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Sanfter Tourismus auf 5200 Hektar?

Ferienanlagen aus umweltverträglichen Materialien betrieben mit Erneuerbaren Energien - das klingt zumindest nach sanftem Tourismus. Dennoch gibt es derzeit in Portugal heftigen Widerstand gegen eine solche Ökostadt, die ausgerechnet die Umweltorganisation WWF errichten will. Hintergrund ist das WWF-Projekt "One planet living", das sich zum Ziel gesetzt hat, fünf Ökostädte auf fünf Kontinenten zu hochzuziehen. Wirklich voran geht es derzeit nur in Portugal, in der Nähe von Sesimbra, einem kleinen beschaulichen Küsten-Städtchen südlich von Lissabon. Dort wurde das Projekt offiziell vorgestellt und von den Gemeinden soweit abgesegnet. Baubeginn wäre dann Anfang kommenden Jahres. Allerdings gibt es noch erhebliche Bedenken gegen die Öko-Ferienanlage, und zwar aus den Reihen der lokalen Umweltschützer, denn die Einwohnerzahl Sesimbras würde sich mit der neuen Öko-Stadt schlagartig verdoppeln. Jochen Faget über den Streit zwischen lokalen und globalen Aktivisten.

Von Jochen Faget |
    Eduardo Gonçalves vom WWF schwärmt begeistert:

    " Wir werden fünf Ökostädte bauen, eine auf jedem Kontinent. Mit denen werden wir zeigen, was umweltverträgliches Leben bedeutet. Und das erste dieser Pilotprojekte wird die Öko-Feriensiedlung im Wald von Sesimbra mit einem Investitionsvolumen von einer Milliarde Euro und 8000 ökologischen Häusern."

    Nicht kleckern, sondern klotzen will der WWF, so Gonçalves, um der Welt zu zeigen, dass modernes Leben auch unfreundlich sein kann. Darum soll auf stolzen 5200 Hektar eine Ferienanlage entstehen, wie sie noch niemand gesehen hat: Gebaut mit umweltschonenden Materialien, ausgelegt auf niedrigen Energie- und Wasserverbrauch, integriert in ein großes Waldgebiet. Und sogar die Nahrungsmittel für die Bewohner sollen umweltfreundlich in der Region produziert werden, um lange Transportwege und damit Umweltverschmutzung zu vermeiden. Fast nebenbei entstehen sogar noch 11.000 Arbeitsplätze. Da kann man sich doch nur freuen, meint WWF-Vertreter Eduardo Gonçalves:

    " Alle werden mit diesem Projekt gewinnen: Die Region, weil so wichtige Infrastrukturen geschaffen werden. Die Umwelt, weil ein jetzt schwer geschädigtes Waldgebiet rehabilitiert und sogar ein Fond zum Schutz bedrohter Tierarten gegründet wird. Arbeitsplätze entstehen, die Landwirtschaft der Region wird gestärkt. Wir machen den Ort Sesimbra bekannt, das ist gut für den Tourismus. Und es ist gut für Portugal, das ins Zentrum des öffentlichen Interesses rückt - als Land, in dem das erste Öko-Projekt mit einer Garantie des WWF entsteht."

    Um so ärgerlicher ist, dass ausgerechnet Portugals renommierte Umweltschutzorganisation Quercus sich über die geplante Ökostadt vor den Toren Lissabons überhaupt nicht freut. Francisco Ferreira erklärt, warum:

    " In Portugal wurde bereits zu viel gebaut. Wir brauchen keine neuen Feriensiedlungen. Es wäre wünschenswerter, bereits Bestehendes umweltfreundlicher zu machen. Vom Standpunkt des Umweltschutzes aus gesehen, wäre es am besten, bei Sesimbra überhaupt nichts zu bauen."

    Dafür jedoch liegt das Fischerstädtchen Sesimbra leider viel zu schön: Noch im Einzugsbereich der Hauptstadt Lissabon bietet es kilometerlange einsame Sandstrände, malerische Buchten und Berge im Hinterland. Ein kleines Paradies mit Eisen- und Autobahnanbindung, in dem bereits seit Jahren verschiedene, zum Teil höchst umstrittene Immobilienprojekte zwar genehmigt, aber noch nicht gebaut wurden. Da erschien der portugiesischen Regierung und den Bürgermeistern vor Ort die Ökostadt die ideale Lösung: Ein Bauunternehmen erbot sich, statt der mehr als zehn geplanten Feriensiedlungen nur eine Anlage zu errichten - diese natürlich entsprechend größer, aber mit dem Gütesiegel des WWF. Portugal hofft so auf sanften Tourismus, der WWF auf Werbung für sein Projekt vom umweltverträglichen Leben:

    " Wir werden einen Ort haben, an dem wir Politikern, Investoren und der Öffentlichkeit zeigen können, wie umweltfreundliches Wachstum in der Praxis funktioniert", freut sich Eduardo Gonçalves. "Das ist eine neue Vorgehensweise des WWF und ich denke, sie wird sehr erfolgreich sein."

    Für den WWF und seine Ökostadt-Pläne allemal: Denn der Bau der weiteren vier Städte auf den anderen vier Kontinenten lässt noch auf sich warten. Man wolle zuerst sehen, wie das europäische Projekt in Portugal sich entwickle, erklärt WWF-Vertreter Eduardo Gonçalves. Das wiederum stört die portugiesischen Umweltschützer von Quercus: Die Anlage sei viel zu groß, durch sie würde die Bevölkerungszahl in der Region Sesimbra praktisch verdoppelt, also auch die Umweltbelastung stark erhöht. Quercus fordert, keine schlagzeilenträchtige Ökostadt, sondern ein wirklich umweltverträgliches Ökodorf zu bauen. Denn dass im paradiesischen Sesimbra auf alle Fälle gebaut wird, weiß auch Umweltschützer Francisco Ferreira:

    " Irgendwelche Feriensiedlungen werden sowieso entstehen. Da ist das WWF-Projekt ohne Zweifel das geringere Übel. Aber wir haben große Bedenken, wie Sesimbra mit so vielen Menschen in ein paar Jahren aussehen wird."