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Salvador Dalí und der Film

Er war nicht nur eine dramatische, sondern selbst eine ebenso exzentrische wie cineastische Erscheinung: der Maler und Surrealist Salvador Dalí. Seine filmkünstlerische Arbeit mit Regisseuren wie Luis Buñuel oder Alfred Hitchcock ist legendär. Die Ausstellung "Dalí: Painting and Film" im New Yorker Museum of Modern Art zeichnet Dalís Spuren im Film und Spuren des Films in Dalís malerischem Werk nach.

Von Sacha Verna | 13.07.2008
    Salvador Dalí war sieben Monate alt, als in seiner Geburtsstadt, dem spanischen Figueres, das erste Kino eröffnet wurde. Das war 1904 und der Beginn einer lebenslangen Liebesaffäre. Oder zumindest ein passendes Vorzeichen dafür. Denn Dalí, der selbstgekrönte König des Surrealismus und Inbegriff künstlerischer Exzentrik und raffinierter Selbstvermarktung, spielte bis wenige Jahre vor seinem Tod 1989 mit dem Medium Film herum. Er schrieb darüber und war ein leidenschaftlicher Kinogänger. Wie fruchtbar Dalís Verhältnis zum Film tatsächlich war, zeigt nun die Ausstellung "Dalí: Painting and Film" im New Yorker Museum of Modern Art.

    Die Fülle des versammelten Materials ist überwältigend: hundertsiebzig Exponate, darunter Bilder und Zeichnungen, Storyboards und Original-Setdesigns, Briefe und natürlich Filme, von denen einige Teil der Schau selber bilden und viele mehr das Begleitprogramm im museumseigenen Kino bestücken.

    Nun war Salvador Dalí gewiss nicht der erste Künstler, dem der Film als Inspiration und Experimentierfeld zugleich diente. Von Max Ernst über Fernand Léger bis zu Joseph Cornell waren viele Zeitgenossen Dalís vom Film fasziniert. Doch Jodi Hauptman, Mitorganisatorin der Ausstellung, hält einen Aspekt im Fall Dalís für besonders interessant:

    "Der Film kombiniert Realität und Imagination. Wenn Sie also draußen in der Welt filmen, nehmen Sie Bilder von echten Dingen auf. Aber dann kann der Filmemacher diese Bilder in etwas völlig anderes, wunderbar Surreales verwandeln. Und genau das ist Dalís künstlerische Strategie: Mit der ungeheuren Präzision, die er beim Malen anwendet, mit seinem Hyperrealismus stellt er letztlich eine Welt dar, die überhaupt nicht real ist. Sie erscheint surreal oder als etwas aus seinen Träumen. "

    Von Salvador Dalís Versuchen als Filmkünstler sind einige heute geradezu legendär: Seine Zusammenarbeit mit Luis Buñuel resultierte 1929 und 1930 in den beiden surrealistischen Filmklassikern "Le chien andalou" und "L’âge d’or". Für Alfred Hitchcock entwarf er fünfzehn Jahre später die berühmte Traumsequenz in dem Thriller "Spellbound", in der sich ein unter Amnesie leidender Gregory Peck in einem grausigen Kosmos voller riesiger Augen wiederfindet. Dalí verfolgte Projekte mit den Marx Brothers, Fritz Lang und Walt Disney, die, obgleich sie es nie auf die Leinwand schafften, in dieser Ausstellung ebenso wohl dokumentiert werden wie jene, die in die Filmgeschichte eingegangen sind.

    Dass es Dalí nach Hollywood zog, überrascht Jodi Hauptman nicht. Der Film als Magnet für die Massen sei ganz nach seinem Geschmack gewesen:

    "Er gibt sich nicht damit zufrieden, in der Avant-Garde zu bleiben. Er will mit Figuren der Populärkultur arbeiten, und zwar weil er sich selbst als Star sieht wie sie. In der Ausstellung zeigen wir Porträts, die Dalí von Laurence Olivier und dem Produzenten Jack Warner malte, neben einem Filmporträt von Dalí von Andy Warhol. Damit möchten wir auf das Verhältnis zwischen Dalís Selbstdarstellung und der Art hinweisen, wie er andere Berühmtheiten sieht."

    Salvador Dalís Spuren im Film nachzuzeichen, ist relativ einfach. Doch wie verhält es sich mit den Spuren des Films in Dalís malerischem Werk? Natürlich: Es gibt die Mappen voller Filmskizzen und die Ikonographie, die Ameisen und Uhren und Hummer, die symbolbeladen, aber mühelos zwischen Dalís laufenden und gerahmten Bildern hin- und herwechseln. Was noch? Dazu Jodi Hauptman:

    "Es gibt Bilder, die wie Breitwandformate, wie Panoramaaufnahmen wirken. Dalí verwendet die Technik der Nahaufnahme und die der Überblendung beim Malen. Es gibt Szenen, wie man sie nur mit einer Kamera einfangen kann."

    Ob Breitwandformat oder Close-up: "Dalí: Painting and Film" ist eine Ausstellung wie Wassereis – nicht sehr nahrhaft vielleicht, aber bunt und sommerlich leicht. Genau das Richtige nach üppigerem Kulturgenuss.