
Oft zeichnet René Block Mind Maps, um sich auf größere Aufgaben vorzubereiten, zum Beispiel, als er 1998 die Leitung der Kunsthalle Fridericianum in Kassel übernahm. Eine solche Mind Map hängt nun auch groß an einer Wand des Neuen Berliner Kunstvereins: Man sieht große und kleine Kreise in verschiedenen Farben, die durch Pfeile miteinander verbunden sind.
In diesem Fall handelt es sich um einige größere Aufgaben, die Rene Block schon hinter sich hat, und das sind eine ganze Menge. Nimmt man nur die größten Kreise, kommt man auf fünf entscheidende Stationen seiner Karriere als Galerist und Kurator: seine Berliner Galerie, die er 1964 als jüngster deutscher Galerist mit 22 Jahren eröffnete und 13 Jahre lang, bis 1979, betrieb; seine zehnjährige Tätigkeit für das Berliner Künstlerprogramm; seine Leitung verschiedener Biennalen, vor allem jenen in Sydney und Istanbul, und schließlich die Leitung des Fridericianums in Kassel. Dazwischen liegen unendlich viele Geschichten, die diese Doppelausstellung der Berlinischen Galerie und des Neuen Berliner Kunstvereins wenigstens in Ansätzen noch einmal aufzurollen versuchen.
Etablierung eines fragilen Kunstbegriffs
Es ist das Panoptikum einer anderen Kunstgeschichte, sie handelt von der Etablierung eines fragilen Kunstbegriffs. René Block dachte die Kunst von Anfang an von ihren Rändern her, vom wenig Bekannten, das von der Aufmerksamkeitsökonomie im westlichen Kunstbetrieb gern als zu kompliziert oder zu unbekannt disqualifiziert wird.
In seiner Galerie aber verwaltete er zunächst das Erbe der Fluxusbewegung, die zu diesem Zeitpunkt eigentlich fast schon ihren Zenit überschritten hatte. Mit Wolf Vostell realisierte er Berliner Happenings auf Autoschrottplätzen in Schöneberg und an etlichen anderen Orten der Stadt. Als einer der ersten Galeristen zeigte er Gerhard Richters Malereien des "Kapitalistischen Realismus", kaum drei Jahre, nachdem dieser aus der DDR nach Westdeutschland übergesiedelt war. Nicht weniger berühmt ist heute die Aktion von Joseph Beuys, der sich 1974 mit einem Kojoten in der New Yorker Galerie von René Block am Broadway einschließen ließ.
Eigentlich interessant wurde es aber erst, als Block seine Galerie aufgab und als freier Kurator zu arbeiten begann. Über seine Tätigkeit für das Berliner Künstlerprogramm und das Institut für Auslandsbeziehungen in Stuttgart kam er nämlich in Kontakt mit der Sydney Biennale, die er dann 1990 leitete. Fünf Jahre später folgte die Istanbul Biennale. Diese intensive Phase nutze René Block, um im Westen fast unbekannte Kunstszenen vorzustellen.
Zeitgenössische Kunstszene der Türkei
Gerade die junge zeitgenössische Kunstszene in der Türkei und nahöstlichen Raum verdankt Block zahlreiche Verbindungen nach Europa. Große und aktuelle Namen wie die der Installationskünstlerin Füsun Onur, Gülsün Karamustafa oder Ayse Erkmen wären ohne René Blocks Arbeit an den Rändern des westlichen Kunstbetriebes vermutlich immer noch unbekannt.
Da Gegenwartskunst in der Türkei zumeist auch eine eminent politische Angelegenheit ist, unterstützte Block mit seinem Engagement auch immer verfolgte Künstler, etwa über das Netzwerk und die Galerie SALT von Vasif Kortun nahe dem Taksim-Platz in Istanbul. Bis heute ist René Block einer der großen Kenner der Kunstszene auf dem Balkan und im Nahen Osten. Und die aktuellen politischen Entwicklungen geben ihm darin durchaus Recht.
Das alles lässt sich in den beiden Ausstellungen in Berlin mit viel Archivmaterial wie in einer Zeitreise besichtigen, die nicht bei den üblichen Schulterklopfereien für die alten Kämpen der 70er-Jahre endet. Block ist bis heute aktiv. Zwar schloss er im Jahr 2013 seinen Künstlerraum Tanas in Berlin, der noch die Verbindungen zur türkischen Gegenwartskunst aufrecht erhielt. Seine eigene Kunstsammlung gehört nach wie vor im Bereich des Fluxus zu den wichtigsten in Deutschland.