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Salz - doch besser als sein Ruf?

Ärzte streiten immer wieder darum, ob zu viel Salz wirklich krank macht. Jetzt zeigen Studien: Patienten mit viel Salz im Urin leben länger. Eine moderate Salzreduktion senkt den Blutdruck, nicht aber die Sterblichkeit an Herzkrankheiten.

Von Anna-Lena Dohrmann | 19.07.2011
    Lars Dietrich:

    "Dann dürfen sie sich hinlegen. Wollen Sie noch schnell auf die Waage vorher?"

    Steffi Fützenreiter:

    "Ich war schon bei Professor Blüher."

    "Sie dürfen nochmal!"
    "Ich darf nochmal."
    Steffi Fützenreiter steigt noch einmal auf die Waage: Drei Kilo hat sie in den letzten sechs Wochen abgenommen. Seit über zwei Jahren geht die 54-jährige hier an der Uniklinik Leipzig zu Lars Dietrich in die Ernährungsberatung. Sie leidet an Übergewicht und Bluthochdruck und lernt Schritt für Schritt, gesund zu essen. Ein Thema ist dabei das Salz.
    Fützenreiter:

    "Wir haben jetzt gerade mit meinem Mann die Diskussion, der hat ja hohen Blutdruck und der macht jede Menge Salz auf's Ei rauf. Und da gibt's immer so kleine Reibereien, weil ich denke, dass das doch für'n Blutdruck mit hilft."
    Dietrich:

    "Grundsätzlich ist eine salzreiche Ernährung nie gut. Ob das jetzt wirklich Einfluss auf Bluthochdruck hat, das ist noch nicht wirklich hundertprozentig wissenschaftlich bewiesen. Trotzdem ist es natürlich schöner, wenn man auch andere Gewürze benutzt außer Salz, ja? Auf‘s Ei darf Salz ruhig drauf!"

    Denn das Nachsalzen ist oft nicht der ausschlaggebende Faktor. Viel wichtiger sind die versteckten Salzquellen - vor allem in Fertiggerichten, aber auch in gesunden Produkten wie beispielsweise Schwarzbrot.

    Doch ob Salz wirklich so schlimm ist wie sein Ruf, darüber diskutieren Ärzte zurzeit heftig. Zwei aktuelle Studien stellen bisherige Ergebnisse auf den Kopf. Die eine besagt: Patienten mit viel Salz im Urin leben länger.

    Oberarzt Dr. Franz-Maximilian Rasche ist Nierenspezialist an der Uniklinik Leipzig. Er erklärt sich die unterschiedlichen Studienergebnisse durch die Komplexität der Untersuchungen:

    "Auf der einen Seite wird die Urin-Natrium-Ausscheidung gemessen und da gibt es verschiedene Verfahren, und sehr genaue Verfahren sind dann auch für den Patienten sehr einschränkend. Wahrscheinlich ist auch die sogenannte Adhärenz oder Compliance entscheidend. Wir wissen ja nicht wie die Patienten in den anderen Intervallen waren und wie viel Salz sie zu sich genommen haben."

    Das Problem: Es ist nicht klar, was der Salzgehalt im Urin wirklich bedeutet. Die Mediziner gehen davon aus, dass das Salz, was der Patient isst, als Natrium wieder ausgeschieden wird. Doch der Salzstoffwechsel ist ein langfristiger Prozess, der individuell unterschiedlich sein kann. Das geht aus Studien von Dr. Jens Titze, Nephrologe an der Universitätsklinik Erlangen, hervor.

    "Neue Untersuchungen von Herrn Titze haben uns auch gezeigt, dass es auch andere Möglichkeiten gibt, das Salz im Körper irgendwie zu verpacken. In der Haut können wir Natrium speichern und bei Bedarf auch wieder mobilisieren. Das heißt: Wenn wir jemanden haben, der sich vielleicht vorher sehr lange salzarm ernährt hat, heißt das, dass dieses Salz vielleicht irgendwo anders im Körper hingebracht wird und sich nicht in der Blutbahn befindet."

    Und somit auch nicht mit dem Urin ausgeschieden wird. Was genau das Salz in unserem Körper macht, ist aber noch ungeklärt. Die zweite Studie besagt, dass eine moderate Salzreduktion zwar den Blutdruck senkt, aber nicht die Sterblichkeit an Herzkrankheiten.
    Trotzdem motiviert Rasche vor allem seine Bluthochdruckpatienten, Salz zu reduzieren. Schließlich gibt es keinen Grund, übermäßig viel Salz zu essen. Lars Dietrich empfiehlt in seiner Ernährungssprechstunde, generell bewusst zu essen.

    Dadurch nehmen viele Patienten automatisch weniger Salz zu sich, so Dietrich:

    "Fertiggerichte sind nicht verboten, aber sie müssen halt im Speiseplan mit integriert werden und müssen halt beachtet werden, dass die halt viel Salz enthalten aber auch viel Energie. Die enthalten viele Geschmacksstoffe, was wieder appetitanregend ist. Und somit haben wir dann das Problem, dass viele Menschen übergewichtig werden und Salz dann das geringere Problem ist."

    Denn Salz ist nur eines von vielen Puzzleteilen. Egal ob Übergewicht, Blutdruck oder Gefäßerkrankungen - irgendwie hängt doch alles zusammen. Und im Endeffekt ist es immer auch eine Frage des Lebensstils.