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"Sanierungsbedarf ist dringend da"

Die SPD-Vorsitzende des Bundestags-Bildungsausschusses, Ulla Burchardt, hat sich positiv über das beschlossene zweite Konjunkturprogramm der Bundesregierung geäußert. Insbesondere begrüßte die SPD-Politikerin die geplanten Investitionen in die Sanierung von Hochschulgebäuden, Schulen und Kindergärten.

Ulla Burchardt im Gespräch mit Jörg Biesler |
    Jörg Biesler: Gestern Abend haben die Spitzen der Bundesregierung beschlossen, der gebeutelten Konjunktur auf die Beine zu helfen, mit finanziellen Entlastungen auf der einen und mit einem Investitionspaket auf der anderen Seite. Und der größte Anteil des Investitionspakets soll Schulen und Hochschulen zugute kommen. Die Rede ist im Augenblick von 6,5 Milliarden Euro für Baumaßnahmen und Sanierungen maroder Gebäude. Am Telefon ist jetzt Ulla Burchardt, SPD-Vorsitzende des Bildungsausschusses im Deutschen Bundestag. Guten Tag, Frau Burchardt!

    Ulla Burchardt: Guten Tag!

    Biesler: Eine Zukunftsinvestition in Bildung sei das, lobt sich die Bundesregierung, aber es geht doch vor allem um Baumaßnahmen. Beseitigt das tatsächlich die substanziellen Probleme der Schulen und Hochschulen?

    Burchardt: Nein, natürlich nicht. Natürlich fehlt es an vielen Stellen auch an Personal, das ist gar nicht die Frage. Da arbeiten wir an unterschiedlichen Programmen, beispielsweise mit dem Hochschulpakt sind wir ja schon initiativ geworden. Aber dass Investitionen in die Sanierung, in die Modernisierung der Gebäude - von neuen reden wir erst mal noch gar nicht - dringend notwendig ist, das wissen alle, die sich in Gebäuden aufhalten, um zu lernen. Das wissen Schüler und Eltern von den Schulen, das wissen aber insbesondere auch Studierende und das Lehrpersonal an Hochschulen. Die Situationen sind teilweise gerade in den alten Bundesländern absolut katastrophal, wo es durch die Dächer regnet, wo die sanitären Anlagen alles andere als in Ordnung sind, wo teilweise die Stühle im Hörsaal für die jungen Leute, die heutzutage 1,80 Meter, 1,90 Meter und größer werden, nicht mehr ausreichen. Also der Sanierungsbedarf ist dringend da.

    Biesler: Dennoch fällt ja auf, wie das Konjunkturpaket ausgerichtet ist. Wäre es falsch zu sagen, es hilft vor allem der Bauwirtschaft und der Büromöbelindustrie und dann auch noch der Bildung?

    Burchardt: Na ja, das Beste im Leben sind ja immer Win-Win-Situationen. Das ist im privaten Bereich so, das ist natürlich im politischen Bereich auch so. Also ich sage mal, es ist ja ein schöner Nebeneffekt, wenn mit Investitionen in Schulen, in Hochschulen, in Kindergärten gleichzeitig auch noch lokale Arbeitsplätze gesichert und gerettet werden können. Und das war für uns ein ganz, ganz wichtiger Punkt auch für die SPD-Bildungspolitik. Wir haben ja sehr konkrete Vorschläge gerade für den Bereich Sanierung im Hochschulbereich gemacht. Das war für uns ein ganz wichtiger Punkt, dass wir gesagt haben, es müssen im Moment kleinräumige Maßnahmen sein, wo keine langfristige Planung erforderlich ist. Dann haben wir zwei Effekte. Zum einen gibt es sofort eine Verbesserung der Situation, der räumlichen Situation, und wir haben den Effekt, dass eben das lokale Gewerbe, das lokale Handwerk davon profitiert. Denn im Moment hilft es der deutschen Konjunktur wenig, wenn wir also in einem langwierigen zweijährigen Verfahren Projekte größerer Art ausschreiben, die EU-weit ausgeschrieben werden müssen. Das wäre im Moment nicht so das Richtige. Dass das an anderen Stellen notwendig ist, keine Frage. Allein die Ruhr-Universität Bochum, meine Nachbaruniversität hier zu Hause, hat einen Sanierungsbedarf von einer Milliarde. Also insofern sieht man, dass dieses wirklich ein erster, aber schon ein notwendiger Schritt ist.

    Biesler: Als Beobachter fragt man sich ja schon, wie so ein Paket eigentlich zustande kommt in den Verhandlungen, wenn man am Tisch einander gegenübersitzt. Warum sind es denn jetzt ausgerechnet 6,5 Milliarden? Weil vorher verabredet war, wie der Berliner Bildungssenator Jürgen Zöllner hier bei "Campus & Karriere" gestern sagte, dass 65 Prozent der Investitionen für Bildungseinrichtungen ausgegeben werden sollen, und man hat sich einfach auf zehn Milliarden so verständigt?

