus: "Seis conciertos para dos organos"
    1. Andante / Allegro (Ausschnitt )
    Aline Zylberajch, Martin Gester - Cembalo


    Aline Zylberajch und Martin Gester sind vielseitige Musiker und Pädagogen, die der Alten Musik in Straßbourg zu einem Revival verholfen haben. Der Cembalist, Organist, Pianist, Musikologe und Dirigent Martin Gester gründete hier 1990 sein Ensemble "Le Parlement de Musique", mit dem er, in unterschiedlich großer Besetzung, auch auf internationalen Festivals unterwegs ist. Weithin beachtete und prämierte Einspielungen vokaler und instrumentaler Werke von Monteverdi bis Mendelssohn bestätigen seinen ausgezeichneten Ruf in der Alte-Musik-Szene. Ebenso wie Aline Zylberajch lehrt auch er unter anderem am Conservatoire de Musique in Straßburg. Aline Zylberajch erhielt ihre Ausbildung am Pariser Conservatoire und in Amsterdam bei Ton Koopman und kehrte nach drei Jahren Studium auch des Pianoforte wieder nach Frankreich zurück. Ihr Repertoire reicht von William Byrd bis zur Moderne. Obwohl die beiden, die schon seit Jahrzehnten ein Paar sind und zwei erwachsene Söhne haben, lange Zeit in ganz unterschiedlichen Formationen zusammen auftreten, haben sie erst jetzt die Zeit gefunden, ein gemeinsames Programm zu erarbeiten, "ganz allein". Stücke in der Besetzung für unterschiedliche Tasteninstrumente von Johann Schobert bis Johann Michael Haydn sind auf dieser CD zu finden, umrahmt von originellen Stücken des zeitgenössischen österreichischen Komponisten Peter Planyavsky. Zylberajch und Gester schätzen diesen "brillanten Organisten" und "genialen Improvisator", der "westlich des Rheins und nördlich der Alpen" so gut wie unbekannt sei. Sie ernannten ihn, der sein Ohr am Puls der Zeit in der Musik Mitteleuropas habe, zum Paten ihrer Einspielung. Seine Musik überschreite die Grenzen zwischen den Stilen, Genres und Epochen, zwischen den einzelnen Schulen und der Avantgarde; professionell sei er wie Bach, ausgelassen wie Haydn, Stilgewandt wie Strawinsky und Cembalo-affin und die Folklore mit einbeziehend wie Ligeti. Planyavskys "Vier Stücke für zwei Cembali" entstanden 1978.

    Peter Planyavsky
    Caprice fugué "Hastig aber nicht hektisch"
    Aline Zylberajch, Martin Gester - Cembalo


    "Caprice fugué" so nannte Peter Planyavsky dieses Stück für zwei Cembali und mit "Caprices", "Launen" überschrieben auch Aline Zylberajch und Martin Gester ihre erste gemeinsame Duo CD. Dieses Projekt sei kein einfaches Unterfangen gewesen, schon allein die Synchronisation zweiter Instrumente mit angezupften Federkielen sei eine besondere Herausforderung, die Ausbalancierung von Freiheiten bei Tempi und Ornamentierung eine weitere; eine Erfahrung zweier eigenständiger Künstlerpersönlichkeiten, die hier mit dieser Musik experimentieren und austarieren, wie viel Freiheit bei der Interpretation möglich ist und man sich geben mag. Vielleicht ist es auch so etwas wie das humorvolle Abbild einer ehelichen Kurztherapie. Diese Begegnung auf hohem Niveau "abseits des Weges" jedenfalls ist eine empfehlenswerte Einspielung, ein ungewöhnliches Programm, das zwar immer im Rahmen bleibt und nichts wirklich Abseitiges hervorbringt, aber zum einen ein Muss ist für jeden Cembalo-Fan und zum anderen gewohnte Hörerfahrungen in andere Bahnen lenkt. Besonders skurril sind da solche Stücke, wie die für "Flötenuhren" von Joseph Haydn oder die, die Zylberajch und Gester für Cembalo und Orgel bearbeiteten, was aufnahmetechnisch ja nicht so einfach zu bewerkstelligen ist, unterscheiden sich die Instrumente doch schon allein durch Stimmung und Lautstärke voneinander.

    Hier das entzückende Vivace aus dem h-Moll-Konzert von Georg Philipp Telemann, ursprünglich geschrieben für Traversflöte, konzertantes Cembalo und Basso continuo. Hier bekam das Orgelpositiv die Rolle des Soloinstrumentes übertragen, ähnlich, wie es die Organisten bei den Chöralen und den Trios handhaben.

    Georg Philipp Telemann
    aus: Concerto h-moll TW42 h:1
    2.Vivace
    Aline Zylberajch, Cembalo
    Martin Gester, Orgel


    Auf ihrer ersten gemeinsamen Einspielung "a due Cembali" haben Aline Zylberajch und Martin Gester sich als Kulisse einen Salon vorgestellt, mit einem abwechslungsreichen, wie zufällig zusammengestellten Programm, mit Werken in originaler Besetzung und in Bearbeitungen. Das ist ein ungewohnter Ansatz, aber das Experiment ist aufgegangen. Es ist kein Raritätenkabinett, sondern zeigt anhand ganz unterschiedlicher Werke, wie unterhaltsam und virtuos Musik für zwei Cembali sein kann. Natürlich darf auch einer der Lieblingskomponisten der beiden, Johann Sebastian Bach, nicht fehlen.

    Aline Zylberajch und Martin Gester griffen Bachs Verehrung für Antonio Vivaldi auf und bearbeiteten das a-Moll-Konzert für zwei Violinen und Orchester "Al la manière de Bach" nach Art von Bach. Bach selbst hatte Vivaldis Concerti auf dem Cembalo und der Orgel, für ein bis vier Instrumente gespielt, mit oder ohne Orchester. Das a-Moll-Konzert für Vivaldi hat er für zweimanualige Orgel und doppeltes Pedal gesetzt, Zylberajch und Gester wiederum schrieben es nach dessen Vorbild für zwei Cembali um, eine "opulente und festliche" Fassung sollte es werden. Da stellt sich zum Beispiel auch die Frage, ob denn ein "Allegro" oder ein "Presto" Tempo in der Bearbeitung das des venezianischen Geigers oder des protestantischen Organisten/Cembalisten/Komponisten gewesen sind. Eine Frage, die Aline Zylberajch und Martin Gester für sich so entschieden haben:

    Antonio Vivaldi/A.Zylberajch, M.Gester
    aus: Concerto a-moll "Al la manière de Bach"
    1. Allegro
    Aline Zylberajch, Cembalo
    Martin Gester, Cembalo


    Die erste gemeinsame CD von Aline Zylberajch und Martin Gester ist unter dem Titel "a due Cembali - caprices ..." beim französischen Label K617 im Vertrieb von Harmonia Mundi erschienen.

    Diskografie

    a due Cembali - caprices ...
    Aline Zylberajch - Martin Gester, clavecins et orgue positif
    Mozart - Soler - Vivaldi - Telemann - Haydn - Planyavsky
    Label: K617
    Bestellnummer: K617233
    Vertrieb: Harmonia Mundi HM82
    EAN: 3 383510 002335