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Samikultur und Marktvergnügen

Auf dem Wintermarkt der Sami im nordschwedischen Jokkmokk treffen sich jedes Jahr um die 40.000 Menschen. Bei Temperaturen um die 20 Grad minus kommen Sami aus Schweden und Norwegen sowie Touristen aus aller Welt zusammen. Verkauft werden Rentierfelle. getrocknetes Rentierfleisch und Kaffeekäse.

Von Katja Güth |
    Im Zelt der Geschwister Länta wärmt ein Ofen und die Herzlichkeit der Gastgeberin. Anna Karin Länta hat mit ihrem Bruder Jan Erik die für die Sami typische Kåta aufgestellt, ein Zelt aus Holzstäben, die sich nach oben verengen, und Zeltplanen darauf, durch das Loch am Dach pufft der Rauch, der von dem kleinen Ofen in der Mitte des Zeltes kommt. Auf dem Boden liegen Fichtenzweige auf dem Schnee und darüber Rentierfelle, ungegerbt, denn die Fettschicht isoliert gegen die Kälte.

    "Boullion?"

    Anna Karin Länta serviert ihren Gästen, die um den Ofen sitzen, Renboullion in Tassen, und die Fleischbrühe wärmt sofort. Die 39-Jährige trägt die ortstypische samische Tracht mit blauer Filzmütze und buntem Zierband. Ihre Tante Sonja Majken Länta wird gleich über ihr Leben mit Familie und Rentieren im Gebirge erzählen. Sie steht aufrecht in der nicht so großen Kåta und hat extra Lippenstift aufgelegt. Sie hat sich gut vorbereitet, die Sätze sind wohl überlegt, dennoch ist sie etwas aufgeregt. Wo anfangen?

    ""Unser Dorf heißt Jåhkågasska, wir ziehen mit unseren Rentieren Ende April/Anfang Mai vom Winterland im Wald hoch in den Sarek, wo die ersten Rentierkälber geboren werden. Dann zieht die Herde weiter nach Padjelanta an den See Virihaure, Schwedens schönsten Bergsee, der von oben in Blau, Grün und Weiß glänzt. Von dort sieht man in der Ferne die Berge in Norwegen.”"

    Sonja Majkens Stimme wird sicherer und fester. Die Gäste schauen sie gebannt an, die Gedanken folgen ihren Erzählungen, den Rentieren durch die unberührte mächtige Bergwelt der Nationalparks Sarek und Padjelanta.

    Sonja Majken Länta erzählt von der Kälbermarkierung, die in den hellen Sommernächten hoch oben im Gebirge stattfindet. Vom Zug der Packrentiere, die die Holzstäbe für die Kåta und das andere Gepäck trugen. Vom Erz, das man dort im 17. Jahrhundert aus dem Berg brach. Von der geplanten Erzgrube, die im Winterweidegebiet der Familie entstehen soll. Die Kultur der Sami ist eng mit der Rentierzucht verbunden, und die sieht sich ständig neuen Herausforderungen gegenüber. Es ist eine ewige Gratwanderung zwischen Tradition und Moderne. Nichte Anna Karin Länta arbeitet als Lehrerin in Jokkmokk, im Sommer aber wird sie wie ihre Vorfahren zur Nomadin.

    ""Im Sommer sind ja wir nicht im Autoland, also dass Straßen zu den Herden führen, wie im Winter im Wald. Im Sommer im Gebirge gibt es keine Wege. Ich wandere dann meist hoch zum Sommerlager, meine zehnjährige Tochter ist auch dabei, das sind 60 Kilometer der kürzeste Weg.”"