    Burchardt: Also ich hätte auch gern Mäuschen gespielt bei diesen Verhandlungen, war aber leider nicht möglich. Wenn ich mir die Zahlen und Daten ansehe und sehe, wer mit welchen Vorschlägen reingegangen ist, dann muss man zuerst feststellen, die Union kam insbesondere mit Steuersenkungsvorstellungen rein und die SPD mit sehr konkreten Vorschlägen, nämlich genau zehn Milliarden kommunales Investitionsprogramm. Ich gehe mal davon aus, solche Verhandlungen sind ja auch immer Kompromisslinien, dass dieses kommunale Investitionspaket wirklich die Übernahme der SPD-Forderung ist. Steinmeier hat ja Anfang der letzten Woche dieses Paket vorgestellt, und das finde ich in ganz, ganz weiten Strecken fast eins zu eins in diesem Paket wieder, in diesem Konjunkturpaket. Und das macht eben auch den großen Teil Investitionen in Bildung aus. Und wir als Bildungspolitiker in der Fraktion haben, und im Parteivorstand letzte Woche noch, darauf gedrungen, dass es eben nicht nur um Kindergärten und Schulen geht, sondern dass die Hochschulen explizit mitberücksichtigt werden. Wir hatten vorgerechnet, dass der kurzfristige Sanierungs-, nicht Bedarf, sondern das, was realisierbar ist jetzt in den nächsten 20 Monaten, sich auf 2,8 Milliarden Euro beläuft. Und wenn man die 6,5 mal nimmt, 2,8 für die Hochschulen, dann noch mal einen Betrag für Schulen und für Kindergärten, dann ist das schon eine realistische Größenordnung, was jetzt innerhalb von zwei Jahren auch tatsächlich ausgegeben werden kann, also realisierbare Maßnahmen. Und insofern, wenn man das Paket insgesamt sieht, dann muss man sehen, es sind die Vorstellungen der SPD eingeflossen, es sind die Vorstellungen der Union eingeflossen, jeder hat ein paar Abstriche machen müssen. Ich finde beispielsweise nicht den Besserverdienenden-Soli für Bildung wieder, da war offensichtlich nichts zu machen mit der Union. Aber im Großen und Ganzen muss ich sagen, sind wir als Bildungspolitiker zufrieden. Wir hatten nach dem ersten Konjunkturpaket ja nun wirklich nicht nur geklagt, sondern gesagt, also wir müssen jetzt, wenn das zweite kommt, die konkreten Vorschläge auf den Tisch legen. Das haben wir gemacht, und diese Strategie ist aufgegangen.

    Biesler: Sie sagen, 2,8 Milliarden wären nur realisierbar. Also über den Bedarf, haben Sie auch gesagt, sprechen wir da noch gar nicht. Es gibt einen ganz anderen Bedarf als der nur, der jetzt bewilligt worden ist. Das liegt daran, dass man einfach nicht genug Baufirmen hat, die die Aufträge sozusagen abarbeiten könnten, oder warum sind nur 2,8 Milliarden realisierbar?

    Burchardt: Nein, wir haben ja bei größeren Bauten, insbesondere wenn Sie Neubauten haben, das nimmt ja gleich Riesendimensionen an, müssen Sie also ein ordentliches Planverfahren machen. Dann müssen Sie die Statiker bestellen und alle, die schon mal größere Bauten gemacht haben, wissen, dass so was ja nicht mal eben in sechs Monaten zu machen ist. Und wenn es eben über die Grenze von 5,1 Millionen geht, eine einzelne Maßnahme, dann müssen Sie EU-weit ausschreiben. Und das ist ein langwieriges Verfahren. Als Wahlkreisabgeordnete kriegt man das mit, wenn man sagt, jetzt habe ich hier Geld für eine Straße lockergemacht oder für einen Tunnel, und dann dauert das zwei Jahre, bis dieses ganze Verfahren abgeschlossen ist. Wenn dann noch irgendeiner klagt, eine Firma, weil sie nicht zum Zuge gekommen ist, kann sich so ein Verfahren über mehrere Jahre hinziehen. Und deswegen war es uns wichtig, dass wir gesagt haben, also möglichst kleinräumige Maßnahmen jetzt in dem Konjunkturpaket, das heißt ja nicht, dass das andere nicht wichtig ist, aber was man jetzt unterbringen kann, muss man so stricken, dass es jetzt tatsächlich dann auch passt.

    Biesler: Ulla Burchardt, bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Vorsitzende des Bildungsausschusses im Deutschen Bundestag, über das Konjunkturpaket und die Bildung und das, was zu tun übrig bleibt. Vielen Dank!