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Sapienza ohne Papst

Nach Protesten hat Papst Benedikt XVI. seinen Besuch an der römischen Universität "La Sapienza" abgesagt. Eigentlich sollte das Oberhaupt der Katholischen Kirche zum 705. akademischen Jahr der größten Universität des Landes die Eröffnungsrede halten. Professoren und Studierende fürchteten jedoch um die Objektivität der Wissenschaft.

Von Thomas Migge |
    "Ich meine er hätte kommen sollen. Warum soll ein Papst nicht unser neues Studienjahr eröffnen? Warum soll nicht auch er reden dürfen? Die Gegner der Papstrede haben sicherlich ihre guten Gründe aber ein Redeverbot ist ein Unding,"

    meint Paolo De Bernaris Hochschullehrer an der "La Sapienza", der größten und ältesten römischen Universität. Er ist über die Absage aus dem Vatikan enttäuscht. Ganz anders sieht das diese Studentierende. Anna Valentini studiert Politische Wissenschaften. Seit über einer Woche macht sie bei einer Aktionsgruppe mit:

    "Ich finde es absurd, hier einen Mann reden zu lassen, der partout die wissenschaftliche Vorgehensweise in Frage stellt.Der hat hier nun wirklich nichts zu suchen!."

    Eigentlich sollte Papst Benedikt XVI. morgen Vormittag an der Uni La Sapienza das neue akademische Jahr feierlich eröffnen: mit einer Rede über die Todesstrafe. Was der Papst zu diesem Thema denkt, ist hinlänglich bekannt und wird von fast allen Bürger geteilt. Auch in Italien. Doch der seit Monaten geplante Papstbesuch in Italiens größter Hochschule mit rund 350.000 Studenten, vor 700 Jahren von einem Papst gegründet und heute staatlich, wurde aus einem anderen Grund abgelehnt: zunächst von rund 70 Hochschulprofessoren der "La Sapienza", die ihrem Rektor, der den Papst eingeladen hatte, darum baten, den Papst wieder auszuladen - erklärt der Physiker Renato Brusio, einer der Anti-Ratzinger-Profs:

    "Ich habe ab einem bestimmten Punkt gefühlt, dass dieser Papst hier nicht reden sollte. Ich hatte nichts dagegen, als Johannes Paul II. hier ein Studienjahr eröffnete, aber er hatte sich auch nicht gegen die von Galilei begründete wissenschaftliche Vorgehensweise ausgesprochen. Das ist ein ganz anderer Fall als beim Besuch von Karol Wojtyla."

    Dienstag Nachmittag besetzten einige Dutzend Studierende, darunter auch Carlo Giovannelli, das Rektorat der Hochschule. Sie räumten es erst, als ihnen der Rektor erlaubte, am Donnerstag, während des Papstbesuches, auch ganz offiziell und friedlich zu demonstrieren. Als der Vatikan diese Entscheidung erfahren hatte, wurde der Besuch Benedikt XVI. umgehend abgesagt. Anscheinend, so vermuten Vatikanexperten, habe es der Kurie und dem Papst gar nicht gefallen, dass der Rektor den Protestierenden entgegengekommen sei.
    Carlo Giovanelli:

    "Ich finde, dass wir die Objektivität der Wissenschaft verteidigen müssen, gegen eine Person wie den Papst, der wissenschaftlichen Obskurantismus betreibt. Wir hätten den morgen ganz kräftig geärgert, aber jetzt kommt er ja leider nicht. Aber das ist auch besser so."