    Direkt vor der Kåta der Geschwister Länta stehen sich die Marktbesucher gerade die Beine in den Bauch oder die Füße kalt. Sie warten auf den alljährlichen Höhepunkt des Wintermarktes, den Zug der Rentiere von Familie Kuhmunen. Etwas verspätet kommt der Renrajd endlich, die Touristen zücken ihre Kameras und Mobiltelefone und knipsen entzückt

    Die sieben Rentiere der Familie Kuhmunen, die mit ihren traditionellen Schlitten im Schlepp an den Marktständen vorbei ziehen. Die Händler haben sich warm eingepackt, die Profis stehen zum Schutz vor verfrorenen Füssen auf einem ungegerbten Rentierfell. Es gibt landestypische Spezialitäten wie getrocknetes Rentierfleisch, Kaffeekäse und Elchsalami zu kaufen. Vor 408 Jahren fand der erste Wintermarkt in Jokkmokk statt. Die schwedische Krone ließ die Lappen (so wurden die Sami früher abwertend genannt) in den Kirchorten sammeln, um das Gotteswort zu verkünden oder Gericht zu halten und: Steuern einzutreiben. Gehandelt wurde damals wie heute hauptsächlich mit Pelzen.

    Der Stand mit den ausgestopften Tieren, Mützen aus Fuchspelz und Rentierfellen ist für lang gereiste Touristen wie Sydney Puntillo und Kimberly Rutkowski aus Chicago besonders interessant. Wenn sie bloß nicht so frieren würden. Händler Stefan Rutström serviert einen warmen Punsch. Sydney Puntillo kauft ein Rentierfell für umgerechnet 80 Euro, ein Geschenk für ihren Bruder, der hatte ihr zuletzt ein Kängurufell geschenkt. Und während Stefan mit seinen amerikanischen Kundinnen flirtet, erklärt sein Kollege Björn Lagerkvist das Angebot an allerlei Ausgestopftem: Schneehühner, Auerhähne, Eichhörnchen, Marder, Füchse - das meiste selbst erlegt. Selbst Bären, zwei ausgestopfte und ein Fell mit Bärenkopf:

    ""Das Fell hier, der Bär war eine alte Dame. Zehn bis 15 Jahre alt, die wurde nicht weit von hier geschossen. Letzten Herbst an der Landstraße von Jokkmokk nach Harads. Für den will 19.000 haben, schwedische Kronen.”"

    2200 Euro also, weitaus billiger kommt das Eichhörnchen für etwa 100 Euro, sieht auch putziger aus.

    Der typische Klang des Wintermarktes ist das Knarren der Winterschuhe auf dem festgetretenen Schnee, begleitet von Musik aus dem Marktradio. Vor dem Touristenbüro steht eine überlebensgroße Skulptur aus Eis, das sind eng umschlungene tanzende Elche! So können sich nur Romantiker oder Künstler die Brunst vorstellen.

    Apropos Romantik. Das ist Marktveteran Lars Guttorm Blind, der seit Jahren in Jokkmokk aus seinem langen Leben plaudert und jojkt. Hier besingt er ein schönes Mädchen, wie es nur eins unter dreißig gibt. Jokkmokks Wintermarkt wird erst durch Jojk, dem traditionellen Gesang der Sami, zum einzigartigen Erlebnis. Und der Kunst.

    In Jokkmokk gibt es eine besondere Schule, das Ausbildungszentrum der Sami, hier lernen Sami aus Schweden, Norwegen und Finnland ihr traditionelles Handwerk, wie man Fäden spinnt aus den Sehnen der Rentiere, wie man Kolte, die traditionellen Trachten, näht oder Schuhe aus Rentierpelz. Die junge Kunsthandwerkerin Erica Huuva hat sich der Silberschmiede verschrieben:

    ""Silber ist ja ein heiliges Metall, die Sami sind ganz verliebt in Silber. Ich fertige modernen und traditionellen Schmuck, wie Knöpfe und Broschen zur Tracht und wie das hier, die Wiegenkugel, die bekommt jedes Kind bei der Geburt, zum Schutz vor Unglück und so.”"

    Gesänge über schöne Mädchen, gesunde Rentierkälber, falsche Freunde, Glück und Unglück, all das ist Jojk. Auf dem Wintermarkt in Jokkmokk gelingt es den Sami jedes Jahr aufs Neue, Menschen für ihre Kultur zu begeistern: Der Respekt vor der Natur, und der Wille, sie zu nutzen, ohne auszunutzen. Man spürt die Einfachheit des Daseins und die Wärme, die entsteht, wenn sich Menschen willkommen fühlen.