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Sanktionen? Kein Problem!

Weitgehend unbekannt ist, dass im Iran seit Jahrzehnten Autos gebaut werden. Der Staatsbetrieb Iran Khodro hat einst den "Peykan" produziert. Das ist so etwas wie der iranische Volkswagen. Heute rühmt sich das Unternehmen, der größte Autobauer des gesamten Mittleren Ostens zu sein.

Von Jörg-Christian Schillmöller | 05.08.2011
    In Presswerk drei entstehen aus schlichten Metallplatten die Grundbauteile für Autos: Motorhauben, Kotflügel, Türen. Die gigantischen Pressen rammen die Formen in das Metall. Orangefarbene Roboter nehmen die Teile aus einer Presse und legen sie in die nächste:

    "Also unsere Pressen, die sind aus Japan, und die Roboter, die kommen aus Deutschland, von Kuka aus Augsburg."

    Mustafa Parisi ist verantwortlich für Presswerk drei. Es stimmt tatsächlich, wie die bayerische Firma Kuka später bestätigt: Deutsche Roboter bauen gemeinsam mit japanischen Pressen iranische Autos.

    "Wir haben in diese Halle viel investiert, darum arbeiten wir in vier Schichten rund um die Uhr, auch freitags, also an eurem Sonntag. Hier läuft der Betrieb nonstop."

    In Presswerk drei werden Bauteile für das iranische Modell Samand gefertigt, aber auch für den Peugeot 405 und 206: Der Konzern Iran Khodro stellt schon seit vielen Jahren in Lizenz einige Modelle von Peugeot her, die nicht nur für den Iran bestimmt sind, sondern auch in den Export gehen.

    Nach Presswerk drei folgt eine Fahrt zu Montagehalle vier. Das Werksgelände von Iran Khodro liegt im Westen von Teheran, an einer achtspurigen Ausfallstraße. Die Bordsteine auf dem gesamten Gelände sind blau und weiß – das sind die Farben des Unternehmens. Das Logo von Iran Khodro ist der Kopf eines Pferdes - eine Anspielung an die persischen Streitwagen der Antike.

    In Montagehalle vier stehen schneeweiße Peugeots Schlange, Modell 207i. Die Autos warten auf ihren letzten Test. In einem gleißend hell erleuchteten Tunnel aus Neonröhren werden die Wagen auf Macken hin untersucht. Dann werden die Räder justiert und im Geschwindigkeitsraum wird jedes Auto auf Metallrollen auf 120 Kilometer pro Stunde beschleunigt, um Bremsen und ABS zu prüfen.

    Ein paar Zahlen: Iran Khodro baut nach eigenen Angaben mehr als 550.000 Autos im Jahr. Schon bald sollen es mehr als 800.000 sein. Im viereckigen Hochglanzkatalog mit Multimedia-CD wird erläutert, dass der Konzern in mehr als 30 Länder exportiert – zum Beispiel in die ehemaligen Sowjetstaaten, die Türkei sowie in einige afrikanische und südamerikanische Länder. Der Eindruck, der geweckt werden soll, ist klar: Dem Unternehmen geht es gut, es arbeitet nach westlichen Standards und vergrößert sich von Jahr zu Jahr. Diese Sicht vertritt auch Kommunikationsdirektor Abdollah Babaie:

    "Unser neuestes Modell, den 'Dena', haben wir ohne Hilfe aus dem Ausland entwickelt. Das ist ein rein iranisches Produkt. Sehen Sie, das ist auch eine Folge der Sanktionen gegen unser Land: Je mehr man versucht, uns das Leben schwer zu machen, desto unabhängiger werden wir, desto mehr stehen wir auf eigenen Füßen."

    Man könnte auch sagen: Desto isolierter steht das Unternehmen da. Jahrzehntelang hat Iran Khodro zum Beispiel mit Daimler zusammengearbeitet, bis Konzernchef Zetsche die Kooperation vergangenes Jahr aufkündigte. Zitat:

    Die Politik der derzeitigen iranischen Führung gebietet es, unsere Geschäftsbeziehungen mit diesem Land zu unterbrechen.

