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Sanierungsbeitrag: Nein, danke

Nun werden die 126.000 Fässer mit schwach- und mittelradioaktivem Atommüll aus dem Lager Asse aus 800 Metern Tiefe wieder herausgeholt. Kostenpunkt: mindestens zwischen zwei und vier Milliarden Euro. Und die Energiekonzerne müssen sich daran nicht beteiligen, so die Planungen.

Von Susanne Schrammar | 10.09.2010
    Bisher hieß es immer, in der Asse lägen rund 1.300 Fässer mit mittelaktivem Atommüll. Doch tatsächlich sollen mehr als zehn Mal so viele, nämlich 16.000 Fässer in dem ehemaligen Salzbergwerk eingelagert worden sein. Sie waren offenbar als leicht aktive Stoffe deklariert. Das geht aus dem lang erwarteten, aber noch nicht veröffentlichten Inventarbericht der ehemaligen Betreibergesellschaft des Atommüll-Lagers, dem Helmholtz-Zentrum hervor, aus dem die Braunschweiger Zeitung heute zitiert. Die Studie bestätigt, was Umweltinitiativen und Anwohner befürchtet haben: Bei der Einlagerung in den 60er-Jahren wurde nachlässig gehandelt. Es sei festzuhalten, so die Studie, dass eine hohe Anzahl der abgelieferten Fässer nicht den Annahmebedingungen entsprach. Die Gesamtaktivität des Inventars sei auch nach heutigen Erkenntnissen nur abschätzbar und könne in einigen Fässern zehn Mal höher sein, als angenommen.

    Unterdessen hat das Bundesamt für Strahlenschutz in dem Bergwerk in der Nähe von Salzgitter mit der sogenannten Kalterprobung begonnen. Bevor die insgesamt 126.000 Fässer mit schwach- und mittelaktivem Abfall aus der Asse geborgen werden, soll der Zustand der Einlagerungskammern und der Fässer untersucht werden. Dazu werden mehrere armdicke, 40 Meter lange Löcher in die Salzwände der Einlagerungskammern gebohrt, durch die Sonden und Kameras geschickt werden. Seit wenigen Tagen probiert das Bundesamt für Strahlenschutz das technische Gerät und die notwendigen Sicherheitseinrichtungen zunächst an einer Kammer ohne Atommüll aus. Bis Ende des Jahres soll die erste Kammer mit Fässern darin auf diese Weise untersucht werden. Spezielle Filter und Schleusen sollen dafür sorgen, dass aus den Einlagerungskammern keine radioaktiven Partikel über das Bohrloch austreten und Personal und Umwelt gefährden könnten. Werner Nording, Sprecher des Bundesamtes für Strahlenschutz.

    "Wir müssen uns darauf einstellen, dass im Laufe der Jahrzehnte sich durch den Bergdruck die Kammern zusammengedrückt haben, dass möglicherweise die Kammern beschädigt sind, dass sich möglicherweise ein Unterdruck entwickelt hat, dass Ausgasungen stattfinden, die Partikel transportieren können. Wir stellen uns auf die schlimmste Situation ein, deswegen die extrem hohen Sicherheitsanforderungen, die Sicherheit hat bei uns aller oberste Priorität."

    Drei Jahre, so schätzt das Bundesamt für Strahlenschutz, könnte die Untersuchung der Fässer und Kammern dauern, bevor die eigentliche Räumung des maroden Atommülllagers Asse beginnen kann. Mit vollautomatischen Robotern sollen die Fässer über Tage gebracht werden, möglicherweise müssen jedoch auch Mitarbeiter in speziellen Schutzanzügen für einen Teil der Bergung eingesetzt werden. Die Müllgebinde werden dann in einem Zwischenlager umverpackt. Wo dieses Zwischenlager errichtet wird, steht noch nicht fest.

    "Es wird sicherlich nicht auf dem Werksgelände stattfinden können, weil das Werksgelände durch die Bergbautätigkeiten stark einsturzgefährdet sein kann, weil wir jederzeit mit einem Wassereinbruch rechnen müssen in der Asse – das ist ja die große Gefahr. Aber wir werden sicher standortnah dieses Zwischenlager bauen, da ist aber noch keine Entscheidung gefallen."

    Die Rückholung des Atommülls aus der Asse wird nach gegenwärtigen Schätzungen etwa 3,9 Milliarden Euro kosten. Dass die Bundesregierung vor wenigen Tagen angekündigt hat, sie werde die Sanierungskosten übernehmen, hat bei der Opposition im Bundestag für heftige Kritik gesorgt. Im Koalitionsvertrag hatten CDU und FDP vereinbart, dass die Energieversorgungsunternehmen an den Kosten für die Schließung der Asse beteiligt würden. Sylvia Kotting-Uhl, atompolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen.

    "Die Bundesregierung hat an der Stelle ihren Koalitionsvertrag gebrochen, ganz eindeutig, denn sie beteiligt die Energieversorger nicht an den Kosten der Schließung. Es sollte ursprünglich über die Brennelementesteuer gerechnet werden, jetzt ist es aber so, dass die Energieversorger die Brennelementesteuer, die Einzahlung in den Fonds für die Förderung der erneuerbaren Energien und auch die Kosten für die Nachrüstungen miteinander verrechnen können. Also, da noch irgendwie zu sagen, da bleibt noch was übrig für die Schließung der Asse, ist überhaupt nicht wahr."