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Samsung greift wieder nach dem olympischen Sport

Der Wettbewerb für Münchens Olympiabewerber um die Winterspiele 2018 hat sich erschwert. Denn Kontrahent Pyeongchang (Südkorea) kann wieder auf sein einflussreiches IOC-Mitglied Lee Kun Hee bauen. Der langjährige Chef des Samsung-Konzerns, gerade zu einer dreijährigen Gefängnisstrafe auf Bewährung verurteilt, wurde begnadigt - und soll im kommenden Jahr die Winterspiele 2018 in seine Heimat holen.

Von Jens Weinreich | 03.01.2010
    Im Wettbewerb um die Winterspiele 2018 war Pyeongchang schon immer klarer Favorit vor München und Annecy. Diese Favoritenrolle haben die Koreaner jetzt, da Samsung-Herrscher Lee Kun Hee begnadigt ist, noch ausgebaut. Lee hatte seine IOC-Mitgliedschaft vor knapp zwei Jahren ruhen lassen, als er in einem Aufsehen erregenden Prozess mal wieder wegen Steuerhinterziehung, Korruption und anderer Vergehen auf der Anklagebank saß. In Vancouver wird er im Februar wieder seine IOC-Geschäfte aufnehmen.

    Lee Kun Hee hatte mit dem Geld des Samsung-Konglomerats schon die Olympischen Spiele 1988 nach Seoul geholt. Zuletzt akquirierte Samsung die Leichathletik-WM 2011 für Daegu und die Asienspiele 2014 für Incheon.

    Samsung ist seit 1997 einer der Hauptsponsoren des IOC, mit einem Vertrag bis 2016. In die ersten beiden Olympiabewerbungen Pyeongchangs hat Lee enorme Summen investiert und trat vor zwei Jahren auf der IOC-Session gegen den damaligen russischen Präsidenten Wladimir Putin in die Bütt - einer seiner seltenen öffentlichen Auftritte war allerdings vergeblich: Pyeongchang unterlag für die Winterspiele 2014 knapp gegen Sotschi. Für 2010 war man bereits knapp gegen Vancouver unterlegen.

    Für 2018 aber ist Pyeongchang sportpolitisch aus vielen Gründen erste Wahl. Das IOC, das kürzlich erst Rio mit der Olympiaaustragung belobigte, weil es nach einem gescheiterten Anlauf seine Bewerbung klar verbessert hatte, kann Pyeongchang nicht dreimal in Folge auf Rang zwei einkommen lassen. Asien ist wieder dran - und in Europa haben einige Nationen großes Interesse an den Sommerspielen 2020, etwa Frankreich, Spanien und Italien.

    Zudem wird die Kür der Winterspiele 2018, die 2011 in Durban erfolgt, auch von der IOC-Präsidentschaftswahl zwei Jahre später beeinflusst. Auf internationalem Parkett weiß jeder, dass mit einer Niederlage Münchens die Chancen des deutschen Olympiachefs Thomas Bach steigen würden, IOC-Präsident zu werden. Kürzlich, am Rande der IOC-Sitzungen in Lausanne, beschrieben zahlreiche Branchenkenner diese Konstellation. Pikant zudem: Bach hat traditionell beste Kontakte zu den korrupten koreanischen Olympiern; ob nun Lee oder den ehemaligen IOC-Mitgliedern Kim Un Yong und Park Yong Sung - inzwischen schon wieder NOK-Präsident -, die wegen Korruption austreten mussten. Zu großen Teilen sind die potenziellen Wahlmänner des Deutschen und der Koreaner identisch.

    Lee Kun Hee wurde nach mehrjährigen Strafen bereits zum zweiten Mal begnadigt. Trotz seiner Verurteilungen schaute das IOC tatenlos zu - ob nun unter dem Präsidenten Samaranch, der ihn einst ins IOC geholt hat, oder unter dem Präsidenten Rogge.

    Einer dritten Verurteilung entging der Milliardär 2006 nur durch eine Spende von rund 800 Millionen Euro für wohltätige Zwecke. Damals war er ins Ausland geflüchtet und blieb der Heimat Monate fern. Lees erste Begnadigung erfolgte 1997 "im Interesse der Wirtschaftskraft” des Landes. Der Samsung-Konzern mit dem Herzstück Samsung-Electronics sichert ein Fünftel des südkoreanischen Bruttosozialprodukts. Von Millionen Menschen wird Lee wie eine Gottheit verehrt. Ein geflügeltes Wort besagt: Wer kein Geld von Samsung nimmt, sei kein echter Koreaner.

    Die jüngste Begnadigung durch Staatspräsident Lee Myung Bak erfolgte im "nationalen Interesse”, um die Olympischen Spiele nach Pyeongchang zu holen. Das Bewerberkomitee, die komplette Sportführung, die Handelskammer und viele Politiker hatten darum gebeten. Bürgerrechtler kritisierten, "ein Krimineller, der um die Welt reise” werde dem nationalen Interesse und dem Image Koreas nur Schaden zufügen.

    Als Samsung-Chairman trat Lee im Frühjahr 2008 nach einem Deal mit der Staatsanwaltschaft zurück. Inoffiziell blieb er natürlich Samsung-Gebieter. Sein Vater Lee Byung Chull hatte Samsung einst gegründet. Lee Kun Hee folgte ihm 1987 als Vorstandschef. Vor knapp drei Wochen nun, unmittelbar vor seiner neuerlichen Begnadigung, wurde sein 41-jähriger Krohnsohn Lee Jae Yong Chef des operativen Geschäfts.

    Gegen den Sohn war einst auch ermittelt worden, weil der Vater ihm eine millionenschwere Anleihe des Konzerns weit unter Wert zugeschanzt hatte. Der Vater nahm alle Schuld auf sich, so kam der Sohn straffrei davon und darf nun bald den gesamten Chaebol übernehmen. Es bleibt alles in der Familie. Bei Samsung und im olympischen Sport.