    Pech für Daimler, meint Abdollah Babaei:

    "Also mein Motto, mein Leitspruch ist der: Nicht wir stehen unter Sanktionen, sondern die, die uns ihre Produkte nicht mehr verkaufen dürfen. Es ist doch schade, so einen Markt wie den iranischen zu verlieren. Sie sollten einen solchen Markt nicht einfach so aus der Hand geben. Sehen Sie, wenn Sie nicht hier sind, dann kommen die Chinesen, und das ist schade für die deutsche Industrie."

    Iran Khodro war jahrzehntelang ein Staatsbetrieb und soll schon seit Jahren privatisiert werden. Die Eigentumsverhältnisse sind unklar. Erst hieß es, die religiösen Stiftungen im Land seien heimlich zu Teilhabern geworden, dann hieß es, die Revolutionsgarden kauften sich über Tarnfirmen in das Unternehmen ein. Das "Handelsblatt" schrieb darüber schon vor Jahren. Zitat: Die Revolutionsgarden verfügen inzwischen über ein Firmengeflecht, das den Religionsstiftungen den Rang abzulaufen droht.

    Unabhängige Einschätzungen über Iran Khodro sind angesichts der angespannten Lage im Land nicht leicht zu bekommen. Ein Branchenfachmann ist bereit, Auskunft zu geben. Er spricht deutsch, möchte aber anonym bleiben:

    "Die Sanktionen haben in keinem Fall dazu geführt, dass Sie irgendwas nicht bekommen. Es geht nur darum, zu welchem Preis. Je stärker die Sanktionen werden, desto mehr Zwischenleute kommen auf. Die Ware wird eingekauft und erst mal woandershin verschickt, dann umgepackt, und irgendwann tauchen die Teile hier auf. Es geht nur darum, dass es etwas länger dauert und teurer wird."

    Ein Auto aus der heimischen Produktion bekommt man für 10.000 bis 20.000 Dollar. Das können sich viele Menschen so gerade leisten. Daneben gibt es einen kleinen Importmarkt, aber nur für den wohlhabenden Autofreund: Der Iran erhebt Einfuhrzölle von etwa 100 Prozent, um die eigene Industrie zu schützen. Ein deutscher Anbieter hat aber trotzdem eine Niederlassung in Teheran, und zwar Porsche. Anders als Daimler hat der Konzern kein Problem mit dem Iran: Seit 2009, so hören wir, hat das Unternehmen rund 500 Stück verkauft. Ihre Besitzer zeigen sich gern mit den Autos in der Öffentlichkeit: auch das ein Stück Alltag im Iran.

    "Es gibt Straßen in Teheran, wo man einfach hinfährt, um gesehen zu werden, zum Beispiel die Jordan-Straße oder in Sharakhe Rab: Da bleibt die Anzahl der Autos konstant, weil die alle um den Block fahren. Viele Bekanntschaften werden da geschlossen, auch als Ersatz für fehlende Discos."

    Also das klassische Cruisen?

    "Ja."

    Sind die Iraner eine Autofahrernation?

    "Oh ja, sehr. Ein persönliches Fahrzeug ist eins der Ziele, das jeder Iraner hat. Eigenes Haus, eigenes Auto, und man hat alles getan, was man tun sollte."

    Was fahren Sie selbst?

    "Porsche, und meine Frau fährt einen Mercedes."

    Porsche fahren in Teheran? Der Branchenkenner lächelt. Steigen Sie nur ein, meint er kurz darauf, ich nehme sie ein Stück in meinem Cayman S mit. Dann tritt er auf das Gaspedal – und in Sekundenschnelle stellt sich mitten in Teheran etwas ein, mit dem man gewiss nicht gerechnet hatte, nämlich ein ganz und gar deutsches Fahrgefühl: auch das eine Autogeschichte aus der Islamischen Republik Iran.

    Homepage der Firma:
    www.ikco.com